Vom ersten Vierrad-Antrieb zum tschechischen Volkswagen
Im Schreckensjahr 1939 fand sich auch Škoda erneut in die Kriegswirren verwickelt. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen standen die Škoda-Werke in Mladá Boleslav unter deutscher Besatzung und wurde zum Rüstungskonzern.
Der erste 4x4x2-Antrieb
Der Škoda 903 war eines der wenigen Fahrzeuge, die in den Kriegsjahren produziert wurden. Es handelte sich um die Produktion eines 1936 für die tschechoslowakische Armee gefertigten sechsrädrigen Prototypen. Der für den Feldeinsatz konzipierte Škoda 903 wurde mit drei Achsen ausgestattet, wobei die beiden Hinterachsen angetrieben wurden. Der Škoda 903 schaffte eine Steigung von bis zu 45 % und eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h.
Während des 2. Weltkriegs wurde die Entwicklung von 4×4-Fahrzeugen forciert. Entstanden sind Fahrzeuge wie der Škoda 956. Als Basis für das wuchtige Allradfahrzeug diente ein Dreiliter Superb OHV aus der Vorkriegsgeneration.
Vom Regen in die Traufe: Verstaatlichte Erfindungen
Der Zweite Weltkrieg war zu Ende, der Kalte Krieg hatte begonnen: 1945 wurden die Škoda-Werke verstaatlicht – es entstand “Automobilové závody, národní podnik” kurz AZNP. Der automobile Nationalbetrieb produzierte im Werk Mladá Boleslav nach dem Krieg auch tschechoslowakische Konkurrenzprodukte wie Tatra-Lastwagen des Typs 805.
Der Tatra-LKW diente wiederum als Basis für den Škoda 971. Es wurde “Projekt Jarmila” genannt. Dabei handelte es sich um ein gepanzertes Auto, von dem mehrere martialisch aussehende Prototypen entstanden. Parallel dazu entwickelte Škoda mit dem Typ 972 ein bewaffnetes Amphibien-Fahrzeug, von denen zwischen 1951 und 1952 nur fünf Stück hergestellt wurden.
Ausgestattet mit einem Schraubenpropeller erreichte das Auto im Wasser eine Geschwindigkeit von bis zu 10 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit auf der Strasse betrug 85 km/h.
Der Jeep des Ostens
Anfangs der 1950er Jahre brannten in den Škoda-Werken nachts die Lampen lang. Im Geheimen entwickelte man für die Armeen des Warschauer Pakts ein Allradfahrzeug – den Škoda 973, das erste Fahrzeug mit deaktivierbarem Vorderradantrieb. Der 4×4 hatte sensationelle Fahreigenschaften – er bezwang Steigungen von bis zu 58 Prozent, kletterte über 25 Zentimeter hohe Hindernisse und konnte durch bis zu 60 Zentimeter tiefes Wasser fahren.
Die Truppen des Warschauer Paktes testeten verschiedene Fahrzeuge; das in Tschechien hergestellte Škoda Modell 973 erwies sich als das Beste. Dennoch entschieden sich die Armeespitzen der Ost-Staaten für die Produktion des in Russland hergestellten GAZ-49, der schliesslich in 56 Staaten exportiert wurde. Vom Škoda 973 entstanden nur 30 Testfahrzeuge.
Fortan konzentrierte sich Škoda auf den Bau von Geländefahrzeuge für den zivilen Einsatz, wie etwa für die Landwirtschaft. Entstanden sind in den frühen 1960er Jahren 13 Prototypen des Škodas 998 (später 990). Sie fanden zwar nicht den Weg in die Serie dafür in einen Film, dem 1964 erschienenen Fantasy-Musical “If a Thousand Clarinets (Kdyby tisíc klarinetů)”.
Trekka: Der Škoda, der aus Neuseeland kam
Hast du gewusst, dass der Vorgänger aller Škoda-SUVs aus Neuseeland kommt? Warum ausgerechnet Neuseeland? Ganz einfach: Es besteht eine lange Freundschaft zwischen Škoda und dem pazifischen Inselstaat. Schon die Gründerväter Laurin & Klement exportierten erfolgreich Automobile ans andere Ende der Welt.
Mitte der 1960er Jahre kam es dann zur offiziellen Partnerschaft zwischen dem Mutterwerk von Škoda und dem Importeur von Škoda Neuseeland. Der SUV basiert auf dem verkürzten Zentralrohrrahmen mit Einzelradaufhängung des aus Mladá Boleslav angelieferten Octavias. Zusammen mit dem neuseeländischen Designer George Taylor entwarf Škoda-Entwickler Josef Velebný die schlichte, aber praktische Karosserie. So entstand der Trekka, das erste Automobil, das in Neuseeland entworfen und gebaut wurde.
