Wie man sich den ultimativen Werkzeugsatz zusammenstellt

Wie man sich den ultimativen Werkzeugsatz zusammenstellt

Wie man sich den ultimativen Werkzeugsatz zusammenstellt

 

Es ist immer eine Gratwanderung; einerseits möchte man auf seiner Tour immer das richtige Werkzeug dabeihaben, andererseits nicht zu viel oder überflüssiges Gewicht mitschleppen. Der erfahrene Overlander Jake Quiñones gibt Tipps, wie man sein Tool-Kit am besten zusammenstellt.

Jake Quiñones. Quelle: newmexicoblackrange.com

Das Feld-Toolkit enthält Werkzeuge, die dauerhaft mitgeführt werden – für den Fall einer Reparatur am Strassenrand, in abgeschiedenen Regionen und für sonstige Arbeiten am Fahrzeug. Benutze es auch, wenn du zuhause am Fahrzeug schraubst, damit du siehst, ob etwas fehlt. Es ist besser vor der Abfahrt zu erkennen, dass ein wichtiges Teil fehlt, als mitten in der Wildnis vergeblich danach zu suchen. Bewahrst du hochwertige Schlüssel und Rätschen in der Garage auf und minderwertige im Auto, dann tausche die Rollen: Das letzte, was du gebrauchen kannst, ist ein Werkzeug, das im Notfall versagt.

Werkzeug-Check vor der Reise

Nimm dir Zeit, sämtliche Schrauben, Muttern und sonstigen Befestigungen an deinem Fahrzeug (innen und aussen) zu finden oder zu ertasten und vergewissere dich, dass du für alles die passenden Werkzeuge hast: Schlüssel, Nüsse, Rätschen usw. – alle möglichen Kombinationen zuzuordnen ist jede Menge Arbeit, die richtige Aufgabe für einen ruhigen Sonntagnachmittag. Du wirst feststellen, dass du dein Toolkit um einiges ergänzen musst – insbesondere grosse Stecknüsse und Schlüssel. Hast du eine 22 mm-Nuss für eine bestimmte Mutter, dann brauchst du einen gleich grossen Schlüssel oder eine weitere Nuss (samt Rätsche) für den Bolzen. Ein Engländer sollte ausschliesslich als Notlösung dienen, da er sich unter Last öffnen und den Sechskant beschädigen kann.  

Safety First bei der Arbeit mit Werkzeug

Setze bei Arbeiten unter dem Fahrzeug grundsätzlich eine Schutzbrille auf, um deine Augen vor herabfallendem Schmutz zu schützen. Sei achtsam, wenn du mit Werkzeugen in der Nähe deines Gesichts oder unter schwierigen (aber notwendigen) Hand-/Arm-Bewegungen arbeitest; mit einem Werkzeug bei einer Kraftanstrengung abzurutschen, kann böse Folgen haben. Überlege die Arbeitsreihenfolge im Vorfeld und lege die passenden Werkzeuge bereit, auch wenn es etwas länger dauert, die 100er Verlängerung samt Gelenk aus der Tasche zu kramen. Und überprüfe die abgeschlossene Arbeit sicherheitshalber nochmals.

