Mit Tochter und Rundhauber auf der Abenteuer-Leben-Tour

Mit Tochter und Rundhauber auf der Abenteuer-Leben-Tour

In aller Ruhe hatten wir uns gestern Abend zum Schlafen in unsere Feuerwehr gelegt. Plötzlich wackelt der ganze Truck, es klopft lautstark gegen die Wand der Fahrerkabine. Ich schrecke aus dem Schlaf hoch, springe in meine Klamotten und husche von der Schlafkabine nach vorne in die Fahrerkabine. Durchs Seitenfenster blicke ich direkt in den Lauf eines Kalaschnikow-Schnellfeuer-Gewehrs. Holy Shit, zum Glück keine Kugel, nur ein einziger Gedanke schießt mir durch den Kopf:

„Allah sei Dank“ haben wir meine Tochter vor diesem Reiseabschnitt durch den Iran ausgeflogen.

Für weitere Gedanken an meine geliebte kleine Emilia bleibt keine Zeit. Ich öffne die Tür. Vier oder vielleicht fünf Soldaten in Uniform und ein „Zivilist“ drängen schwer bewaffnet in die große Fahr- und Wohnkabine unsere Feuerwehr. Es scheint iranisches Militär zu sein. Die Belutschen – ihres Zeichens die Waffen- und Drogenhändler der Region sowie Herren über das Dreiländer-Eck Iran-Afghanistan-Pakistan – hätten wahrscheinlich kurzen Prozess mit uns gemacht.

Eine Verständigung ist nicht möglich: Die nächtlichen „Besucher“ sprechen kein Englisch, Deutsch schon gar nicht. Wir kein Persisch. Die Situation entspannt sich trotzdem langsam auf beiden Seiten. Die Soldaten sind scheinbar froh auf ihrer nächtlichen Patrouille nicht in eine Falle der Belutschen geraten zu sein, bleiben aber trotzdem argwöhnisch.

Mein Freund Krischan und ich werden kurzerhand zur nächsten Militärbasis der Iraner eskortiert. Zum Glück ist unser zum 4*4-Expeditions-Truck umgebautes historisches Feuerwehrauto immer sofort abfahrbereit. Wir folgen dem Allrad-Pickup der Iraner, dessen riesiges Maschinengewehr auf einem Dreibein der Ladefläche direkt auf uns gerichtet ist.

In dem Militärcamp versucht der wortführende „Zivilist“ zu erkunden wer wir sind und was wir hier in dieser wüstenähnlichen, einsamen Hochebene des Iran nahe (zu nahe?) an Belutschistan verloren haben. Aussichtslos. Wir können alle nur mit Händen und Füßen gestikulieren und ahnen was der andere meint. In den frühen Morgenstunden werden wir mit unserer Feuerwehr weiter eskortiert nach „Kerman“, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz des Iran.

Dort werden wir von dem „Zivilisten“ und seinen Soldaten in ein großes Gebäude „gebeten“. Offensichtlich der Geheimdienst. Stundenlang warten wir in einer Wachstube. Unsere Handys haben wir noch, setzen letzte SMS mit unserer Position und Situation ab, bis wir in den Keller eskortiert werden. Die sterile, weiß geflieste Atmosphäre der Kellertreppe erinnert an einen Chile-Pinochet-Folter-Film. Unten vier vergitterte Türen. Wir treten durch die einzig „normale“ Tür in einen großen Raum. Mehrere „Zivilisten“ sitzen da herum, eine schwarz verschleierte Frau in der Mitte. Sie spricht Englisch.

Viel Fragen in einer angespannten Zeit. Dem Iran wurden Ultimaten gestellt zur Einstellung seiner Uran-Anreicherung. Die Angst vor Atomwaffen des Iran sitzt tief im Westen und in Israel. Amerikanische Flugzeugträger und englische Kriegsschiffe patrouillieren im Persischen Golf. Scharmützel zwischen den Kontrahenten an den Grenzen verschärfen die Lage fast täglich. Die Situation steht auf des Messers Schneide. Und wir beide mitten drin im Keller des iranischen Geheimdienstes. Na Prost.