Angetrieben vom 47 PS starken 1,2-Liter-Vierzylinder aus dem Octavia mit kurzer Achsübersetzung und einer Bodenfreiheit von 19 Zentimetern, zeigte sich der Trekka erstaunlich geländegängig. Auf Wunsch gab es den Trekka mit Sperrdifferenzial. Die Kunden hatten ausserdem die Wahl zwischen einem dreitürigen Pick-up mit zwei bis acht Sitzen, Planverdeck, festem Kunststoffdach, einem Kombi (Station Wagon) oder ganz im Sinne des Zeitgeistes als Strandmobil. Zwischen 1966 und 1972 wurden fast 3’000 Trekkas gebaut. Sie wurden auch nach Australien, Fidschi, Samoa und Vietnam exportiert.
Vom Tudor zur Pontonform
Nachdem sich der Kanonenrauch des Weltkrieges verflüchtigt hat, begann bei Škoda langsam wieder die Fertigung von Automobilen; zunächst mit der Produktion der Vorkriegsmodelle Rapid und Popular 995.
Schon 1946 kam das erste neue Nachkriegsmodell auf den Markt. Der Škoda 1101, wegen seinen zwei Türen auch Tudor (Two Door) genannt, hatte zwar den Zentralrohrrahmen des Populars, aber eine moderne Karosserie ganz im Stil der Zeit. 1949 kam der Škoda 1102 Tudor mit Lenkradschaltung auf den Markt. Von beiden Modellen zusammen wurden 67’000 Exemplare produziert und in 76 Staaten verkauft. Fast zwei Drittel dieser Autos wurden im Ausland abgesetzt. Zu den bedeutendsten Exportmärkten zählten damals Polen, die Niederlande, Belgien und die Bundesrepublik Deutschland. Aber auch in Australien, Brasilien, Indien, in der Südafrikanischen Union oder in Kanada prägten Škoda Tudors das Strassenbild.
Der im Frühling 1952 vorgestellte Škoda 1200 war das erste Auto aus Mladá Boleslav mit Ganzstahlkarosserie. Der Škoda 1200 gab es als viertürige Limousine oder Kombi sowie als zweitüriger Lieferwagen. Je nach Region warben für den Škoda 1200 verschiedene Slogans.
Erfolgreich war der Škoda 1200 auch im Rennsport. Die gesammelten Erfahrungen fanden sich im Škoda 1201 ab 1954 in technischen Verbesserungen auch in der Serienfertigung. Zusammen mit seinem Vorgänger wurden 67‘071 Exemplare in den Werken Mladá Boleslav, Kvasiny und Vrchlabí hergestellt. Die Produktion dieses Fahrzeugs lief 1961 aus. Es folgte der Škoda 1202, der nur noch als Kombi, Lieferwagen und Pickup verfügbar war.
Der Škoda Spartak – Das beliebte Zwischenmodell
Der Škoda 440 “Spartak” – wie er auch genannt wurde – galt von Werkseite als Zwischenmodell. Zwar arbeitete man unter Hochdruck an einem tschechischen Volkswagen mit Heckmotor. Doch den Leuten gefiel der Spartak. In nur vier Jahren Bauzeit wurden über 75’000 Exemplare verkauft.
1959 wurde die numerische Bezeichnung der Škoda Modelle durch Namen ersetzt – umgesetzt mit einer leichten Modellpflege. 80 % der Teile wurden vom Vorgänger übernommen. Weil der Škoda 440 das achte Modell in Škodas Nachkriegsgeschichte war, wurde er zum OCTAVIA (lateinisch octo = acht).
Der Škoda 450 wurde zum Škoda Felicia, einem auf dem Octavia basierenden Cabrio. Das hochwertige Auto wurde auch nach Westeuropa, Australien und Südamerika exportiert. Von Octavia und Felicia wurden zusammen 298’480 Einheiten produziert. Es sollten die vorerst letzten Škodas mit Frontmotoren sein.
Škoda 1000 MB – Tschechoslowakischer Volkswagen
Und dann kam der Škoda 1000 MB: DER tschechische Volkswagen! Die siebenjährige Entwicklungszeit in Mladá Boleslav (hierfür steht das Kürzel MB) hat sich gelohnt. Es war nicht nur der erste Škoda mit Heckmotor und Heckantrieb, sondern der 1000 MB zeichnete sich als einer der Besten in der 1-Liter-Klasse aus. Beliebt machte ihn beim Verkaufsstart 1964 vor allem sein unschlagbar günstiger Preis für eine vollwertige Limousine mit Vier-Türen. Zweifelsfrei bekam man im Škoda 1000 MB mehr geboten als im preislich ähnlichen VW Käfer.
Mit dem Entscheid zum Heckmotor und Heckantrieb hat die Regierung den Škoda-Ingenieuren keinen Gefallen getan. Da auch die Fabriken darauf ausgelegt wurden, gab es in den kommenden Jahren kein Zurück zum Frontmotor-Konzept. Umso kniffliger stellten sich fortan elementare Detailfragen, die man mit dem Škoda bekannten Konzept “Simply Clever” beantwortet hat.