Drehmomentschlüssel

Quelle: upload.wikimedia.org

Die Anprobe ist auch die beste Gelegenheit zu prüfen, ob alles fest und mit dem richtigen Drehmoment angezogen ist. Ein mechanischer Drehmomentschlüssel ist ausreichend; elektronische sind für die meisten Hobbyschrauber die Investition nicht wert. Eine unzureichend angezogene Schraube erlaubt zu viel Spiel zwischen den Bauteilen und beschleunigt den Verschleiss – oder gar eine offene Verbindung. Anderseits lassen zu fest angezogene Verbindungen kein Spiel zu, was im Falle von Buchsen, Lenk- oder Fahrwerksteilen zu schlechten Fahreigenschaften führen kann. Auch abgerissene Köpfe, beschädigte Gewinde und sonstige Einschränkungen der Bauteile können die Folge sein. Sind die Anzugswerte nicht in der Bedienungsanleitung vermerkt, drucke sie dir aus und fange an, sie zu überprüfen. Danach ziehe mit einem Lackstift einen Strich über Schraube/Mutter und Kontaktfläche, damit du sofort siehst, wenn sich eine Befestigung gelockert hat. Das Drehmoment von Lenk- und Fahrwerksverbindungen sollte alle paar tausend Offroad-Kilometer überprüft werden, da sich Schrauben durch Vibrationen lockern können. Mangelt es an Platz, kannst du auf das Mitführen eines Drehmomentschlüssels verzichten – unterwegs ist es besser, eine Verbindung zu fest anzuziehen; kontrollieren kannst du zu Hause.

Das wesentliche Werkzeug für die Reise

Dein Fahrzeug zu überladen führt zu vorzeitigem Verschleiss und beeinträchtigt die Fahrleistung. Nur weil du Platz für 100 Kilo Werkzeuge hast, ist das kein Grund, sie mitzuführen. Bist du von der Vollständigkeit deiner Werkzeuge überzeugt, dann ist es an der Zeit, sie auf das Wesentliche zu reduzieren. Kommt dir ein Tool überflüssig vor, wäge die Vor- und Nachteile ab.

Selten benutzte oder unpassende Werkzeuge gehören in die heimische Werkbank. Während du dein Werkzeug in den Wochen vor der Abfahrt prüfst und abwägst, entscheide: Werkstatt oder Feldausrüstung? Eigentlich solltest du dir diese Frage bei allem stellen: Kleidung, Küche, Elektronik, Bergungsmaterial usw. Für die wichtigsten Gegenstände benötigst du auch ein Backup. Zum Beispiel sollten deine normalen Wasservorräte durch ein Filtersystem und Tanks ergänzt werden. Weniger genutzte Ausrüstung sollte vielseitig sein: Kann der Hi-Lift-Handle zum Beispiel auch als Brecheisen verwendet werden?

Ist die Feldausrüstung optimal zusammengestellt, verstaue sie so, dass sie so wenig Platz wie möglich einnimmt. Stoff- und Rolltaschen halten alles geräuscharm zusammen – persönlich bevorzuge ich eine robuste Tasche aus gewachstem Segeltuch.

Fahrzeuge – alt und neu, serienmässig oder umgebaut – haben eines gemein: Sie sind alle reparaturanfällig. Und die Zeit, die du im Vorfeld in deine Feldausrüstung investierst, wird dir helfen, Schäden weit weg von zu Hause auf einem Minimum halten.

TIPP

Ziehe mit einem Lackstift einen Strich über Schraube/Mutter und Kontaktfläche, damit du schnell kontrollieren kannst, ob eine Befestigung sich gelockert hat.

Der Acheuléen-Faustkeil – Vater der modernen Axt

Der Acheuléen-Faustkeil – Vater der modernen Axt

Der Acheuléen-Faustkeil – Vater der modernen Axt

 

Ein Team vom Overland Journal findet ein antikes Werkzeug, eine steinerne Axt, rund 750‘000 Jahre alt.

Vor 750‘000 Jahren lebte in Ostafrika, im Grossen Afrikanischen Grabenbruch am westlichen Rand des Turkana-Sees, eine Gruppe früher Menschen, Homo erectus (lat. für aufgerichteter Mensch), direkt unter einem steilen vulkanischen Felsvorsprung, der aus dem Turkana-Becken emporragte. In Sichtweite gab es Wasser und Herden zogen vorbei. Spitzenprädatoren, die am Ende der Nahrungskette stehen, machten Jagd auf diese Vierbeiner – und auf die frühen Menschen.

