75 Jahre Unimog: Haudegen fürs Extreme
Rund 80 Unimog-Besitzer trafen sich zu Ehren seines 75. Geburtstags mit ihren höchst unterschiedlich umgerüsteten Fahrzeugen zum neunten Weltenbummler-Treffen auf dem Gelände rund ums Unimog Museum. Dass es nicht deutlich mehr waren, liegt an weiterhin strengen Corona Auflagen.
Die Vielzahl an Typen und Baureihen des langlebigen und multifunktionalen Universalmotorgeräts, wie die Fähigkeiten des Fahrzeugs einst von seinen geistigen Vätern beschrieben wurden, ist schier unermesslich, die Beliebtheit des Veterans nicht zuletzt deshalb ungebrochen. Aus Universalmotorgerät für die Landwirtschaft (April 1946) wurde im November 1946 der offizielle Name Unimog, Mog der Kosename.
„Der Unimog fängt da an, wo alle anderen aufhören. Er kommt dahin, wo kein anderer hinkommt“, charakterisiert der langjährige Unimog Werkstattleiter in Gaggenau, Karl Leib, die Fähigkeiten des besten Geländewagens der Welt. Das weiss niemand besser als Daniel Müller, sein Nachfolger im Unimog-Museum. Er war Teil einer Expedition, die mit zwei Unimog im Spätherbst 2019 aufbrach, um den Vulkanberg Ojos del Salado in Chile zu erklimmen.
80 Prozent Steigungen aus Sand und Eis, gespickt mit losen spitzen Felsen und heftigem Wind gehörten für die zwei Unimog genauso ins Programm wie Eiseskälte und extrem dünne Luft für die Mannschaft, die ohne Sauerstoffversorgung unterwegs war. Nach sechs Wochen mit ihren Unimog unter Extrembedingungen war es gelungen, den Vulkanberg beinahe bis zum Gipfel (6.893 Meter) zu erklimmen. Nur knapp zweihundert Meter fehlten, für einen neuen Höhenweltrekorde für Trucks und Fahrzeuge überhaupt reichte es allemal, gepaart mit vielen neuen Erkenntnissen im Umgang mit den Fahrzeugen.
Theo Kottler (63) und seine Frau Deborah aus Gaggenau waren seit ihrer Studentenzeit als Rucksackreisende mit öffentlichen Verkehrsmitteln in aller Welt unterwegs. Doch dann packte auch Kottler, von Beruf Ingenieur, das Unimogfieber. Es war ein Tag der offenen Tür im Werk Wörth im Jahr 2006. Noch im gleichen Jahr gelang es ihm, einen Unimog 1300 L, Baujahr 1979, zu ergattern. Das ausrangierte Feuerwehrfahrzeug liess er von der Firma Atlas 4×4, einem Unimog Spezialisten aus Kuppenheim, expeditionsreif umbauen. Jetzt hat der Mog einen neuen Motor mit Ladeluftkühler und Turbo und ist 200 PS stark. Kottler selbst investierte neun Jahre lang viele Stunden in den Ausbau seines etwas anderen Wohnmobils. „Jede Schraube ist dokumentiert. Zuhause habe ich drei dicke Leitz Ordner“, schwärmt er. Die spezielle Ausstattung, die einen Unimog wasserundurchlässig macht und ihn unbekümmert bis zu 120 Zentimeter durch Flüsse pflügen lässt, hat er nicht. Aber auch so machen seinem Mog Wasserstände von bis zu 80 Zentimetern nichts aus. „Sich einfach mal mitten in ein schönes Flussbett stellen, um dort zu übernachten, das ist schon sagenhaft.“
Extremer als Kottler sind seit jeher die Wilds aus Ellwangen auf Achse. Über die Jahre gab es einige brenzlige Situationen. Letztlich haben sie diese, ausser viel Adrenalin auszuschütten, stets unversehrt gemeistert. So eine Flussüberquerung, die sie aufgrund unberechenbarer Untiefen abbrechen und sich vom anderen Unimog wieder ans rettende Ufer ziehen lassen mussten. Unvergessen auch ihre Reisen nach Libyen. Viermal waren sie zusammen mit einem weiteren Unimog Besitzer jeweils für ein Vierteljahr dort, als dies noch möglich war. Roland Wild und seine Frau Verena sind schlichtweg begeistert von ihrem Fahrzeug (Baujahr 1984): „Einmal Unimog, immer Unimog“, schwärmen sie.
Einer, der seinen Vierzylinder Mog (Baujahr 1961) im Urzustand belassen hat und „kleinen Kerl“ unverdrossen für Wald- und Forstarbeiten einsetzt, ist der Hamburger Fotograf Markus Heimbach. „Mein Mog hat über die Jahre einige Kratzer abbekommen“, lacht er. Rund 2.000 Kilometer pro Jahr mutet er dem geliebten Familienmitglied bei Wind und Wetter zu. Besonders gerne schnappt er sich den Mog, um einkaufen zu fahren oder nachts bei eisigen Temperaturen ohne Mütze und Handschuhe und auch ohne Persenning offen durch den Wald zu tuckern. „Du riechst alles, kannst wieder Sterne zählen“ … und nicht zuletzt grandiose Fotos schiessen. „Schnell sind wir nicht unterwegs, aber nie mit der Angst, stecken zu bleiben. Zuschaltbarer Allradantrieb, Untersetzung und Differenzialsperre sorgen für gnadenlosen Vortrieb“, resümiert Heimbach triumphierend die Vorzüge seines Spielzeugs, wie er sein Lieblingsvehikel im heimischen Fuhrpark nennt.
Museumsleiterin Hildegard Knoop freut sich über das unvermindert starke Interesse am Unimog und an ihrem privaten Vereinsmuseum. „Ich denke immer, dass sich die Begeisterung irgendwann legen wird. Doch weit gefehlt“, berichtet sie lachend. Tatsächlich wimmelt es an diesem Wochenende neben den Weltenbummlern wieder von Besuchern, die schon ihren kleinen Kindern die Technik der Fahrzeuge näherbringen. Dort sehen sie auch, dass ein Unimog ganze Züge schleppen kann, Gerätschaften vorne, hinten und seitlich klaglos mit sich führt, um hart zu arbeiten.
Zwei Fahrzeuge, die normalerweise im Museum als Parcours- und Vorführwagen Dienst tun, sind seit knapp zwei Wochen im Katastropheneinsatz im überfluteten Ahrtal. Was andere Fahrzeuge im Fuhrpark der Gemeinden in solchen Extremsituationen kapitulieren lässt, ist für einen Unimog Alltag. Unbeeindruckt von den Wassermassen durchpflügten die Fahrzeuge die Fluten und standen dabei fast bis zur Haube im Wasser.
Unimog-Fan Theo Kottler: „Sich einfach mal mitten in ein schönes Flussbett stellen, um dort zu übernachten, das ist schon sagenhaft.“ Theo Kottler investierte neun Jahre lang viele Stunden in den Ausbau seines etwas anderen Wohnmobils
Fotos: Bernd Hanselmann
Text: Susanne Roeder