Die Brüder Stephan und Michael Bischof hätten sich auch für einen gemütlichen Strandurlaub entscheiden können. Das wollten sie aber nicht. Stattdessen haben sie sich für die «Tajik Rally», die Mutter aller Abenteuer entschieden. Sie führt 10’000 Kilometer von München nach Duschanbe, die Hauptstadt von Tadschikistan.
Ein Reisbericht von Michael und Stephan Bischof
Bei der «Tajik Rally» gibt es keinen Sieger. Gewonnen haben alle, die ihr Fahrzeug innerhalb eines Zeitfensters von zwei bis vier Wochen intakt in Duschanbe abliefern. Der Weg ist das Ziel. Es gibt keine vorgeschriebene Route, keine Checkpoints und auch keine Begleitfahrzeuge. Bleibt man auf der Strecke liegen, ist jedes Team auf sich allein gestellt. Und das ist nicht mal so abwegig. Denn es gibt Schotterpisten und Flüsse ohne Brücken zu überwinden sowie Wüsten zu durchqueren.
Bei der Tajik Rally steht die Wohltätigkeit im Zentrum. Jedes Starter-Team muss mindestens 750 Euro für den guten Zweck sammeln. Zudem wird das Fahrzeug vor Ort in Duschanbe versteigert. Das Land gilt als einer der ärmsten der ehemaligen Sowjetunion. Über ein Drittel der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. In Tadschikistan fehlt es an vielen für uns selbstverständlichen Dingen wie Wasser oder Medikamenten. Jeder Euro kommt den Projekten der Caritas in Tadschikistan zugute.
Mit der Tajik Rally haben wir einen Weg gefunden, unsere Abenteuerlust mit einem guten Zweck zu verbinden. Leidenschaft, Begeisterung und Hilfsbereitschaft liegen nicht weit voneinander entfernt, in diesem Fall 10’000 km!
Die Vorbereitung
Bevor es losgeht, investieren mein Bruder Stephan und ich (Michael) beinahe jede freie Minute in die Vorbereitung. Die grössten Herausforderungen besteht darin ein geeignetes Fahrzeug zu finden und die zahlreichen Visa zu beantragen. Der Zoll in Tadschikistan nimmt es sehr genau. Für viele Automarken wie Chrysler, Daihatsu, Fiat, Ford, Renault, Ford, Skoda, Suzuki u. a. existiert ein striktes Einfuhrverbot. Zudem muss unser Fahrzeug ein Benziner sein und das Datum der Erstzulassung nicht vor 2006 liegen. Unsere Wahl: ein weisser VW Caddy 1.6l Benziner, Baujahr 2008 mit 140’000 km.
In unzähligen Stunden wird der VW Caddy schliesslich rallyetauglich gemacht. Wir sägen, bohren, streichen, montieren und verkabeln. Auf dem Dachträger von MTS, der uns die Bott Schweiz AG und Schneider Fahrzeugseinrichtungs GmbH grosszügig zur Verfügung stellt, werden LED-Scheinwerfer angebracht. Die Industriegarage AG in Winterthur montiert einen zusätzlichen Unterbodenschutz, den wir auf der Strecke dringend brauchen. Für die Ladenfläche fertigen wir aus Holz eine Bettkonstruktion, die sich mit einigen Handgriffen rasch in eine Sitzbank umfunktionieren lässt.
Am meisten Bauchschmerzen bereiten uns das Beantragen der diversen Visa. Wir entscheiden uns für die Südroute durch die Türkei, Georgien, Aserbaidschan, den Iran, Turkmenistan, Usbekistan und Kirgisistan nach Tadschikistan. Die Einreise-Dokumente reichen von unzähligen Antragsseiten über eine vom Aussenministerium genehmigte Einladung bis hin zu den eigenen Fingerabdrücken.
Am Schluss wird es noch eine richtig knappe Angelegenheit mit den Visa für Turkmenistan. Nur ein paar Tage vor unserer Abreise erhalten wir die Einreise-Bestätigung vom Amt für auswärtige Angelegenheiten aus Turkmenistan.