Irgendwie schaffen wir es den Anwesenden während der „Befragung“ glaubhaft zu versichern, dass wir nur Touristen sind. Keine Spione oder was auch immer. Auch meine große, professionelle Fotoausrüstung mit fettem Tele-Objektiv stört sie daran nicht weiter. Ob unser „alter“ Truck, unser hier alltäglicher Mercedes Rundhauber, für uns spricht? Oder dass wir Deutsche sind und nicht die verhassten Engländer oder Amerikaner? Final nehmen sie all unsere Daten auf, notieren Handynummern, empfehlen uns Belutschistan künftig zu meiden und lassen uns laufen.

Ufff!

Erleichtert, befreit, ja euphorisch treten wir wieder aus dem dunklen Keller hinaus ins gleißende Tageslicht von Kerman, in die Freiheit. Wir fassen es kaum. Wir starten unsere geliebte, so unglaublich zuverlässige Feuerwehr, unseren treuen Begleiter, unser mobiles Zuhause. Wie immer – von minus 30 bis plus 50 Grad – springt sie dankbar sofort an und wir fahren nichts wie weg. Schnell weg. Uns wird klar, dass wir hier im Iran locker ein Jahr lang in einem Keller verschwinden können, ohne jede rechtsstaatliche Behandlung, ohne dass irgendjemand irgendetwas für uns tun könnte.

Vorbereitung und Abfahrt in Deutschland

Ähnlich befreiend, euphorisch und voller Entdeckergeist haben wir vor gut zwei Monaten unsere Reise in Deutschland gestartet. Wir, das sind meine sechs Jahre alte Tochter Emilia und ich, Norbert Blank: Welt-Abenteurer, Fotograf und Filmer, Kajak Guide und Kitesurf-Instruktor, Erlebnis-Pädagoge, Buchautor und Maschinenbau-Ingenieur (mit viel Erfahrung aus der Audi-Fahrwerks-Entwicklung).

Im Garten unseres idyllischen Hauses am Alpenrand südlich von München hatte ich in wenigen Monaten die alte Feuerwehr grundlegend umgebaut, technisch auf modernen Stand gebracht, um viel Gewicht erleichtert und zu unserem 4×4-Expeditions-Wohnmobil ausgebaut.

Acht Monate vor Emilias Einschulung, Anfang Januar, ausgerechnet beim ersten starken Schneefall, geht es los. Wir klettern auf unsere luxuriösen, pneumatisch gefederten Isringhausen-Sitze und rollen über die Alpen Richtung Venedig.

Wir reisen mit dem „alten Rundhauber“ leise, zügig und komfortabel: Ich wollte meiner Tochter und mir den Lärm, Diesel-Gestank, Zugluft, die Hitze und Kälte im Cockpit eines originalen „LAF Mercedes 1113 B“ Baujahr 1973 nicht zumuten. Mit allen technischen Tricks aus der Ingenieurs-Kiste sowie zwanzig Jahren Weltreise- und Offroad-Erfahrung mit Auto und Motorrad hatte ich das für mich perfekte, leichte, von den Abmessungen her überschaubare 4×4-LKW-Wohnmobil gebaut. Es kommt in Sachen Komfort an moderne LKW heran. Ist extrem geländegängig, sehr zuverlässig, praktisch unkaputtbar, hat kaum Elektronik, ist überall auf der Welt reparabel, sieht nicht nach viel Geld aus und ist sehr liebenswert!

Die ersten Stationen unserer Route gen Irak: Italien – Griechenland – Türkei

Vor allem Emilia liebt ihre Feuerwehr. Wir reisen kindergerecht. Mit kurzen Strecken und viel Pausen: Während derer spielt Emilia mal gerne mit ihrem „Herrn Affi“ Schach auf dem Bett. Während der Fahrt hört sie oft ihre Kinder-Kassetten. Wir spielen viel, machen Quatsch, bewegen uns viel, staunen, entdecken. So erreichen wir langsam Venedig. Emilia staunt, dass hier sogar der Postbote mit dem Schiff kommt. Am Markusplatz startet der Entdecker Marco Polo im Jahr 1271 zu seiner Expeditionen nach Osten. Auch für mich ist dieser Platz der Beginn einer neuen großen Expedition: Mit der enormen Verantwortung für meine sechs Jahre junge Tochter auf unserer gemeinsamen Reise gen Osten. Und mit all den Chancen, die sich dadurch bieten.

