Kalifornien ist ein Top-Trendsetter für kommende Auto-Moden in den USA und setzt auch weltweite Trends. Die Messe in Los Angeles zeigt, dass die deutschen Hersteller da ganz gut anrollen – ausser in einer der wichtigsten Disziplinen.
Los Angeles. Wenn Du es hier schaffst, dann schaffst Du’s überall: Der Spruch ist zwar das Motto von New York – aber in Los Angeles passt er fast noch besser. Nicht nur in der Glitzerwelt des Stadtteils Hollywoods, sondern auch auf den zehnspurigen Autobahnen, die durch die Metropole schneiden. Denn was dort in Mode kommt, dass setzt sich später oft auch weltweit durch. SUV etwa, Hybrid-Fahrzeuge oder der Elektroantrieb.
Der Trend bei den Zulassungen zeigt im wichtigsten Bundesstaat eindeutig in Richtung Plug-In-Hybride und Elektroauto, analysiert etwa der Marktforscher Edmunds.
Laut Zulassungsbehörde hat sich etwa die Zahl neuer Plug-Ins in einem Jahr verdoppelt, die der Elektroautos nimmt mit dem Start von Chevrolet Bolt und Tesla Model 3 gerade Fahrt auf. 2018 werden auch von deutschen Herstellern einige Neuigkeiten kommen, die das Angebot deutlich erweitern. Soviel zur ökologischen Vernunft.
Kalifornien ist aber eben auch die Hauptstadt des Showbusiness. Da macht die Messe keine Ausnahme. Nicht nur, weil da schon mal Star-Wars-Raumschiffe über den Stand fliegen. Grösser, schneller, schicker … das ist auch am Boden darunter Pflicht. BMW etwa zeigt hier die den M3 als CS-Variante für den PS-Sammler. Das auf 1’200 Stück limitierte Sondermodell wird mit 460 PS der stärkste Serien-3er der Markengeschichte. 600 Newtonmeter Drehmoment, in 3,9 Sekunden von Null auf 100. CFK-Dach und Motorhaube, sichtbare Carbon-Schürzen und -Abrisskante, der Renner ist leicht zu erkennen. Noch einen drauf setzt der i8 als Cabrio – zwar nicht bei den PS (400), aber mit dem noch aufmerksamkeitsstärkeren Äusseren als die geschlossene Variante. Das Batmobil aus München fällt aber optisch gar nicht so aus dem Rahmen – im Gegenteil.
Der zweisitzige Sportwagen Saleen S1 etwa ist auch erstmals in L.A. zu sehen. Der Exot ist aber nur noch den Namen nach ein Werk von US-Tuner Steve Saleen. Donald Trumps America-first-Direktive zum Trotz ist das Auto nach der Pleite des Amis inzwischen Made in China. Immerhin kommt der 2,3-Liter-Motor mit 457 PS von Ford. Elektrovariante? Wird nachgereicht. Irgendwann.
Es drängt ja auch nicht: Umgerechnet 85 Cent pro Liter kostet in Kalifornien derzeit das Benzin. 95 Prozent aller neuen Autos werden darum auch in Kalifornien nach Behörden-Zahlen weiter konventionell angetrieben; gern auch zügig. Chevrolets Corvette ZR1 etwa bleibt dem ganz grossen Benziner treu: 6,2-Liter-V8, 765 PS, 969 Newtonmeter. Und auch äusserlich ultrabrutal carbonbeplankt. Für umgerechnet rund 100’000 Franken (US-Preis) wird der American Way of Drive sicher auch bei uns im kommenden Jahr seine eiligen Anhänger finden.
Geradezu zivil kommen dagegen Porsche und Mercedes mit ihren Premieren daher: Die Zuffenhausener zeigen Cayman und Boxster als GTS mit 2,5-Liter Boxer, 365 PS und 430 Newtonmetern. Und mit dem 911 T gibt es noch einen besonders spartanischen Sportler, bei dem der Kunde sogar auf Navi und Multimedia fürs pure Fahrvergnügen verzichten kann.
Expressives Äusseres prägt auch den Mercedes CLS 4Matic:
Das viertürige Coupé feiert in L.A. Premiere – und mit Elektrifizierung ganz im Trend der Westküste. Als Plug-in arbeiten im CLS 53 Seite an Seite 367 Benzin-PS und 122 E-PS. Der 612 PS starke CLS 63 4Matic erhält zum mechanischen Allradantrieb noch eine elektrifizierte Hinterachse. Es geht aber auch ganz konventionell in Benzin und Diesel – was bei uns wohl die verbreiteteren Varianten sein werden.
Heiss begehrt bleiben nicht nur in Kalifornien aber auch die SUV und Geländewagen. “Der Marktanteil wächst rasant”, sagt VWs USA-Chef Hinrich Woebcken, dessen Marke inzwischen mit dem Atlas auch eine grössere Rolle im Segment spielt. Besonders umlagert auf der Messe ist die Premiere des neuen Jeep Wrangler. Der Kult-Geländewagen kommt wieder als Drei- und Fünftürer und betritt erstmals auch elektrisches Gelände – als Mildhybrid. Ein bisschen Öko darf schon sein.
Muss aber nicht: Star beim Hollywood-Liebling Land Rover ist etwa der neue Range Rover 5.0 V8 Kompressor SV Autobiography mit 565 PS. Eindeutig ein Auto für den grossen Auftritt. Dagegen kommen die stattlichen SUV Subaru Ascent und Lexus RX als Siebensitzer vergleichsweise unspektakulär daher – nur eben gross. Die Japaner mischen damit wieder im wichtigen Segment der Fullsize-SUV mit drei Sitzreihen mit. Nicht nur in Kalifornien wichtig, um ernst genommen zu werden.
Das überarbeitete SUV MKC der Ford-Edeltochter Lincoln wirkt dagegen – und erst recht neben den hauseigenen Koloss Navigator – geradezu zierlich. Und auch der QX50 von Infiniti zählt in den USA nur zur Midsize-Palette. Der ganz grosse Bruder Q80 daneben überragt ihn mit 5,34 Meter Länge, 1,92 Meter Höhe und 2,03 Meter Breite deutlich. In den USA ist der bis zu 210 Stundenkilometer schnelle Gigant mit 5,6-Liter-V8-Saugbenziner (405 PS) schon für umgerechnet weniger als 60’000 Franken zu haben. Bei uns dürfte er im kommenden Jahr deutlich teurer sein.
Elektro-Raketen, Luxus-Limousinen, Riesen-SUV …
Sind das also die Trends, die von Kalifornien aus die Welt der automobilen Zukunft prägen? Die L.A. Auto Show legt das nah. Doch die kalifornische Vereinigung der Autohändler macht noch einen ganz anderen Trend im Sunshine-State aus: Zum ersten Mal seit Jahrzehnten sind auch dort mehr als die Hälfte aller verkauften Autos Pick-Up-Trucks und ganz grosse SUV, die in den USA als leichte Nutzfahrzeuge firmieren. “Heutzutage machen sie mit einem neuen Truck auch vor dem Ritz-Carlton-Hotel was her”, erklärt Paul Dyke, Chef eines der grössten Ford- und Lincoln-Händlers im Land den Erfolg. Deutsche Konkurrenz? Fehlanzeige. VW-Mann Woebcken erklärt die kollektive Zurückhaltung: “Amerikanische Pickup-Käufer sind einfach sehr, sehr patriotisch.”