Der Startschuss ist gefallen
2. September, 2018: Die «Tajik Rally» wird offiziell gestartet. Insgesamt wagen sich 40 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit 18 Rallye-Autos an die Mutter aller Abenteuer. Von München geht es zuerst über Österreich und Ungarn nach Rumänien.
In Viseu de Sus, im Norden Rumäniens an der ukrainischen Grenze, treffen sich nochmals alle Rallyeteilnehmer zur gemeinsamen Checkpoint-Party. Danach trennen sich unsere Wege. Die meisten Teams schlagen nicht wie wir die Süd-, sondern die Nordroute durch die Ukraine, Russland und Kasachstan nach Tadschikistan ein.
Transfogarascher Hochstrasse – die spektakulärste Panoramastrasse Rumäniens
In Rumänien erwartet uns bereits das erste Rallye-Spektakel – die Transfogarascher Hochstrasse. Berühmt wurde die atemberaubende Strasse, weil der ehemalige «Top-Gear»-Moderator Jeremy Clarkson sie als schönste Strasse der Welt bezeichnete. Jetzt wissen wir auch warum: In unzähligen Spitzkehren und Haarnadelkurven windet sich die Strasse auf den Bâlea-Pass. Auf der Passhöhe in 2042 Meter Höhe werden wir mit einem traumhaften Ausblick belohnt.
Die Tücken mit der türkischen Maut
Von Rumänien aus geht es dann über Bulgarien in die Türkei. Dort wird für die gebührenpflichtigen Autobahnen eine sogenannte HGS-Vignette benötigt. Diese Vignette enthält einen elektronischen Chip, den man vorher mit einem Betrag seiner Wahl auflädt. Doch wo kaufen? Auf der Post. Wären da nur nicht die sprachlichen Barrieren! Trotzdem schaffen wir es irgendwie eine HGS-Vignette zu bekommen.
Der Küste entlang nach Georgien
Von der Küste des Schwarzen Meeres geht es nach Georgien. Als wir uns beim Eindunkeln dem türkisch-georgischen Grenzposten Sarp/Batumi nähern, fahren wir an einer endlos langen Lkw-Kolonne vorbei. Die Blechlawine vor dem Gotthardtunnel ist im Vergleich dazu ein Kindergeburtstag. Wir befürchten für unseren Grenzübertritt Schlimmes.
Am Grenzposten bestätigen sich leider unsere Vorahnungen. Nur schon bis zur ersten Schranke vergehen über eine Stunde. Und das ist erst der Anfang: Beim Grenzübergang muss sich der Beifahrer alleine zur Passkontrolle begeben. Der Fahrer hat im Fahrzeug zu warten. In der Annahme, dass alles nach fünf Minuten erledigt ist, packt Stephan sein Handy nicht ein. Ein Fehler, denn der Beifahrer darf nicht mehr zum Fahrzeug zurück sondern muss einen ungefähr 200 Meter langen Durchgang aus Wellblech durchlaufen, der ihn genau zwischen den türkischen und georgischen Grenzposten führt. Und so werden aus den ursprünglichen fünf Minuten 105 Minuten bis Michael mit dem Fahrzeug die letzte Schranke auf der türkischen Seite passiert. Das gleiche Prozedere wiederholt sich dann nochmals auf der georgischen Seite. Der Grenzübertritt hatte uns alles in allem über drei Stunden gekostet.
Wir machen uns auf den Weg in die Hauptstadt Georgiens nach Tbilissi. Auf den Autobahnen geht es zu wie im wilden Westen. Es wird gedrängelt, gehupt und auch mal auf dem Pannenstreifen überholt. Drei Fahrzeuge auf zwei Fahrspuren sind nichts Aussergewöhnliches. Auf den Landstrassen zeigt sich dagegen ein völlig anderes Bild. Hier läuft alles ein wenig gemächlicher. Auch wenn nicht immer ganz freiwillig: Denn Kühe gehören in Georgien einfach zum Strassenverkehr. Ganz gelassen überqueren sie die Strasse und bringen den Verkehr dadurch immer wieder zum Erliegen.