Der Jäger und die Axt

Das temporäre Lager dieser Menschen befand sich bergauf und windabgewandt vor einem besonders geschäftigen Wasserloch. Das Werkzeug der Wahl war, wie bei fast allen frühen Menschen, ein Steinwerkzeug, das Archäologen den Acheuléen-Faustkeil nennen. Diese Stein-Artefakte – nach ihrem ersten Fundort, Saint-Acheul in Frankreich, benannt – finden sich auf mehreren Kontinenten über einen grossen Zeitraum hinweg. Von vor 1,7 Millionen Jahren bis vor etwa 200‘000 Jahren war es das vorherrschende Werkzeug. Unsere Gruppe hatte die Herstellung sicherlich durch Beobachten und Nachahmen von anderen Hominiden gelernt. Zerkleinern, spalten, schaben, graben, durchstechen und schneiden – der Acheuléen-Faustkeil konnte alles. Man könnte sagen, er war das Schweizer Armeemesser des frühen Menschen.

Da kauerte unsere Gruppe nun und beobachtete das Wasserloch; ein Jäger entfernte sich. Er hatte Basalt gesehen, ein glattes, schnell auskühlendes Vulkangestein. Dessen feinkörnige Struktur macht es beim Behauen berechenbar. Flink schlug er mit einem gefundenen Kieselstein Splitter von beiden Seiten ab. Geschickt formte er den Quellstein, mit einer Reihe von Schlägen schärfte er die Aussenkanten. Das Werkzeug nahm schnell die bekannte Form einer spitzen Träne an. Mit dieser frisch angefertigten Steinaxt kehrte er zur Gruppe zurück. Unten am Wasserloch erlegte gerade eine grosse Raubkatze einen jungen Wiederkäuer. Die Katze frass und zog sich dann ins hohe Gras zurück. Der Jäger rannte als Erster zum Kadaver hinunter. Sein Ziel war das Fleisch, das die Katze übriggelassen hatte. Leider trübte der Hunger seine Sinne; der Angriff von hinten erfolgte schnell. Er wurde zu Boden geworfen, scharfe Eckzähne schlugen zu und zerquetschten seinen Schädel. Der Rest der Gruppe floh – sie versuchten nicht einmal, seinen Faustkeil zu bergen. Es gab keinen Grund dafür, dieses Risiko einzugehen; jeder erfahrene Jäger konnte ein ähnliches Werkzeug herstellen.

Modernes trifft antikes Werkzeug

750‘000 Jahre später kommen fünf moderne Menschen, Nachfahren des Homo erectus, an besagter Stelle vorbei. Scott Brady von Overland Journal, ich selbst und der Rest unseres Teams sind müde nach einem unerlaubten Grenzübertritt aus Uganda, der uns direkt zu einer bewaffneten Miliz in Kenia geführt hatte. Mit drei Mercedes-Geländewagen fahren wir etwa einen Kilometer weit von der A1 (in diesem Abschnitt eine unbefestigte Strasse) in den Busch ab, zum Übernachten und für notwendige Reparaturen.

Man kennt das Turkana-Becken möglicherweise noch aus dem Geschichtsunterricht oder einem der zahlreichen Beiträge in National Geographic über frühe Menschen und Evolution. Forscher bezeichnen diese Region auch als die Wiege der menschlichen Zivilisation, weil die frühen Menschen hier den Gebrauch von Steinwerkzeugen und Feuer erlernten, bevor sie sich über die Erde ausbreiteten. Tektonik, Klima, Wind, Regen, Vulkanismus, Weidevieh, Menschen, Kriege, Kolonialismus und weitere Faktoren haben diese Landschaft über viele hunderttausend Jahre geprägt. Aber es finden sich bisweilen immer noch Zeugnisse des frühen Menschen.

