Ob die erste elektrische Autobeleuchtung, die Halogen- oder Xenon-Technik: Der holländische Konzern Philips spielte in den letzten 100 Jahren oft den Vorreiter bei der Fahrzeugbeleuchtung. Ein Streifzug durch ein Jahrhundert Autolicht.
Am Anfang stand das Streichholz
Barcelona. Schützend formt Fernando aus seinen Händen eine oben offene Schale, in deren Mitte er ein brennendes Streichholz balanciert. Er nähert sich einem runden, nach vorne offenen Glaskörper und versucht das Gas zu entzünden, das aus einer kleine Düse strömt. Doch immer wieder bläst der leichte Wind das just aktvierte Mini-Flämmchen wieder aus. Gut zehn Versuche sind nötig. „Früher war es mit ziemlichem Stress verbunden, die Frontlampen eines Autos zum Brennen zu bringen“, lacht Philips-Chefingenieur Peter Stolk. „Man musste viel Zeit und Geduld mitbringen und sich eine möglichst windgeschützte Stelle suchen.“
Wir stehen vor einem ganz seltenen Exemplar von Oldtimer, ein Reyrol aus dem Jahr 1909. Die französische Firma existiert schon lange nicht mehr, baute 1930 ihr letztes Auto und ist nur noch Fans bekannt. Und wie bei fast allen damaligen Autos wurde das matte Licht im bordeigenen Chemielabor produziert. Fernando, der das sündhaft teure, kutschenähnliche Einzelstück aus einer Sammlung in Barcelona betreut, hält uns eine Art Stein unter die Nase. Er „duftet“ wie früher die Stinkbomben, deren Opfer Generationen von unbeliebten Lehrern wurden. Es ist ein Stück Carbid, das er jetzt in einem kleinen Wassertank auf dem Trittbrett hinter der Fahrertür versenkt. So entsteht dann das brennbare Gas Ethin, das in damaliger Zeit die Frontlampen von Autos befeuerte und noch per Hand entzündet werden musste.
Peter Stolk, der heute für das niederländische Unternehmen den Automobil-Bereich verantwortet, war natürlich damals noch nicht geboren. „Das Beispiel zeigt aber, auf welchem Stand die Technik war, als die Gründer von Philips vor genau 100 Jahren ihr erstes Autolicht auf den Markt brachten“. Das runde Jubiläum wird derzeit von dem Elektronikriesen zelebriert und ist der Grund für den Rückblick in die Vergangenheit. „Seinerzeit war es wichtiger gesehen zu werden als zu sehen“, begründet der Ingenieur die aus heutiger Sicht erschreckend schwache Leistung der Carbid-Lampen. „Die Höchstgeschwindigkeit lag bei gerade mal 30 km/h. Als die Autos dann schneller wurden, musste ein andere Lösung gefunden werden“.
Das Unternehmen war denn auch Vorreiter für den Durchbruch der elektrischen Fahrzeugbeleuchtung für den Massenmarkt. Startschuss war ein Gespräch zwischen US-Autokönig Henry Ford und Anton Philips Anfang der 20er-Jahre. Es führte dazu, dass das berühmte Ford T-Modell (Tin-Lizzy) die neuen Halbwatt-Scheinwerfer aus Europa verwendete. Da dieses erste Modell aus Fliessbandfertigung lange Zeit das meistverkaufte Auto der Welt war, wurde auch Philips berühmt. Im Laufe der Jahrzehnte überraschten die Holländer immer wieder mit Innovationen, die sich schnell durchsetzten. 1924 erschien der erste Scheinwerfer mit zwei Lampen pro Gehäuse – das Abblendlicht und das Fernlicht waren geboren. Später folgte das asymmetrische Abblendlicht, das am entgegenkommenden Fahrzeug rechts vorbeileuchtete und so dessen Fahrer nicht blendete. In England war es natürlich genau umgekehrt.
Der Hersteller Philips war es auch, der die erste Auto-Halogenbeleuchtung erfand (1962) und 30 weitere Jahre später im 7er-BMW das erste Xenon-Licht auf den Markt brachte. „Die Anforderungen der Autofahrer an seine Beleuchtung sind immer weiter gestiegen“, schlägt Peter Stolk einen Bogen in die Gegenwart. Obwohl die heutigen Systeme immer heller und weiter strahlen, haben laut einer Umfrage fast 40 Prozent der Fahrer über 50 Jahren Probleme mit unzureichender Sicht bei Dunkelheit. Da immer noch gut 90 Prozent aller Autos mit Halogenlampen unterwegs sind, bringt Philips jetzt eine neue Nachrüst-Leuchte mit dieser Technik. Sie strahlt 130 Prozent heller und bietet damit zum Beispiel bei Tempo 80 gut 45 Meter mehr Sichtweite. „Damit bekommt der Fahrer eine um zwei Sekunden längere Reaktionszeit, die im Ernstfall entscheidend sein kann“, sagt Stolk.
Doch auch er weiss, dass die Zukunft dem modernen LED- und Laserlicht gehört. Hier ist der Konzern, dessen Lampen europaweit in der Hälfte aller Autos eingebaut sind, gut unterwegs. Das Matrix-LED des Audi A 8 trägt ebenso das Philips-Markenzeichen wie die Mercedes LED-Scheinwerfer, die wegen ihrer vielen Anpassungsmöglichkeiten (Autobahn, Landstrasse usw.) „Intelligent Light“ genannt werden. „Wir arbeiten derzeit an einer preisgünstigen Lösung, die auch für kleinere und billigere Modelle geeignet ist, und bald serienreif ist“, berichtet der Chefentwickler. Das Luxeon LR 4 setzt auf eine standardisierte Lösung, die aufgrund ihrer Bauweise von den Autobauern kostengünstig genutzt werden kann. „Neben den Vorteilen für das Styling der Autos bietet diese Lampe eine längere Lebensdauer, die voraussichtlich länger ist als die des Autos selbst“, sagt Stolk.
Bei aller Zukunftsforschung und den daraus entstehenden Technik-Revolutionen: Die Carbrid-Funzel samt ihrer chemischen Entstehung wird heute noch verwendet. Zum Beispiel im Bergbau oder bei der Höhlenforschung.