Vertrauen zahlt sich aus
Die Einreiseprozedur an der georgischen-aserbaidschanischen Grenze ähnelt der türkisch-georgischen Grenze. Schon ein paar Meter nach der aserbaidschanischen Grenze stehen Einheimische am Strassenrand, die uns anbieten Geld zu wechseln. Wir verzichten darauf – ein Fehler.
Während unserer Fahrt durch Aserbaidschan gehen uns nämlich die Getränke aus. Zu unserem Unbehagen nimmt der Tankwart aber keine US-Dollar, sondern nur die einheimische Währung. Ein Einheimischer bietet uns glücklicherweise an Geld zu wechseln. Und er hat uns nicht über den Tisch gezogen!
Über Stock und Stein
Der iranische Grenzposten in Astara liegt noch ungefähr 200 Kilometer entfernt, als auf einmal aus der Strasse eine Kraterlandschaft wird. An ein schnelles Vorwärtskommen ist nicht mehr zu denken. Es rüttelt und schüttelt nicht nur wie auf einer Chilbibahn. Für unseren Unterbodenschutz sind wir in diesem Moment äusserst dankbar, auch für den professionellen Dachaufbau. Ansonsten hätte unsere Reise wohl hier geendet. Erst nach einer Stunde beginnt wieder der asphaltierte Strassenteppich.
Foxtrail an der iranischen Grenze
Es ist 1.30 Uhr – vor uns der iranische Grenzposten in Astara. Wir haben schon beinahe alle Formalitäten erledigt, da stellten die Grenzbeamten fest, dass die Stempel für das Carne de Passage fehlen. Das Carne de Passage ist eine Bestätigung, dass wir unser in den Iran eingeführtes Fahrzeug auch wieder ausführen. Ansonsten wird es sehr kostspielig. Doch der Schalter für diesen Stempel öffnet erst um 8 Uhr, also in 6 Stunden. Wie bitte? Leider Tatsache! Ein Zollbeamter ist so freundlich und bietet uns an, dass wir das Auto auf dem Parkplatz des Grenzpostens abstellen und in der Moschee schlafen können. Aus Dankbarkeit verteilen wir Schokolade an die beiden anwesenden Zollbeamten.
Teheran by night
Der Stempel für das Carne de Passage ist keine grosse Sachen. Und so geht es in Richtung Teheran. Dort angekommen, erstrahlt die ganze Stadt im warmen Licht des Sonnenuntergangs. Wir entscheiden uns aufgrund von Empfehlungen im Internet, die bevorstehende Nacht in einem öffentlichen Park im Westen Teherans zu verbringen. Der Park erstreckte sich über mehrere Quadratkilometer – der Ausblick auf den künstlich angelegten See und die Skyline ist einfach atemberaubend.
Mitten in der Nacht werden wir unsanft aus unseren Träumen gerissen. Da leuchtet doch tatsächlich jemand mit seiner Taschenlampe in unseren Bus. Wir öffnen die Schiebetüre und erkennen anhand ihrer Uniform zwei Personen als Park Ranger. Auf Farsi reden sie leicht hysterisch auf uns ein. Es stellt sich raus, dass es hier nachts zu gefährlich ist. Wir ziehen weiter zum Parkplatz des Khomeini-Mausoleums. Weil es im Iran üblich ist, dass Parkplätze oder Parkanlagen in der Nacht zu Campingplätzen umfunktioniert werden, treffen wir mitten in der Nacht auf einen rappelvollen Parkplatz. Im Iran heisst Camping kurz gesagt: Teppich ausbreiten, Faltzelt auswerfen und es sich mit Kissen und Decken gemütlich machen. Fertig. So einfach geht es.
