Viele Strassen bestehen nur aus Lehm

 

Bevor die neue Modellreihe eines Herstellers auf den Markt kommt, wird das Auto einer langen und kräftezehrenden Erprobung ausgesetzt. Wir begleiten eine Handvoll Porsche-Ingenieure auf der finalen Abnahmefahrt des neuen Cayenne E-Hybrid rund um Johannesburg in Südafrika.

Letzter Schliff am neuen Cayenne E-Hybrid in Südafrika

Porsche Cayenne E-Hybrid offroad

Porsche Cayenne E-Hybrid im Rahmen der finalen Erprobungsfahrt in Südafrika.

Johannesburg, Südafrika. In einer unterirdischen Hotelgarage, vor der spätsommerlichen Hitze geschützt, bereiten sich gerade sechs Porsche-Ingenieure auf den Start eines neuen Arbeitstages vor. Wir sind mit dabei, wie der künftigen Cayenne E-Hybrid von den letzten Kinderkrankheiten geheilt wird. Die Stichwörter, die man im Vorfeld nannte, lauteten „Finale Abnahmefahrt“ und „Gesamtfahrzeugerprobung“.

Die wenigen leicht getarnten Prototypen, mit denen wir in den kommenden Tagen die Umgebung von Johannesburg und Pretoria abklappern, sind erst vor kurzem per Luftfracht aus Deutschland gekommen. Ein Fremdkörper auf einem unwirklich grossen Kontinent. Nun sollen Mitarbeiter verschiedener Bereiche in der Entwicklung der Stuttgarter, noch einmal für rund zwei Wochen ein intensives Auge auf das Hybrid-SUV werfen. In unserer Gruppe geht es den Ingenieuren vor allem um Qualitätsmanagement, der Integration neuer Elektrik und Elektronik, akustische Feinheiten im Interieur und um das Zusammenspiel des grossen Ganzen.

Auf zum Test des Cayenne E-Hybrid

Nachdem Teamleiter Peter Hass die grobe Route für den heutigen Tag ganz klassisch mit einer grossen Strassenkarte auf der Motorhaube abgesteckt hat, kann es losgehen.

Ein Blick auf die Strassenkarte

Eine exakte Streckenführung gibt es bei einer solchen Erprobung meist nicht. Wie die acht- bis zehntausend Kilometer, die in den kommenden zwei Wochen (inklusive Stop-and-Go-Verkehr in der Innenstadt) zusammenkommen, ist eigentlich egal. Hauptsache, es wird gefahren. Warum man für die finale Erprobung nach Südafrika geht? Das hat verschiedene Gründe. Vor allem ist es die Vielfalt an Bedingungen, die das Team hier vorfindet. Es ist heiss und stickig, die Strassen abseits der Hauptverkehrsadern sind nicht die besten und der Kraftstoff entspricht auch nicht dem europäischen Standard. Alles kräftezehrende Voraussetzungen, um die letzten Fehler aus dem neuen Hybrid heraus zu kitzeln.

Leere Strasse, wilde Natur

Viel Verkehr herrscht in den Steppen nicht.

Fine-Tuning

Wir lassen die hohen mit Stacheldraht gekrönten Mauern unseres Hotels hinter uns und begeben uns auf eine Art Bundesstrasse, die aus Johannesburg heraus in Richtung Norden führt. Peter Hass lauscht andächtig. „Hörst du das? Das Getriebe heult noch ein bisschen unterhalb von 2’000 Touren“. Dann drückt er zum ersten Mal auf den Trigger-Knopf des kleinen Dataloggers, den jeder Cayenne auf dem Armaturenbrett trägt. Jetzt werden die Daten sämtlicher Sensoren in der grossen Messtechnik-Kiste im Kofferraum zehn Sekunden rückwirkend und fünf Sekunden in die Zukunft aufgezeichnet. Bis zu 1,5 Gigabyte an Daten kommen so zusammen. Pro Auto. Jeden Tag. Denn auch als Testfahrer bei Porsche sitzt man nicht ausschliesslich am Steuer teurer Luxusboliden und lässt sich in entlegenen Teilen der Welt die Sonne auf den Pelz brennen. Vor dem Feierabendbier wollen Daten sortiert, ausgewertet, besprochen und schliesslich nach Deutschland geschickt werden. Egal, wie schlecht die Internetverbindung irgendwo im Nirgendwo gerade ist.

