Aufgrund einer neuen Testmethode WLTP steigen nicht nur die Verbrauchsangaben bei Verbrennern, auch Elektroautos geraten bei der Reichweitenangabe unter Druck.
Reichweitenschwund bei Elektroautos durch neues Prüfverfahren WLTP
Des Durchschnitt-Schweizers grösste Sorgen zum Thema Elektroauto sind immer noch vorwiegend Ladeinfrastruktur und Reichweite. Letztere könnte in Zukunft wieder für hochgezogene Augenbrauen sorgen. Denn wie weit neue E-Autos mit einer Akkuladung kommen, wird künftig nach dem strengeren Fahrzyklus “Worldwide Harmonized Light Duty Test Procedure” gemessen. Zwar ändert sich damit an der realen Reichweite der E-Autos nichts, auf dem Papier wird aber absehbar ein womöglich deutlich geringerer Wert stehen.
Realitätsnäher ermitteln mit WLTP
Mit höheren Geschwindigkeiten und weniger Stillstand, soll das neue Verfahren Verbrauch bzw. Reichweite realitätsnäher ermitteln als der alte NEFZ-Zyklus (Neuer Europäischer Fahrzyklus). Als eines der ersten E-Autos hat Nissan nun für den Leaf eine neue Reichweite angegeben.
Nissan Leaf
Während er nach NEFZ immerhin 389 Kilometer aus seiner 40-kWh-Batterie saugt, sind es nach dem neuen Zyklus nun 285 Kilometer im kombinierten Verkehr. Innerstädtisch soll es der Japaner dank häufigerer Rekuperation (Energierückgewinnung) auf bis zu 415 Kilometer schaffen.
Als vorläufigen Wert gibt Opel eine kumulierte WLTP-Reichweite für den Ampera-e an, der nach dem neuen Zyklus geschätzte 380 statt der nach NEFZ angegebenen 520 Kilometer schaffen soll.
Opel Ampera E
Für den neuen vollelektrischen Hyundai Kona peilen die Koreaner eine WLTP-Reichweite von 470 Kilometer an, gemessen nach NEFZ schlagen sie rund 100 Kilometer drauf.
Hyundai Kona
WLTP für alle Neuwagen ab September 2018
Seit September 2017 müssen alle neuen Typzulassungen, ab September diesen Jahres dann alle Neuwagen nach dem WLTP-Zyklus geprüft werden. Dem WLTP-Testaufbau liegen reale Nutzungsdaten ganz normaler Autofahrer zugrunde. Das bislang verwendete NEFZ-Verfahren wurde dem Fahrverhalten auf der Strasse nicht gerecht. Dementsprechend klafften die angegebenen Verbräuche und Reichweiten und die tatsächlichen Erfahrungen der Autofahrer auseinander. Nun sind die Reichweiten zwar realitätsnäher, da der tatsächliche (Strom-) Verbrauch aber auch von der Fahrweise abhängt, dürften die Herstellerangaben trotzdem noch von der Realität abweichen.
Hohe Stickoxid-Emissionen sind aktuell das grosse Problem des Dieselmotors. VW hat sie in den USA offenbar nur mit Tricksereien in den Griff bekommen: #Dieselgate. Auch bei uns stossen Neuwagen häufig zu viel davon aus.
Seit Anfang September müssen Diesel sauber sein. Ohne spezielle Katalysatoren kommt aktuell kaum ein Neuwagen mehr aus. Doch nicht immer wirkt die Abgasreinigung wie sie sollte. In den USA könnte das dem deutschen Dieselmotor nun endgültig das Genick brechen: Die Behörden haben VW bei der Manipulation von Emissionswerten erwischt. Doch warum wird ausgerechnet beim Diesel so viel getrickst?