In der Einfachheit liegt die Kunst
Wir verlassen die beeindruckende Grossstadt Teheran in Richtung Amol. Unsere Route schlängelt sich über traumhafte Hügel und Berge. Auf der Passhöhe auf 2700 M.ü.M. offenbart sich ein grossartiges Panorama auf die sehr trockene und steinige Berglandschaft.
Freude ist die schönste Form der Dankbarkeit
Auch die folgende Nacht verbringen wir wieder in einem öffentlichen Park, Zelt an Zelt unter Einheimischen – in der imposanten und wunderschönen Parkanlage Besh Qardash, die sich einige Kilometer ausserhalb von Bodschnurd befindet. Bei unserer Ankunft ist der Park bereits gut besucht. Während einige Einheimische gemütlich picknicken, kühlen sich andere im grossen Aussenpool ein wenig von den sommerlichen Temperaturen ab. Am Abend lernen wir ein paar Jugendliche und deren Eltern kennen, die uns zum leckeren Melonenessen einladen.
Ein kurzer unfreiwilliger Zwischenhalt vor der turkmenischen Grenze
Auf dem Weg zur turkmenischen Grenze wird unsere Fahrt jäh gestoppt. Ein Polizist fordert uns auf anzuhalten. Da der Polizist gerade kein Papier zu Hand hat, kritzelt er mit seinem Kugelschreiber die Zahl 120 auf die Rückseite seiner Radarpistole. Erlaubt wären 110 km/h. Die Sache erscheint uns ein wenig suspekt. Wir spielen die Ahnungslosen. Mit Erfolg! Nach einer Minute hat der Polizist das Interesse an uns verloren und lässt uns weiterziehen.
Liebesgrüsse aus Turkmenistan
Der Grenzübertritt nach Turkmenistan gleicht einem Agententhriller. Vom Hauptgebäude her springen plötzlich immer mehr Soldaten über das Grenzpostengelände in unsere Richtung. Doch dann passiert einfach nichts. Informationen können wir den Grenzsoldaten leider nicht entlocken.
Nach geschlagenen 2 ½ Stunden fordert uns endlich der Mann mit dem goldenen Colt auf, ihm zu folgen. Das Schnellverfahren hat seinen stolzen Preis. Für unterschiedliche Gebühren müssen wir eine Menge an US Dollar auf den Tisch legen.
Die erste Panne
Tief in der turkmenischen Wüste nahe der Ortschaft Derweze, dem Tor zur Hölle, durchqueren wir die prunkvolle Hauptstadt Aschgabat. Wir fahren durch grosszügige Boulevards, die gesäumt sind von weissen Strassenlaternen, vorbei an weissen imposanten Marmorbauten mit goldenen Kuppeln. Die Strassen und der Gehweg sind blitzblank geputzt. An jeder Strassenecke lächelt der grosse Präsident von Plakaten herab. Dieser sorgt auch dafür, dass die Bevölkerung ausschliesslich Autos seiner Lieblingsfarbe weiss durch die Gegend fahren. Da hatten wir mit unserem VW Caddy ja nochmals Glück.
Was danach folgt: Einöde. Eine endlose, sandige Weite und einzelne Dromedare sind alles, was es zu sehen gab. Doch dann: Die Zündung unseres Fahrzeuges streikt! Glücklicherweise haben wir für diesen Notfall ein Starthilfe-Booster mitgenommen.
Das Tor zur Hölle
Seit 1971 lodern die Flammen im Krater von Derweze und erleuchten nachts den Himmel über der Wüste Karakum. Doch es ist ein unfreiwilliges Naturspektakel, entstanden nach einem Gasbohr-Unfall. Um den Schaden des giftigen Methan-Ausstosses in Grenzen zu halten, wurde beschlossen, diesen einfach anzuzünden. Eigentlich hätte das Feuer nach wenigen Tagen wieder ausgehen sollen. Stattdessen wurde ein ewiges Feuer entfacht, das auch nach 47 Jahren noch richtig lodert!
