Ende 2016 hatte der der Mercedes-Entwicklungsingenieur Jürgen Eberle die (wahnwitzige) Idee: “Warum nicht die G-Klasse 4×4² mit der E-Klasse All-Terrain kreuzen?”
Mit der Unterstützung vieler engagierter Kollegen stellte er binnen weniger Monate den fahrbereiten All-Terrain 4×42 auf die Portalachsen. „Sowas gibt es sonst nirgendwo“, sagt Eberle. Der Unimog hat sie serienmässig, die G-Klasse 4×4² hat sie auch. Doch die rollen auf Starrachsen. Die E-Klasse ist ein modernes Auto mit Mehrlenkerachsen. Trotzdem sollte das Projekt Portalachsen bekommen.
Eins der grossen Probleme: Die Portalachsen der G-Klasse passten nicht unter die E-Klasse.
Um das möglich zu machen, musste ein komplett neues Portal entwickelt werden. Wo gewöhnlich zwei Getriebe werkeln, um die Kraft an die Räder zu bekommen, hat Eberle mit seinen Kollegen ein Portal mit dreien entwickelt. Dabei liegt die Achse ein gutes Stück über der Radmitte. Sie endet jeweils in einem Getriebe, über das das Rad angetrieben wird. So schafft man reichlich Bodenfreiheit. Bis zu 420 Millimeter sind es bei der E-Klasse – die G-Klasse hat in der Standardausführung nur halb so viel.
Die hier vorliegende Kombination mit modernen Mehrlenkerachsen ist einzigartig.
„Entscheidend war das Netzwerk“, blickt Eberle zurück. „In jedem Bereich, in dem ich Unterstützung benötigte, habe ich Kollegen gefunden, die ähnlich tickten und schnell und unbürokratisch geholfen haben.“ Beteiligt haben sich rund 20 Mitarbeiter aus ganz verschiedenen Bereichen wie Design, Konstruktion, Werkstatt und Versuch. Die breiten Kotflügel entstanden beispielsweise mit Hilfe eines 3D-Druckers aus dem Rapid Prototyping, und bei der Optik des folierten Fahrzeugs half ein Designer. Die Antriebswellen, deren Geometrie angepasst werden musste, hätten auf dem normalen Bestellweg eine lange Lieferzeit gehabt. Für kurzfristige Verfügbarkeit binnen zwei Wochen sorgte ein Mitarbeiter von Mercedes-AMG, „der selbst ein Schrauber ist“, so Eberle.
„Mich hat die Idee von Anfang an begeistert und erste Testfahrten mit dem All-Terrain 4×42 auf dem neuen Prüf- und Technologiezentrum Immendingen zeigen vielversprechende Offroad-Eigenschaften“, freut sich Michael Kelz, Chefingenieur E-Klasse. „Dank der Höherlegung mit Portalachsen kann der All-Terrain 4×42 auch fieseste Fels- und Steinpassagen überwinden – ein echter Kraxelkünstler.“
Der All-Terrain 4×42 ist mit 2,10 Metern auch fast 20 Zentimeter breiter als das Serienpendant. Neben der grösseren Spurweite (vorne/hinten: 1.772/1.772 mm) geht das vor allem auf das Konto der weit ausgestellten Radlauf-Verkleidungen, die die schmalen serienmässigen Claddings ersetzen. Ursprünglich kallaitgrün lackiert, wurde der Offroader mit einer mattsilbernen Folie überzogen. Das Dach ist mattschwarz foliert. Der vordere Böschungswinkel liegt mit 35,8 Grad auf G-Klasse-Niveau, der hintere mit 35,6 Grad deutlich darüber. Der Rampenwinkel übertrifft mit 31,7 Grad die G-Klasse um fast 10 Grad.
Die Mercedes E-Klasse All-Terrain 4×4² ist ein Einzelstück mit Strassenzulassung für Versuchsfahrzeuge. Das wird vorerst so bleiben, sagt man. Aber den 4×4² der G-Klasse hat Mercedes ja auch gebaut. Sogar den 6×6 mit drei Achsen.
Die wichtigsten Offroad-Daten der Mercedes E-Klasse All-Terrain und dem All-Terrain 4×42 im direkten Vergleich:
All-Terrain 4×42 * | All-Terrain | |
Bodenfreiheit (mm) | 420 | 160 |
Böschungswinkel v/h (°) | 35,8/35,6 | 19,0/18,2 |
Rampenwinkel (°) | 31,7 | 15,5 |
Wattiefe (mm) | 500 | 280 |
Rad-/Reifenkombination | 285/50 R 20 | 245/45 R19 |
TECHNISCHE DATEN: Mercedes E-KLASSE ALL-TERRAIN 4×4²
Motor: 3,5-l-V6-Turbobenziner
Leistung: 333 PS (245 kW)
Drehmoment: 480 Nm b. 1.200-4.000 U/min
Getriebe: 9-Gang-Automatik, Allradantrieb
Länge: 4,93 m
Breite: 2,10 m
Radstand: 2,94
Spurbreite v/h: 1,772/1,722 m
Bodenfreiheit: 420 mm
Böschungswinkel v/h: 35,8/35,6 Grad
Rampenwinkel: 31,7 Grad
Wattiefe: 500 mm