Teamleiter Peter Hass mit seiner Truppe an Ingenieuren

Teamleiter Peter Hass mit seinen Ingenieuren.

Die Messkiste im Kofferraum des Prototypen.

Der neue Motor der zweiten Cayenne E-Hybrid -Generation

Nächster Stopp: Eine lehmige Waschbrettpiste vom Allerfeinsten. Mitten im Dschungel. Hier kann der neue Cayenne E-Hybrid, dessen Markteinführung im Sommer erfolgen soll, zeigen, dass die Bezeichnung „SUV“ bei Porsche nicht nur eine hohle Marketingphrase ist. Unter der Haube der zweiten Plug-in-Hybrid-Generation des Cayenne steckt ein neuer Motor, der statt auf 2,9 nun auf 3,0 Liter Hubraum setzt und bei dem ein grosser statt zweier kleiner Turbos für Ladedruck sorgt. Das Turboloch füllt ohnehin der Elektromotor. Dazu gibt es nun eine Tiptronic. Die alte Doppelkupplung wurde über Bord geworfen, um den Cayenne im Hängerbetrieb belastbarer zu machen. Dank einer neuen Hybridstrategie kommt das Plug-in-SUV nun auf eine Systemleistung von 340 kW/462 PS und schickt 700 Newtonmeter Drehmoment an alle vier Räder.

Blick in den Motorraum

Unter der Haube arbeitet ein Dreiliter-V6.

Sowohl Asphalt- als auch Geländegängig

Besonders bei unserer Offroad-Übung in den beinahe unendlichen Weiten der südafrikanischen Steppe, erweist sich der früh anliegende E-Boost als hilfreich. Bis auf 1’700 Meter über Null klettert unsere kleine Kolonne an diesem Tag. Mit der gleichen Strassenbereifung, mit der (nicht auf Schweizer) Autobahnen mehr als 250 km/h drin sein sollen. Übrigens soll der Hybrid nicht nur Performance- und Verbrauchsvorteile bieten, das Ganze geht laut der Ingenieure vor Ort auch nicht zu Lasten des Kofferraumvolumens oder der Geländegängigkeit. Vor allem Letzteres stellt der Cayenne auch beim Abstieg eindrucksvoll unter Beweis. Im Offroad-Modus und mit höher gelegter Luftfederung scheint keine Felskante zu scharf und kein Abhang zu steil für den E-Hybrid.

Der Cayenne-Konvoi in Südafrika

Der Cayenne-Konvoi in Südafrika.

Doch auch auf gewöhnlichem Asphalt macht der E-Hybrid eine brillante Figur. Das Drehmoment, das der E-Motor von unten heraus freigibt, macht das Anfahren sanft und gleichzeitig druckvoll. Gleiches gilt für eventuelle Zwischenspurts. Und von den Fähigkeiten, die der Cayenne in den Bereichen Fahrwerk oder Lenkung an den Tag legt, durfte man sich ja schon bei der Fahrvorstellung des „normalen“ Cayenne im letzten Herbst überzeugen.

Herausfordende Kontraste

Zurück auf befestigtem Terrain, rollt unsere Gruppe durch einen Vorort Pretorias, wie man ihn sonst nur aus Dokumentationen kennt. Kleine Wellblechhütten, tiefe Schlammlöcher und augenscheinliche Armut.

Nach heftigen Regenschauern waren die Strassen teilweise überflutet

Nach heftigen Regenschauern waren die Strassen teilweise überflutet.

Der Kontrast Porsche und Slum könnte kaum extremer sein. Und trotzdem sind die Einheimischen unserem Konvoi gegenüber sehr aufgeschlosen.

Der Konvoi wird freundlich begrüsst

Es wird gelacht, gestaunt oder ungläubig gestikuliert. Und trotzdem fühlt es sich nun noch komischer an, das täglich Brot mit dem Fahren von Luxusgütern zu verdienen. Eine Erfahrung, die laut eigener Aussage auch den Porsche-Testfahrern nicht fremd ist..

https://www.youtube.com/watch?v=u3bclPioykE

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