Ein Unglück kommt selten allein
Leider ist die Batterie unseres VW Caddy mausetot. Dank der Hilfe des anderen Rallyeteams wird die Batterie wiederbelebt. Kaum 100 Meter gefahren, bahnt sich aber schon das nächste Unheil an: Wir stecken im Sand fest. Nichts geht mehr, weder vorwärts noch rückwärts. Wir versuchen die Räder vom Sand zu befreien. Erfolgslos. Erst dank Einheimischen mit ihrem Lkw und einem Abschleppseil können wir uns aus unserer misslichen Situation befreien.
Die Fahrt zur usbekischen Grenze ist schlicht eine Katastrophe, gespickt mit tiefen Schlaglöchern, meterlangen Spurrillen und Schotter, der uns nur so um die Ohren fliegen. Die Warnlampen flackern immer wieder auf. Die Klimaanlage hat inzwischen den Geist ganz aufgegeben. Der Schweiss tropft von der Stirn und das ohne jegliche sportliche Betätigung.
Kein Geld mehr
Am usbekischen Grenzposten stehen wir vor verschlossenen Toren; die Grenzsoldaten haben gerade Mittagspause. Während wir in Turkmenistan noch vom Arzt verschont wurden, machen wir nun an der usbekischen Grenze mit dem Mann im weissen Kittel und seiner Fiebermesspistole Bekanntschaft. Der Arztcheck geht fix. Wir müssen nicht einmal den Motor abstellen.
Danach müssen wir unbedingt eine Autogarage aufsuchen. Eine neue Autobatterie muss dringend her. Zum Glück finden wir gleich in der ersten Garage eine Autobatterie, die wir mit US Dollar bezahlen können.
Als nächstes sollten wir Geld tauschen, was grundsätzlich nicht problematisch ist. Doch kein Geldautomat will Usbekische Soʻm ausspucken, weder unsere Maestro- noch Kreditkarten werden akzeptiert. Das Wochenende steht vor der Tür und wir haben keinen einzigen Usbekischen So’m in der Tasche.
Im Eilzugtempo durch die Seidenstrasse
Die nächsten beiden Tage geht es über die historische Seidenstrasse nach Osch. An den Strassenrändern herrscht immer geschäftiges Treiben: von Benzin in Pet-Flaschen, frisch gefangenen Fischen über Honig- und Wassermelonen. Und sie schmecken grossartig!
Es dunkelt bereits als wir in Osch einfahren. Osch ist die zweitgrösste Stadt in Kirgisistan. Der Überlieferung zufolge soll sie bereits schon über 3000 Jahre alt. Von der langen Geschichte ist leider nicht viel übrig geblieben.
Pamir, wir kommen
Das absolute Highlight rückt immer näher: der Pamir Highway, der die kirgisische Stadt Osch über eine Entfernung von 1250 Kilometer mit der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe, unserem Ziel, verbindet.
Der Pamir Highway ist die zweithöchste internationale Fernstrasse der Welt. Vom 963 Meter hoch gelegenen Osch geht es in Serpentinen auf den 3615 Meter hohen Taldyk-Pass. Die Höhenkrankheit lässt grüssen.
Vom Taldyk-Pass geht es durch das kirgisische 1500-Seelen-Örtchen Sarytasch. Wenig später ist es vorbei mit der Zivilisation. Wir durchqueren einsam die endlosen Weiten des Alai-Tals. Im Hintergrund türmt sich die imposante Transalai-Bergkette. Uns verschlägt es die Sprache!
Nur die Strassenbedingungen hätten besser sein können. Aber das sollte erst der Anfang sein, wie sich noch herausstellen wird. Meter um Meter geht es über Schotterpisten durch kleine Flussbetten und Schlammpfützen. Mit Highway hat das überhaupt nichts zu tun.
