Fahrbericht Mercedes-Benz EQC (die elektrische Intelligenz)
Mercedes-Benz EQC

 

Der EQC läutet bei Mercedes-Benz eine neue Ära ein: EQ. Und sie verspricht grossartig zu werden. Eine erste Ausfahrt mit dem Elektro-SUV auf den Holmenkollen in Oslo zeigt, wie Mercedes-Benz heute die Elektromobilität von Morgen interpretiert.

Die automobile Zukunft hat in Norwegen schon längst begonnen. 50 Prozent aller verkauften Neuwagen sind dort Elektroautos. Davon wiederum sind geschätzte 99 Prozent Teslas. Gewisse Strassenecken Oslos erinnern an einen utopischen Film, in welchem Tesla die Weltherrschaft übernommen hat. Dass die Europa-Präsentation des ersten Elektro-SUVs von Mercedes-Benz in Oslo stattfindet, ist wohl auch eine klare Ansage an die Konkurrenz aus Amerika.

Mercedes-Benz EQC Oslo 2019

Ein Mercedes ist ein Mercedes

Der EQC ist in erster Linie ein Mercedes – die schlichte Perfektion aus 130 Jahren Erfahrung im Automobilbau. Der Erstgeborene der neuen EQ-Reihe („Electric Intelligence“) setzt die Messlatte nochmals höher. In allem. Und in jedem Detail. Ausser bei der Reichweite, die Mercedes-Benz beim EQC mit 471 Kilometer angibt. Da prahlen andere Hersteller deutlich mehr. Mercedes-Benz beschönigt da nichts: Die 80 kWh-Lithium-Ionen Batterie erreicht nur bei idealem Wetter und zartem Fuss am Pedal die 450 Kilometer-Schwelle.

Mercedes-Benz EQC Oslo 2019

Temperatur vs. Batterie

Realistisch sind durchschnittlich 300 Kilometer Reichweite, wenn man den Elektro-Schwaben so fährt, wie man halt so fährt. Zu berücksichtigen sind ausserdem Temperaturschwankungen, die empfindlich auf die Leistung der Batterie wirken (Diskrepanz bis zu einer Viertel-Ladung). Keine Panik: Das Navi findet sämtliche Lademöglichkeiten in der Umgebung des Fahrers. In Norwegen gibt es Ladestationen an jedem Eck – gleich mehrere Parkhaus-Stockwerke sind für E-Autos reserviert.

Mercedes-Benz EQC Oslo 2019

Mercedes-Benz EQC: Auf dem Sprung in die Zukunft

Die Testfahrt auf den Holmenkollen meint Mercedes-Benz wohl auch symbolisch. Die Biathlon-, Langlauf- und Skisprunganlage auf dem Osloer Hausberg gilt als das Mekka des nordischen Skisports. Hier wurde 1892 der erste Skisprungwettbewerb durchgeführt und war 1952 Austragungsort der Olympischen Winterspiele. Hoch über Oslo – der Welthauptstadt der Elektroautos – positioniert sich der Mercedes unter den Elektro-SUVs nicht nur metaphorisch vor der legendären Sprungschanze.

Mercedes-Benz EQC Oslo 2019

Keine Frage: Der Erstgeborene der neuen EQ-Generation wird ein Überflieger werden. Nur schon was das Design angeht. Der EQC sieht von vorne bis hinten zum Anbeissen aus und ist ein kleines Bitzeli grösser als das Schwestermodell GLC. Und weil er mit einem Starterpreis von CHF 84’900 nochmals günstiger ist als der Audi e -Tron und nur gerade CHF 2’000 teurer als der Jaguar I-Pace, hat der EQC das Zeug zum Massenfahrzeug.

Mercedes-Benz EQC Oslo 2019

Serienmässig kriegt man schon in der Basisversion eine ganze Menge Mercedes, inklusive Klimaautomatik, elektrischer Heckklappe, Navigationssystem, LED-Multibeam-Scheinwerfer mit adaptiver Lichtverteilung, Assistentenpaket mit Notbremssystem, Spurhaltehelfer, Verkehrszeichenerkennung, Traktionsbatterie und Allradantrieb (4Matic). Aber erst mit der langen Optionenliste wird daraus ein richtiger Benz: Lederausstattung, Metallic-Lackierung, 20-Zoll-Räder, Head-up-Display, Burmester-Premium-Sound und noch mehr Schnickschnack wie die beheizbare Sitzreihe hinten.

Mercedes-Benz EQC Oslo 2019

First Contact

Drinnen gibt es im Testfahrzeug Stuttgarter Wohnzimmerfeeling vom feinsten – inklusive neuer Display-Front und MBUX-System, der hauseigenen Alexa fürs Auto. Ausser den für Elektroautos typischen Features schreit nichts nach “Bessermensch” oder “Klimaretter”. Vom ersten Moment an fühlt man sich wohl im EQC – wie ein schöner Anzug, der einem nicht nur steht, sondern auch sitzt. So leicht sich das Auto anfühlt, so unkompliziert und einladend ist die erste Begegnung mit dem Elektro-SUV. Knopf drücken, losfahren. So einfach ist der Umstieg aufs Elektroauto bei Mercedes-Benz.