Die Reiseroute ist erst einmal nur bis in den Iran klar. Für den sind die Visa fix gemacht. Ob es danach weitergeht Richtung Indien, Himalaya, Mongolei … mal schauen…

In Venedig warten wir drei Tage auf einen Platz für die Fähre nach Patras/Griechenland. Unsere Feuerwehr ist nur “halb fertig“ geworden. So Kleinigkeiten wie das Cabrio-Dach der Wohnkabine und die moderne Feststellbremse vom Mercedes 1017 wurden im Schneefall in „letzter Minute“ vor Abfahrt montiert. Standheizung und Zusatz-Diesel-Tanks sind noch nicht angeschlossen, die Küche noch nicht vorhanden. Als ich über die Kälte beim Abwaschen mit unserer Ortlieb Waschwanne, im eisigen Freien, am Boden des Campingplatzes, klage, meint Emilia nur: „Papa, das ist doch nicht schlimm.“

Die Überfahrt von Venedig nach Patras vertreiben wir uns im Schachspiel mit rumänischen und griechischen Fahrgästen. Die Internationalität des Unternehmens – ich taufe es „Abenteuer-Leben-Tour“ – zeichnet sich ab. So erreichen wir Griechenland. Von Athen zur griechischen Insel „Chios“ und nach „Cesme“ in der Türkei werden die Schiffe immer kleiner. Die letzte Fähre ist mit unserem LKW als einziger Gast randvoll beladen und schaukelt mächtig im winterlichen Sturm. Emilia freut sich an den tollen Wellen.

Im Schnee donnert die „Freiwillige Feuerwehr Wachtendonk“ vorbei an dem touristischen Highlight der Türkei: Pamukkale. Dank Allrad und der guten Continental HTC Einzel-Bereifung kein Problem. Die zeigen ihr Können auch auf den ersten Pisten und Sanddünen der türkischen Mittelmeerküste, bei angenehmen Frühjahrs-Temperaturen und Sonnenschein.
Im super schönen Klettercamp Josito stößt Wiltrud, Emilias Mama, zu uns. Sie kann aus beruflichen Gründen immer nur sporadisch und kurz einfliegen. Wir ordnen das Chaos in unserem Auto ein wenig und installieren die Küche: Sprich kaufen auf dem Basar bei landestypischem Cey (Tee) einen original türkischen Gasherd inklusive Gasflasche, Zuleitungen, Absperrhahn … und bauen alles ein. Fertig ist das Allrad-Wohnmobil – mit Gasherd aus Türkei, Freilaufnaben aus Brasilien, GPS aus USA und einem Qualitätsaufbau aus Holz, unsere Wohnkabine Made in Jachenau, einem „entlegenen“ Tal im Süden Bayerns.
An der türkischen Südküste lassen es wir uns gut gehen: Chillen, Baden, ein wenig Sightseeing, Lesen, Spielen, gut Essen und Trinken … und einfach überall stehen bleiben und übernachten, wo es uns gefällt. Wir sind absolut unabhängig mit unserem hochbeinigen, noch mal höhergelegten Allrad-Wohnmobil: fahren direkt an den Strand, durch den Sand, zu den schönsten Plätzen. Unabhängig von Strom- und Wasserversorgung. Einfach Leben pur.
Mitte Februar fliegt Wiltrud mit Emilia zurück nach Deutschland. Ich ziehe solo durchs anatolische Hochland – auf Touren-Skiern zum Gipfel des „Nemrut Dagi“, zu Fuß durch die 12.000 Jahre alte Stadt „Hasankeyf“, durchs Zweistromland Euphrat und Tigris, durch schwer bewaffnetes Kurdenland …
…und wieder mit dem Schiff (einer der wenigen Eisenbahnfähren der Welt) über den Van-See zur Iranischen Grenze.
In der türkischen Tagespresse erscheint begleitend ein bebilderter Artikel über das Unternehmen „Abenteuer-Leben-Tour“. Erste Kinderspielsachen und Winterbekleidung aus unserem Hilfspool wechseln die Besitzer: Die Freude unter den kurdischen Kindern ist riesig.
Mein Freund Krischan fliegt nach Van in der Nord-Ost-Türkei ein. Uns erwarten minus 30 Grad und jede Menge liegen gebliebener LKWs am biblischen Berg Ararat.

