Langstrecken mit einem Elektroauto? Ja, das funktioniert. Aber trotz modernster Technik und realistisch geschätzten 400 Kilometern Reichweite will eine Tour im 700 PS (Anm. d. R.: die PS-Angaben mussten von Tesla auf 469 PS angepasst werden) starken Tesla Model S P85D von Zürich ins Südtirol gut geplant sein. Wo fahre ich lang? Wo kann ich laden? Wie lange dauert das zusätzlich? Lade ich unterwegs lieber nochmals nach oder reicht der Strom von Zürich bis nach Meran im Südtirol?
Fährt man heute ein Elektroauto auf einer Langstrecke, kehren die alten Rituale von früher zurück: Karten wälzen, Routenpläne erstellen und während der Fahrt den Kilometerzähler mehr oder weniger nervös im Blick haben. Eine schlampige Vorbereitung kann zu unangenehmen Zwangspausen führen. Selbst mit dem Tesla Model S, dessen Topmodell P85D eine realistische Reichweite von etwa 400 Kilometern hat. Der Fahrer sollte wissen, wo er den Stromer aufladen kann.
Bei aller Offenheit für neue Technologien ist man als Autofahrer ja doch konditioniert: Wenn 700 PS den Gasbefehl „Kickdown“ umsetzen, erwartet man ein infernalisches Trompeten, ein kerniges Röhren oder zumindest ein vollmundiges Dröhnen. Wenn es wenige Sekunden „sssssssst“ macht und man sich jenseits der erlaubten Geschwindigkeit wieder findet, ist das zu Anfang leicht irritierend. Während herkömmliche Allrad-Antriebe, unter anderem durch das grössere Gewicht, üblicherweise mehr verbrauchen, kann die Steuerung des Model S laut Tesla die beiden Motoren so effizient einsetzen, dass die Reichweite – bei einem E-Auto zählt fast jeder Kilometer – nicht eingeschränkt beziehungsweise sogar um 22 Kilometer erhöht wird. „Sport plus“ oder ähnlich nennen es die anderen – „Wahnsinns“-Modus nennt Tesla das – dafür gibt es tatsächlich eine Schaltfläche im Untermenü auf dem riesigen Touchscreen.
Wer den Wahnsinn dauerhaft betreibt, dürfte alsbald einen der Supercharger entlang der Strecke ansteuern müssen. Dort dürfen Tesla-Kunden kostenlos laden. Aber ein solcher Ladestopp hat auch etwas vollkommen entspannendes: in 20 Minuten ist der Tesla wieder etwas über die Hälfte aufgeladen, Zeit für eine Kaffeepause. 150 der Schnellladestationen gibt es europaweit – von Nord-Norwegen bis Südfrankreich. Bis Ende 2015 will Tesla das Netzwerk bis auf die Spanische Halbinsel, nach Süditalien, Osteuropa sowie Finnland ausdehnen.
Ja, wir geben es ja zu. Wir waren Hasenfüsse. Vermutlich hätten wir es von Zürich bis nach Meran problemlos geschafft. Getraut haben wir dem Braten anfangs aber nicht so ganz und haben “sicherheitshalber” beim Supercharger in Landquart nochmals nachgeladen.
Ankunft im Meraner Land.
Die Kleinstadt Meran mit ihren Promenaden, Ansitzen und Jugendstilbauten ist das charmante, mediterran geprägte Zentrum der Region und zu jeder Jahreszeit eine Reise wert. Von der Texelgruppe wird die Region vor den kalten Winden und Niederschlägen aus dem Norden gut geschützt. Richtung Süden hin ist das Tal offen und die warme Südluft sorgt für ein wohlig mediterranes Klima. Sobald man den ersten kleinen Ernte-Traktoren gemütlich hinterher tuckert und so ganz automatisch entschleunigt wird weiss man, dass nicht nur der Herbst im Südtirol angekommen ist, sondern wir auch. Die Weinreben zeigen sich im schönsten Gold, die Lärchen leuchten gelb-orange und die Laubbäume schimmern in allen Rottönen. Vor allem aber spielt die Kastanie im Herbst eine wichtige Rolle, denn sie ist der Abschluss des traditionellen „Törggelen“. Dieser Brauch setzt sich zusammen aus einer kleinen Herbstwanderung und einem anschliessenden deftigen Essen in einem traditionellen Gasthaus oder Weinkeller. Ganz nach unserem Geschmack, doch leider waren wir diesmal noch etwas zu früh dran.