Die eigentliche Rallye beginnt erst jetzt
Auf einer Höhe von 4259 Meter nähern wir uns dem Kyzyl-Art-Pass und somit dem tadschikischen Grenzposten. Dann wird es plötzlich bitterkalt. Zum Glück können wir die Grenze problemlos passieren. Die Sichtweite beschränkt sich trotz eingeschaltetem Fahrzeugscheinwerfer auf ein paar wenige Meter. Wir stellen deshalb unsere auf dem Dachträger montierten LED-Scheinwerfer ein und schleichen vorsichtig den steilen Hang hinab, bis zur Hochebene mit dem Karakul-See. Wir verlassen die Strasse und fahren einige Meter ins Nichts hinaus. Hier wollen wir die Nacht verbringen, obwohl wir keine Ahnung hatten, wo wir genau gelandet sind.
Eine Nacht auf über 4000 Meter über Meer
Am morgen brummt der Schädel, die Finger sind taub. Was für eine Nacht! Wir haben kaum ein Auge zugebracht. Bei gefühlten minus 10 Grad auf 4000 Meter über Meer zu übernachten, ist definitiv kein Zuckerschlecken. Dafür begrüsst uns der Tag mit einem atemberaubenden Panorama. Eine gigantische Bergkulisse; wir und sonst nichts.
Auf dem Dach der Welt
Mit dem Kyzyl-Art-Pass haben wir das Dach der Welt erreicht. Die Einheimischen verwenden hierfür den Ausdruck «Bam-i-Duniah». Auf den nächsten 75 Kilometern bewegen wir uns immer auf mindestens 4000 Meter über Meer.
Das Atmen fällt schwer, doch die abwechslungsreichen und aussergewöhnlichen Landschaftsbilder entschädigen uns dafür. Zur Rechten und Linken erheben sich gewaltige Bergmassive, an deren Flanken Schnee klebt. Dann geht es nur noch in eine Richtung: aufwärts. Meter um Meter kriechen wir auf den 4655 Meter hohen Ak-Baital Pass – den höchsten Punkt unserer ganzen Reise.
Vom höchsten Punkt geht es steil hinunter auf das 3618 Meter hoch gelegene Dorf Murgab, wo wir noch vor Einbruch der Dunkelheit unseren Schlafplatz für die Nacht aufsuchen.
Geschüttelt und gerührt
Heute liegen «nur» 470 Kilometer vor uns. Dass es jedoch keine gemütliche Spazierfahrt wird, stellen wir fest, als wir einen Blick in unseren «Pamir Travel Guide» werfen. Die prognostizierte Fahrzeit beträgt 9 ½ Stunden. Erst geht es auf einer Schotterpiste 340 Kilometer dem Quellfluss Pjandsch entlang, der die Grenze zwischen Tadschikistan und Afghanistan markiert. Das ewige Gerüttel ist nervenaufreibend.
Dem Ziel entgegen
Endspurt ist angesagt. Doch mit Tachonadel nach oben jagen hat dies wenig zu tun. Nach Duschanbe sind es nur noch 230 Kilometer. Ein Klacks, wenn man bedenkt, dass wir zu diesem Zeitpunkt bereits über 10 500 Kilometer hinter uns haben. Wir passieren den letzten Checkpoint, geniessen den traumhaften Ausblick auf das Nurek Reservoir, bevor vor unseren Augen plötzlich das Ortsschild von Duschanbe auftaucht.
Wir haben es geschafft
Duschanbe ist nicht nur die Hauptstadt Tadschikistans, sondern mit etwa 800’000 Einwohnern auch die grösste Stadt des Landes. Es ist kurz vor 14 Uhr als wir in die Zielgerade einbiegen.
Wir können es kaum glauben: Wir haben es wirklich geschafft! Nach einer Strecke von 10’800 Kilometern, die uns durch 14 Länder und 7 Zeitzonen geführt haben, sind wir nun an unserem Endziel in Duschanbe angekommen. Das war kein Urlaub, sondern das grösste Abenteuer unseres Lebens!
Zum Abschluss unserer Reise besuchten wir als Highlight noch verschiedene Hilfsprojekte der Caritas international. Der Spendenerlös aller Rallye-Teilnehmer betrug stolze 27 000 Euro. Dazu kommen noch die Verkaufserlöse aus den Fahrzeugen.