Dank unserer Dieselheizung für uns Menschen (und einer für den Kraftstoff-Filter) bleiben wir weitgehend (nicht ganz, wir mussten die Heizung erst anschließen, das hilft!) von den Problemen der anderen LKW-Fahrer verschont, die Feuerchen unter Motoren, Diesel-Leitungen und Filtern schüren – zur Entsulzung ihres Kraftstoffes.

Der Iran, Achse der Höflichkeit

Die vom Ex US-Präsidenten George W. Bush sogenannte “Achse des Bösen” empfängt uns mit dem freundlichsten, höflichsten und korrektesten Grenzübertritt aller Zeiten. Hinter dem türkischen Schlagbaum begrüßt uns eine nette junge Frau des iranischen Zolls (brauner Umhang, braunes Kopftuch, moderne Brille, ultra modernes Handy) und führt uns galant in ihr Office. Dort heißt sie uns in bestem Englisch in ihrem Land Willkommen, erläutert alle Schritte der Grenzformalitäten, versieht uns mit Bergen von Hochglanz Infomaterial und begleitet uns zur Bank zum Geldwechsel. Selbstverständlich überprüft sie für uns den Umtauschkurs und zählt für uns die drei Millionen “Rial” nach.

Passkontrolle und Fahrzeugkontrolle sind flugs erledigt, die Visa werden für gut befunden und die Einreise genehmigt. Das „Carnet de Passages“ wird gestempelt (Das „Carnet de Passages en Douane“ ist ein Zolldokument, das das Kraftfahrzeug eines Reisenden oder andere wertvolle Ausrüstung oder Gepäckstücke identifiziert. Es ist erforderlich, um ein Kraftfahrzeug in eine bedeutende, aber abnehmende Anzahl von Ländern auf der ganzen Welt zu bringen. In Arabien / Persien / Asien ist das Dokument noch oft erforderlich, in Lateinamerika nicht mehr. Das „Carnet de Passages“ ist mit einer oft nicht unbedeutenden Bankbürgschaft für den Fahrzeugwert verbunden – also je weniger das Fahrzeug wert, desto besser im Fall der Fälle: Diebstahl, Totalschaden oder einfach kein Ausreisestempel auf dem Carnet … dann ist das Geld weg)

Die nette junge Frau des iranischen Zolls ruft für uns noch den Versicherungsmenschen zwecks Abschluss der KFZ Haftpflichtversicherung (die Gültigkeit der grünen Versicherungskarte endet hier) … und los geht‘s in die “Islamic Republic of Iran”.

Plötzlich sind wir mitten drin in der so schlimmen “Achse des Bösen”. Alles Quatsch. Wir wurden ständig zum Tee, zum Essen, zur Shisha und von wildfremden Iranern zu sich nach Hause eingeladen. Überall freundlichst begrüßt und herzlich, weltoffen Willkommen geheißen.

Unser Auto wurde von Mercedes gratis auf Vordermann gebracht, wir waren genial Skifahren in den magischen Bergen und skurrilen, historisch anmutenden Skigebieten oberhalb von Teheran, haben die Wüsten „Dasht e Kavir“ und „Lut“ durchquert, die fantastische Stadt Esfahan, die einmalig schönen Basare und die reichen architektonischen und kulturellen Schätze der Persischen Kultur erleben dürfen.

Wären da nicht die Keller des iranischen Geheimdienstes gewesen! Achtung bei Mullahs und Militär. “Paradies and Prison” – so kann man die widersprüchlichen und einmaligen Erfahrungen im Iran wohl beschreiben, die alle zu schildern ein Buch füllen würde.