Designhotel Gantner, Dorf Tirol
Das unkonventionelle und weltoffene Gastgeberpaar Barbara und Florian Gartner setzt der sonst schon sehr herzlichen Gastgeberkultur des Südtirols nochmals einen obendrauf. Über den Dächern von Meran am Küchenberg im Dorf Tirol zeigen sie, wie man Südtiroler Tradition mit einem grossen Schuss Design aus der weiten Welt verbindet. Für Designliebhaber: neben Objekten von Lambert und Etro findet man zahlreiche Kunstwerke an den Wänden. Das Hotel Gartner war für 4 Tage unsere Basis und ganz unkompliziert durften wir den Tesla in der Tiefgarage an die Steckdose hängen. So waren wir jeden Morgen parat für die faszinierenden Ausflüge ins Meraner Land.
Fahrt ins Passeiertal und entlang der Timmelsjoch-Hochalpenstrasse
Ein erster Ausflug auf die Passstrassen des Meraner Lands führt uns über das Passeiertal auf die Timmelsjoch-Hochalpenstrasse in Richtung Ötztal. Von satten Almwiesen, blühenden Alpenrosen und Zirbenbäumen bis hoch zu karger Hochgebirgslandschaft mit Schneefeldern im Hochsommer wird alles geboten. Manchmal kreuzen Schafe, Ziegen und sogar Steinböcke den Weg.
Motorradfahrer staunen nicht schlecht, als beim Rausbeschleunigen aus den den Kurven der Tesla Model S P85D mit einem sssssssssst davon zieht. Auf der Passhöhe statten sie uns einen Besuch ab und wollen wissen, was das für ein Auto ist.
Die Aussicht ist grandios und entlang der Strecke befinden sich 5 Stationen. Diese Architektur-Skulpturen informieren den Reisenden über Natur, Geschichte, Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft der Region und tragen die Namen Steg, Schmuggler, Passmuseum, Fernrohr und Granat – alles zusammen die sogenannte „Timmelsjoch-Erfahrung“.
Mittagessen im Gasthaus Lamm Mitterwirt, St. Martin im Passeiertal
Entlang der Stecke zum Timmelsjoch liegt in St. Martin im Passeiertal das Traditions-Gasthaus Lamm Mitterwirt aus dem Jahre 1777 mit einer sensationellen Südtiroler Küche, in der Hildegard Fontana einen ganz eigenen Weg gefunden hat, für ihre Gäste typische Passeirer bzw. Tiroler Gerichte zu kreieren. Etwas unscheinbar liegt dieses Wirtshaus mitten im Dorf, doch wer hier nicht Halt macht, ist selber schuld. Wir waren vom sowohl vom Wirt, wie auch der Küche aber auch vom sehr herzlichen Service gegenüber allen Gästen begeistert.
Jaufenpass, weils so schön war
Der Jaufenpass ist der nördlichste inner-italienische Alpenpass und liegt sozusagen fast auf dem Weg. Zu verlockend um ihn nicht auch noch unter die Räder zu nehmen. Die 31 km lange, landschaftlich abwechslungsreiche Strecke verbindet das Passeiertal mit dem Eisacktal. Im Norden ragen die mächtigen Ötztaler Alpen empor, im Süden die ebenso weitläufigen Sarntaler Alpen.
Gampenpass
Von 1810 bis 1815 verlief hier die Grenze zwischen dem von Napoleon neu gegründeten italienischen Staat im Süden und dem Königreich Bayern im Norden. Zwischen 1938 und 1942 baute das italienische Militär den Pass zu einer Sperrstellung des Vallo Alpino aus. Direkt auf der Passhöhe finden sich heute noch die baulichen Reste des einst geplanten Bunkers. Zur Zeit unseres Besuches fand in der „Gampen Gallery“, dem Eingang zum Bunker, eine Fotoausstellung von Reinhold Messner über Bergvölker der ganzen Welt statt.
Schlosshhotel Castel Fragsburg, Meran
Das Relais & Chateau Castel Fragsburg liegt am Berg oberhalb von Meran. Im Restaurant dieses historischen Jagdschlosses verwöhnt Michelin-Sternekoch Alois Haller seine Gäste. Der Ausblick auf die Stadt ist atemberaubend.