Mercedes-Benz EQC Oslo 2019

Alles Einstellungssache im EQC

Mercedes-Benz EQC Oslo 2019

So easy der Beginner-Modus im EQC ist, so kompliziert wird es, wenn man sich tiefer mit den fahrtechnischen Optionen beschäftigt, die einem der EQC schon serienmässig bietet. Ein Pro wird wohl erst, wer ein ganzes Wochenende im neuen EQC rumdaddelt, um jede Option optimal einzustellen. Und das lohnt sich. Denn jedes der unzähligen Features verspricht ein besseres Autoleben und grösseres Mercedes-Benz-Erlebnis. Ob von der Wahl des Innendufts bis zum automatischen Parkmodus, dem multiplen Zusammenspiel von Antrieb, Batteriemanagement, Lademanagement, Rekuperationsstrategien, digitalen Diensten und dem Infotainmentsystem MBUX: Alles lässt sich individuell einstellen. Die Welt von morgen wird also vor allem eine Welt der Optionen sein. Gut, wenn man dann weiss, was man will.

Wer bremst, gewinnt

Mercedes-Benz EQC Oslo 2019

Und wie fährt er sich? Wie ein Pfeil, der aus einem seidenweichen Bogen abgeschossen wird. Als sei er an einem unsichtbaren Faden aufgezogen, beschleunigt der EQC das 2,5 Tonnen schwere Fahrzeug in 5,1 Sekunden auf 100 km/h. Dafür sorgen zwei asynchrone Elektromotoren auf der Vorder- und Hinterachse, die zusammen 300 KW (408 PS) Leistung bringen. Und ebenso schnell beschleunigt der EQC wieder runter. Bewusst wird auf das Wort Bremsen verzichtet, weil bis zu 80 Prozent der Entschleunigung rekuperiert wird. Auch via Schaltwippen können die gewünschten Rekuperationsstufen eingestellt werden. Wer bremst, gewinnt! Lediglich auf den letzten Metern kommt das zum Zug, was man einst unter Bremsen verstand.

Der seidene Silberpfeil

Mercedes-Benz EQC Oslo 2019

Wären da nicht die Abrollgeräusche der Reifen und der norwegische Regen, würde Stille uns umgeben: Ein Säuseln nur, ein Windlein klein, man möchte gleich ein Dichter sein.

Mercedes-Benz EQC Oslo 2019

Genauso harmonisch wie das Elektro-SUV beschleunigt, zieht der EQC auch um die Ecken. Der elektrische Antriebsstrang (eATS) an Vorder- und Hinterachse verleiht dem EQC die Fahreigenschaften eines Allradantriebs. Die Asynchronität der Motoren lässt den EQC aber auch sparsam über die breiten Strassen entlang der norwegischen Fjorde segeln. Keine Frage: Wenn so die Zukunft aussieht, dann wäre das jetzt ein schönes Happy End.

Mercedes-Benz EQC Oslo 2019

Ein Fanal der Energiewende

Doch die Zukunft sieht auch anders aus. Die Schattenseiten der elektrifizierten Automobilität zeigt sich schon jetzt auf der Testfahrt rund um Oslo. Der berühmte Wasserfall in Honefoss ist ausgetrocknet – selbst bei starkem Regen ragen die zackigen, dunklen Felsen wie ein Fanal der Energiewende trocken in die Höhe. Das Wasser wird zur Stromproduktion gebraucht. Ob dem Wasserfall nur kurzzeitig das Wasser für die Energieversorgung entzogen wurde oder ob das ein neuer Dauerzustand ist, können wir aus der Ferne nicht beurteilen. Auf Bildern präsentiert sich der Wasserfall, der durch das Städtchen Honefoss fliesst, in dem einst Leo Trotzki auf der Flucht Unterschlupf gefunden hat, immer noch in voller Wasserpracht.

Mercedes-Benz EQC Oslo 2019

Auch die Schweiz wird an ihre Kapazitätsgrenzen kommen, je attraktiver die Elektromobilität wird. Aber das ist eine andere Geschichte. Was es für den EQC aber auf jeden Fall braucht, ist eine Wallbox in der Garage: An einer normalen Steckdose hat der EQC rund 40 Stunden für eine Voll-Ladung. Mit einer Wallbox braucht es dazu rund 9 Stunden und nur gerade 40 Minuten an einer Schnellladestation.

Mercedes-Benz EQC Oslo 2019

Und wer doch einmal eine längere Strecke ohne Ladepause machen will, dem bietet Mercedes-Benz Brennstofffahrzeuge zur günstigen Miete an. Das ist Umsteigen für Einsteiger.

Mercedes-Benz EQC – Technische Daten und Preis:

Fünftüriges, fünfsitziges SUV mit Allradantrieb, Länge: 4,76 Meter, Breite: 1,88 Meter, Höhe: 1,62 Meter, Radstand: 2,87 Meter, Kofferraumvolumen: ca. 500 Liter

Antrieb: 2 Asynchron-Maschinen: 300 kW/408 PS in, maximales Drehmoment: 760 Nm, 0-100 km/h: 5,1 s, Vmax: 180 km/h (abgeregelt), Durchschnittsverbrauch: 19,7 bis 20,8 kWh/100 km, CO2-Ausstoss: 0 g/km, Batteriekapazität: 80 kWh, Reichweite 445 – 471 km, Preis: ab84’900 Franken

Warum: Weil der Umstieg noch nie so gut aussah
Warum nicht: Weil die Energieversorgung noch nicht flächendeckend ist
Was sonst: Audi e-tron, Tesla Model X, Jaguar I-Pace

Wann: Ab Juni 2019