Während die Motoren abkühlen, öffnet ein Crew-Mitglied Kaltgetränke mit dem Multi-Tool. Im Schatten des erodierten vulkanischen Felsvorsprungs kappt ein anderer mit dem Taschenmesser einen Kabelbinder, während ein dritter mit einem Schraubendreher die Schelle am Kühlerschlauch anzieht; Snacks schneiden wir mit einem Kochmesser. Und da ist er, wartete Jahrtausende darauf, gefunden zu werden. Ich entdecke ihn direkt neben dem Vorderreifen eines unserer Trucks – den Acheuléen-Faustkeil. Treuer Helfer über die Zeit hinweg, wie der Monolith in Stanley Kubricks „2001: A Space Odyssey“.

Nachwort: Original Classic Kit

Gute Ausrüstung war schon immer wichtig, und auch vor 750‘000 Jahren galt “Form follows Function”. Wen man damals ein Werkzeug auf der Jagd benutzte, dann war es der Acheuléen-Faustkeil. Auf Overland- und Expeditionsreisen gehört immer ein Messer und ein einfaches Multi-Tool zur Ausrüstung – manche bezeichnen es heute als “Every Day Carry”.

Der Grund, warum diese so unverzichtbar sind, findet sich in universellen Aufgaben: Schneiden, Graben, Schaben, Zerkleinern, Stampfen, Durchstechen und Spalten. Und diese Aufgaben sind es, die den modernen Menschen mit seinen frühen Verwandten, den Hominiden und den nachfolgenden Generationen, verbindet.

Über den Einsatz-Zweck des Acheuléen-Faustkeils können wir heute nur spekulieren; wurde er als Speerspitze benutzt? War die charakteristische Tropfenform das Ergebnis einer inhärenten Humangenetik oder eines erlernten Verhaltens? Hatte dieses Werkzeug eine tiefere psychologische Bedeutung? Alles gute Ansatzpunkte für tolle Lagerfeuergespräche oder Diplomarbeiten.

Eines ist sicher. Die Menschen nutzten über lange Zeit hinweg weltweit kein anderes Werkzeug. Nichts ist vergleichbar. Der steinerne Faustkeil ist das erste originale und ultimative Werkzeug, von dem alle modernen Messer, Äxte und Multiwerkzeuge abstammen. Möge dieser Gedanke dich begleiten, wenn du das nächste Mal dein Lieblings-Taschenmesser oder -Beil in Händen hältst.

NIMM NUR DIE ERINNERUNG MIT

Die Archäologie (die wissenschaftliche Erforschung von Überresten prähistorischer und historischer menschlicher Kulturen) wird oft mit der Paläontologie verwechselt (die wissenschaftliche Erforschung vergangener Lebensformen, oft über Fossilien, die früheren geologischen Perioden zugeschrieben werden). Die Grenzen zwischen den Disziplinen verschwimmen, besonders an frühmenschlichen Stätten, wo ausgestorbene Arten, Fossilien und prähistorische menschliche Kulturen aufeinandertreffen. Fachleute dieser Disziplinen und andere, wie Geologen und Paläoanthropologen, forschen oft gemeinsam.

Internationale Verträge schützen unser gemeinsames kulturelles Erbe weltweit und ahnden Aktivitäten wie den illegalen grenzüberschreitenden Handel mit Antiquitäten und den Kauf gestohlener Artefakte. Fast jedes Land hat Gesetze zum Schutz der archäologischen, kulturellen, paläontologischen und historischen Ressourcen innerhalb seiner Grenzen. Verstösse führen zu Strafen, einschliesslich Geld- und/oder Freiheitsstrafen.

Für leidenschaftliche, gesetzestreue Schatzsucher gilt dieser Rat: Wenn du keine legitime Genehmigung zur Durchführung wissenschaftlicher Forschung hast, dann lass alle Materialien genau dort, wo du sie findest. Nimm nur Erinnerungen und Fotos mit. Es gibt zahlreiche Freiwilligenprogramme für Archäologie oder Paläontologie, in denen man von Profis lernen und mit ihnen zusammenarbeiten kann. Einige Stätten befinden sich an exotischen oder abgelegenen Orten, andere vielleicht auf dem Marktplatz um die Ecke.