Das traditionsreiche Haflinger Hochplateu
Hafling liegt auf der Hochebene über dem Meraner Becken, dem Tschögglberg, auch die „Sonnenterrasse Merans“ genannt und ist die Heimat der gleichnamigen, sanftmütigen Pferde mit der blonden Mähne. Zur Ortsgemeinde gehören Hafling Dorf, Hafling Oberdorf, Falzeben und St. Kathrein, ein kleines Dorf von gerade mal 50 Einwohnern, das für seine romanische Kapelle bekannt ist. Die Panoramasicht von Hafling ist grandios, von hier aus sieht man bis auf die Gipfel der Texelgruppe.
Boutique Hotel Miramonti, Hafling
Die Lage des Hotels war wohl ausschlaggebend dafür, dass Teile des James Bond Films „Der Spion, der mich liebte“ 1977 hier gedreht wurden. Die neue James Bond Suite nimmt Bezug darauf. Zudem bieten die Gastgeber Klaus und Camen Alber seit Kurzem Slow Food Küche.
Gärten von Schloss Trauttmansdorff, Meran
Kaum ein Ort, wo sie nicht war: Kaiserin Elisabeth von Österreich residierte mit ihren Kindern auf Schloss Trauttmansdorff. Zu den weiteren literarischen Persönlichkeiten, die im „Luftkurort Meran“ verweilten, zählen Arthur Schnitzler, Christian Morgenstern, Stefan Zweig und nicht zuletzt Franz Kafka, der hier versuchte, seine Lungenleider zu kurieren. 2013 wurden die Gärten von Schloss Trauttmansdorff zum „International Garden of the Year gewählt“ und sind somit zu den begehrtesten Gärten der Welt aufgestiegen.
Restaurant Miil auf dem Kränzelhof, Tscherms
„Für mich haben Kunst und der Genuss von erlesenem Wein auch besondere Naturerlebnisse sehr viel gemeinsam.“ sagt der Hausherr Franz Graf Pfeil. Der Ansitz Kränzel ist eine mittelalterliche Hofanlage umgeben von Weinbergen und den „7 Gärten“ mit einem Labyrinthgarten und sehenswerten Kunstwerken. Im Erlebnisgarten des Weingutes Kränzelhof in Tscherms bietet das Restaurant Miil eine hervorragende Südtiroler Gourmetküche im Ambiente einer Mühle aus dem 13. Jahrhundert. Küchenchef Othmar Raich ist bekannt für Gerichte, die auf lokalen Produkten basieren.
Wir treten wieder den Heimweg an und wollen auf dem Rückweg unbedingt über die Panoramastrasse zum Stilfserjoch im Ortlergebiet, die höchste Pass-Strasse Italiens (2757 m.ü.M.) und eine der beeindruckendsten Strassen weltweit. Nicht aber ohne uns mit einer ordentlichen Jause für unterwegs eingedeckt zu haben. Falls wir uns verrechnet haben und der Tesla ohne Strom stehen bleibt, verhungern wir wenigsten nicht.
Stilfserjoch – unterwegs auf der höchstgelegenen Pass-Strasse Italiens
Das Stilfser Joch verbindet Bormio im Veltlin, Lombardei, mit Prad im Vinschgau, Südtirol. Auf der Westseite mündet auf 2503 m.ü.M. die über den Umbrailpass kommende Strasse von Santa Maria (Schweiz) ein. Die Planung dieser Verbindung zwischen dem Veltlin auf der einen und dem Vinschgau in Südtirol auf der anderen Seite war eine grossartige Pionierleistung, die unter Kaiser Franz im Jahre 1818 begann. Nur sieben Jahre später wurde die Strasse in Betrieb genommen und um 1900 für den Automobilverkehr ausgebaut. Auf einer Gesamtlänge von 49 km und bei einer Steigung zwischen 7 und 15% zählt die Strasse auf Südtiroler Seite 48 und auf Veltliner Seite 34 Kehren. Die charakteristischen Schwünge vor dem imposanten Panorama des Nationalparks Stilfserjoch machen sie zu einem magischen Anziehungspunkt für Auto-, Motorrad- und Fahrradfahrer.
Fast eine Stunde haben wir mit der Tesla-begeisterten italienischen Familie fachgesimpelt.
Weiter gehts über den Umbrailpass in Richtung Val Müstair.
Tja, und da die Kurven im Wahnsinnsmodus halt doch ordentlich Strom fressen, müssen wir in St. Moritz einen kleinen Zwischenstopp einlegen. Aber es gibt Schlimmeres als einen kurzen Spaziergang um den See.
Und weiter gehts über den Albulapass gen Unterland.
Technische Daten Tesla Model S P85D (Dual Motor)
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