Wohin mit dem Tank? Nach vorne: Der Tankeinfüllstutzen verbarg sich unter dem wegklappbaren Škoda-Logo des rechten vorderen Kotflügels. Anders als bei einem Porsche mit Heckmotor war das Ersatzrad im Vorderwagen in einem separaten Fach unter dem Kofferraum untergebracht, der sich mit einem kleinen Hebel unter der Fronthaube entriegeln liess. So musste nicht der gesamte Kofferraum entladen werden, um an das Reserverad zu gelangen.
Beliebt, beliebter, Škoda 1000 MB
Der Škoda 1000 MB hatte weitere clevere Ideen. Zum Beispiel gehörten Liegesitze zum Standard. Die Sitze liessen sich also zu einer schlafgerechten Liegefläche absenken. Der kleine Viertürer hatte auch zwei Kofferräume – vorne einen grossen und hinter der Rücksitzbank einen kleinen. Um den kleinen Kofferraum hinter dem Rücksitz zu erweitern, wurde die Sitzfläche hochgeklappt und die Lehne umgelegt.
Die vorderen Seitenscheiben des viertürigen Wagens liessen sich herunterkurbeln, während die hinteren fest eingebaut waren. Zur Belüftung gab es vorn und hinten kleine Ausstellfenster, die ebenfalls durch Kurbeln bedient wurden. In den fünf Jahren seiner Produktion verkaufte sich die erste Škoda-Heckmotor-Generation in allen Varianten rund 440’000 Mal. Besonders in Ostdeutschland war der Škoda beliebt. Jeder siebte Škoda wurde in die DDR verkauft.
Weil das alte Montagewerk des Octavia kurz vor Produktionsende abbrannte und 1964 für den Škoda 1000 MB eine neue Fabrik gebaut wurde, die ganz auf Heckmotoren ausgerichtet war, lehnte es die damalige Regierung ab, bei der neuen Škoda-Reihe, dem 100/110, auf einen zeitgemässen Frontmotor mit Heckantrieb umzustellen. Zu unrentabel schienen die Investitionen.
So war 1969 der neue Škoda im Prinzip der alte Škoda: Motor und Fahrwerk entsprachen weitgehend denen des Vorgängermodells. Es gab nebst Scheibenbremsen vorne einige kosmetische Korrekturen.
Dennoch war der Š100 in der DDR sehr beliebt. 1975 waren 10,6 % aller in der DDR zugelassenen Personenwagen Škodas, zum Grossteil Škodas 100. 1973 lief der millionste Škoda seit Eröffnung der neuen Produktionslinien im Stammwerk Mladá Boleslav vom Band.
Škoda 105/120/130 – Legendärer Strassenfeger
Die Zeiten ändern sich, Škoda blieb mehr oder weniger freiwillig beim Konzept des Heckmotors mit Heckantrieb. Beim 1976 auf der Brünner Messe vorgestellten Škoda 105 war nicht nur die Karosserie neu, sondern auch der Motor, den es auch in einer 1,2 und 1,3. Liter-Version gab. Besonders letztere waren im Westen beliebt.
Die Škoda Modelle 105, 120 und 130 waren echte Strassenfeger und verkauften sich zwischen 1975 bis 1990 insgesamt über zwei Millionen Mal. Anders als der Trabant oder ähnliche Fahrzeuge aus dem damaligen Ostblock, wurden die beliebten Škoda-Modelle in den anderthalb Jahrzehnten kontinuierlich auf den neuesten Stand gebracht.
Eine Besonderheit: Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs war noch lange nicht Schluss mit dem letzten Heckmotor-Fahrzeug von Škoda: In den Jahren 1991 bis 1994 wurden in Mladá Boleslav nämlich Ersatzteile in Handarbeit zu ganzen Autos zusammengebaut; Motoren und Karosserieteile der vergangenen 20 Jahre, auch vom 1100 MB. Die Modelle sind nur schwer zu unterscheiden.
Škoda Favorit – Der letzte Wurf des Ostens
Kurz bevor der eiserne Vorhang fiel, präsentierte Škoda ein neues Modell, das den Höhepunkt der bisherigen Firmengeschichte darstellen sollte: den Škoda Favorit. Dieses Auto ist ein Meilenstein in der Geschichte von Škoda. Das moderne Konzept, einen kompakten Frontmotor-Frontantrieb mit variablem Innenraum und einer grossen Heckklappe zu kombinieren, war ein voller Erfolg. Insgesamt eine Million Škoda Favorit liefen zwischen 1987 und 1994 vom Band.
Der Erfolg dieses Modells bewies, dass innovative Ingenieure auch hinter dem Eisernen Vorhang moderne Auto bauen konnten. Der Favorit war mit ein Grund dafür, dass bei der Privatisierung die grössten Autohersteller des Westens um die Škoda-Werke buhlten. Das Rennen machte der Volkswagen Konzern.
Die Škoda Geschichte, Teil 1: von der Fahrradmanufaktur zum Motorrad-Champion
Die Škoda Geschichte, Teil 2: Die Zwischenkriegsjahre: Škoda, Glamour und Expeditionen
Die Škoda Geschichte, Teil 3: Innovation in der Planwirtschaft