Das Russproblem hat der Diesel gelöst – nun steht das nächste an
Das grösste Problem machen beim Selbstzünder aktuell die Stickoxidemissionen – offenbar auch bei VW in den USA der Stein des Anstosses. Nach zehn Jahren regulatorischer Ruhe gelten aber auch in Europa seit September neue Grenzwerte. Die Euro-6-Abgasnorm limitiert den Ausstoss der gesundheitsschädlichen Gase um weitere 100 Milligramm auf nur noch 80 Milligramm pro Kilometer. In den USA dürfen sogar nur umgerechnet 31 Milligramm des NOx abgekürzten Stoffes ausgestossen werden. Das ist eine ernsthafte Hürde für den Diesel in Nordamerika. Und ein Problem für die deutschen Hersteller, die ihn dort bereits seit Jahren etablieren wollen. Aktuell mit überschaubarem, aber stabilen Erfolg. Immerhin ein knappes Prozent Marktanteil hat man sich erobert, was knapp 140’000 PW und leichte Nutzfahrzeuge ausmacht. Die grösste Energie steckt VW in die Technik – mit 56 Prozent Marktanteil bei Diesel-Pkw sind die Wolfsburger der mit Abstand stärkste Anbieter vor BMW und Audi. Doch alle Marken haben ein Problem: das Stickoxid. Die Gase können Atmungsorgane schädigen und reizen, sind an der Bildung von Ozon sowie Smog beteiligt und verstärken die Erderwärmung
Das Abgas von Diesel-PW ist in den vergangenen Jahren viel sauberer geworden – zumindest theoretisch
Beim Benziner gibt es das NOx-Problem nicht mehr, denn der Drei-Wege-Katalysator filtert die Gase wirksam aus dem verbrannten Kraftstoff-Luftgemisch. Beim Diesel funktioniert dieser Katalysator wegen des höheren Luftanteils jedoch nicht. Dazu kommt, dass Turbodieselmotoren prinzipiell wesentlich mehr NOx erzeugen als Ottomotoren, weil sie mit höheren Verbrennungstemperaturen arbeiten. Die Autohersteller setzen daher seit einigen Jahren auf neue Technologien zur Reduktion der Stickoxid-Emissionen.
VW hat bei den von dem drohenden Rückruf betroffenen Autos in den USA offenbar grösstenteils auf NOx-Speicherkats gesetzt. Eine relativ kostengünstige Massnahme, verglichen mit den Ansätzen der Konkurrenz. Konzernschwester Audi etwa bietet zum überwiegenden Teil Fahrzeuge mit den meist teureren SCR-Katalysatoren an, BMW nimmt den Königsweg und kombiniert NOx-Speicherkats mit SCR-Technik. Letztere arbeitet mit der Einspritzung von Harnstoff, dem sogenannten Ad Blue, und wird auch in Deutschland ab der Mittelklasse aufwärts nahezu unverzichtbar, will man die Grenzwerte einhalten. VW hat auf dem US-Markt im Vergleich mit den Premiumherstellern Audi und BMW natürlich die kleineren Fahrzeuge im Angebot – möglicherweise gerieten aber auch schon bei Modellen wie Jetta oder Beetle die NOx-Speicherkats an ihre Grenzen. Die US-Umweltbehörde EPA hat um bis zu 40-fach erhöhte Emissionen registriert.
Selbst hierzulande, wo die Grenzwerte deutlich laxer sind als in den USA, ist der Diesel in Verruf gekommen. Erst kürzlich hatte die Umweltorganisation ICCT eine Studie veröffentlicht, nach der zahlreiche Modelle in der Praxis um ein Vielfaches von den im Labor anfallenden NOx-Emissionen entfernt waren. Im aktuellen, bei der Zulassung neuer Fahrzeugtypen massgeblichen NEFZ-Test, schnitten die 32 überprüften Diesel-PW noch gut ab, lagen bei den NOx-Emissionen unterhalb des Grenzwerts. Im realistischeren WLTP-Test hingegen fielen 22 Modelle durch. Das neue Verfahren soll ab 2017 in Europa schrittweise eingeführt werden und den NEFZ-Test ersetzen. Die Grenzwerte für Schadstoffe ändern sich dadurch nicht, lediglich die Art und Weise wie die Emissionen ermittelt werden, ist anders – allerdings nicht fundamental.
22 Modelle fallen durch den realistisch(er)en WLTP-Test: BMW erfüllt alle Vorgaben.
Die starken Abweichungen im Test verwundern deshalb: Die PW von Volvo lagen 15-fach über dem Grenzwert, Renault-Modelle überschritten ihn neunfach und Hyundai-PW siebenfach. Modelle von Audi erzielten das Dreifache des Grenzwerts, Opel-Fahrzeuge waren kaum besser. Die Pkw von Mercedes verfehlten den Grenzwert nur knapp, BMW erreichte mit allen getesteten Modellen die Vorgaben.
Der Verdacht liege in einigen Fällen nahe, so die Studie, dass die Abgasreinigungstechnik der Fahrzeuge für den Zulassungstest optimiert worden sei. So wie nun offenbar auch bei VW in den USA. Und dass sie unter realistischeren Bedingungen die Stickoxidemissionen weit weniger senke. Der Politik ist das bekannt, ab 2017 verlangt sie auch die Abgasmessung im realen Fahrbetrieb. Die Ermittlung der sogenannten Real Driving Emissions (RDE) würde helfen, Problemdiesel auszusortieren. Möglicherweise bedeutet das aber einen weiteren Preisaufschlag bei Diesel-PW. Denn Abgasreinigung kostet nicht nur Mehrverbrauch, sondern auch richtig viel Geld. Verzichten wird man auf den Diesel aber kaum können – denn ohne die sparsamen Motoren sind die künftigen CO2-Grenzwerte kaum zu erreichen.
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