Eine Reise in Bildern und Worten zu den Menschen des Iran war es …, intensive und einmalige Begegnungen jenseits aller Klischees und Vorurteile.

Unser besonderer Dank geht an Matthias Muth von der Deutschen Bank (Niederlassung Teheran) und an Wolfgang Obst und seine Mitarbeiter von Mercedes-Benz Iran sowie an die Mercedes Werkstatt der „Gholami Brothers“ in Teheran / Karaj. Vielen Dank für die super Hilfe, die selbstlose Unterstützung, die tollen gemeinsamen Stunden und die rundherum Top Wartung unseres Feuerwehr-Trucks!!! Er läuft besser, runder und zuverlässiger denn je – einfach super.

Auch unsere speziell angefertigten „Wildwasser-Kajaks“ wurden von den coolen Mechanikern der „Gholami Brothers“ in Teheran endlich an unsere Diesel-Kraftstoff-System angeschlossen. Diese zwei Wildwasser-Kajaks wurden vom Hersteller „Rikutec-Eskimo“ für uns modifiziert und kamen als Zusatz-Kraftstoff-Tanks mit zusammen circa 500 Liter zum Einsatz. Dank ihrer Hilfe können wir die riesigen Entfernungen zwischen den iranischen Tankstellen (die mit Kraftstoffvorrat !) locker überbrücken und unauffällige große Mengen günstigen Diesels über Grenzen bewegen. Der Liter Diesel kostete im Iran 1,4 Cent (Cent von dem Euro !!!). Wasser ist viel teurer. Unsere 800 Liter Diesel zu füllen kostete circa 11 Euro – einsame Weltspitze! (Leider war der Deutsche TÜV später nicht so begeistert von der Tank-Lösung wie die Iraner und ich, hat sich aber super bewährt!)

Mein Freund Krischan fliegt vom Süd-Iran, Airport „Bandar Abbas“ zurück nach Hause. Ich setze mit der Fähre vor dort nach Dubai über. Über diese drei nervenzehrenden Tage Zoll-Prozeduren, Verschiffungsdokumente und Ausreise (auf Persisch) könnte ich locker ein weiteres Buch füllen.

Emirate und Oman

In Dubai sitze ich mit einem Espresso am Straßenrand und staune über die Italienerin im Minirock, die vor den Wolkenkratzern aus ihrem Ferrari aussteigt. Und bin froh wieder “sicheren” Boden unter den Füßen zu haben. Eine andere Welt. Krass nach der Zeit der Verschleierung und auch der Angst im Iran.

Dubai empfinde ich persönlich als wirklich krass: Wachstumsmetropole Nr.1: Glitzerstadt, Mega-Baustelle, Ressourcen- und Energie-Vernichtung im großen Stil, moderne Sklaverei an den Heerscharen ärmster Inder und Pakistani, die dort 24 Stunden 365 Tage im Jahr im Dienste der “Herren der Wüste” arbeiten – unter zum Teil unmenschlichen Bedingungen. Aber auch imponierend was da so steht: Von der Skihalle bis zur künstlichen Kajak- und Rafting-Strecke, von Shopping-Malls bis Palmeninsel. Emilia fliegt (mit Wiltrud) wieder ein. Und wir genießen das Reisen durch die Vereinigten Arabischen Emirate bis hinauf in den Oman, die Halbinsel Musandam.
Die wilden Berge und wunderschöne Küste von Musandam sind ein echtes 4×4 Eldorado. Unser Truck ist klein und wendig genug für die Bergpisten. Wir sind wochenlang – wie die traditionellen Omani – als „Nomaden“ mit unserem Diesel-Kamel unterwegs … von einem Traum-Platz und einer Traum-Offroad-Strecke zur nächsten.

Vor der beginnenden sommerlichen Hitze auf der arabischen Halbinsel fliehen wir in die Hatta-Pools, einem natürlichen Canyon mit kristallklarem und eiskalten Wasser. Aus unserer Isomatte bauen Emilia und ich ein Floß und wir schwimmen und tauchen den ganzen Canyon entlang. Emilia und ich verbringen weitere traumhafte Wochen zusammen, tagsüber oft am Meer, die Abende, Nächte und Morgenstunden irgendwo in der Wüste auf einer Sanddüne.

Reisen bedeutet:
● sich Einlassen auf Neues
● offen sein für Veränderungen
● bereit sein zum Umdenken

Wohin und wie geht es weiter mit unserer Reise? Darüber zerbreche ich mir immer wieder den Kopf. Die wunderbare Langsamkeit unseres Vorankommens und die bevorstehende regenreiche Monsunzeit in Indien lassen uns von …

● Option 1, dem Weg via Verschiffung mit einer Drau nach Indien und weiter über Himalaya in die Mongolei zur Transsibirischen-Eisenbahn, Abschied nehmen.

● Option 2: Zurück in den Iran und über Belutschistan nach Pakistan und von da nach Indien fahren … da ist mir „unwohl“ nach den Erfahrungen und der großen Gefahr einer Durchquerung Belutschistans,.

● Option 3. Noch in den Jemen: Wäre cool, mega interessant, aber Risiko unkalkulierbar!

Dafür öffnen sich neue Tore in unbekannte, unerreichbar geglaubte Welten:

● Option 4 tut sich nach langer Recherche und Vorbereitung auf: Das Transit-Visum für Saudi Arabien ist in unsere Reisepässe gestempelt. Los geht’s!

Wir sind am mit unserem Allrad am Rande der „Rub al-Chali“ angekommen. Sie ist die größte Sandwüste der Erde. Die fast menschenleere Wüste bedeckt das südliche Drittel der Arabischen Halbinsel. Die Temperaturen sind mittlerweile auf Tageshöchstwerte von plus 50 Grad angestiegen (im Schatten) – nachts „kühlt“ es auf unter 40 Grad ab. Emilia habe ich eben wieder ausgeflogen. Mein Freund Ekke fliegt ein und wir schaufeln gerade die Feuerwehr in der riesigen „Moreeb-Düne“ nahe den „Liwa-Oasen“ aus.

Und fliegen mit dem Gleitschirm über das Meer aus Sand. Alles nur am frühen Morgen – wegen der unerträglichen Hitze. In Küstennähe – am Persischen Golf – kommt noch die enorm hohe Luftfeuchtigkeit dazu: abartig. Wirklich menschenfeindlich.

Saudi Arabien

Wir stehen an der Grenzstation zu Saudi Arabien. Angespannt.

72 Stunden geben uns die Behörden des “Mekka” des Islams für die 1891 km einmal quer durch die ganze arabische Halbinsel in Richtung Jordanien. Was mit uns passiert, wenn wir dieses Zeitlimit nicht einhalten werden, kann oder will uns niemand sagen… Als freundlich gegenüber “Nichtgläubigen” und dem Tourismus aufgeschlossen gilt SaudiArabien nicht.

Berichte von religiös motivierten Gewalttaten an Ausländern lassen mich erstmals in meinem Leben unsere kompletten Reisedaten an die zuständige Deutsche Botschaft in Riad übermitteln – die unerwartet kooperativ und hilfsbereit ist. Man rät uns wenig anzuhalten, nicht von der empfohlenen Route abzuweichen und die Botschaft sofort zu informieren, wenn wir in Jordanien angekommen sind.

Ist das ein gutes Zeichen?

Wir entfernen gründlich alle religiösen Symbole aus unserem Camper (Tibetische Gebetsfahnen, Buddha-Statue, Che-Poster, alles was einem Kreuz ähnelt …). Wir beseitigen jede Art von Alkohol – sogar den Türschlossenteiser. Wir prüfen jede Zeitschrift, jedes Buch, Laptop und Fotospeicherkarten auf „Pornographie“ – sprich die Andeutungen weiblicher nackter Haut – denn uns droht dafür nach der “Sharia” in Kürze Gefängnis, Prügelstrafe, Auspeitschung oder Schlimmeres. Das mit dem Türschloss-Enteiser mag übertrieben wirken, aber im Falle des Falles wollen und können wir nicht auf “Hilfe von Außen” oder “gerechte Behandlung” (in unserem Sinne) vertrauen…

● Vor uns liegen 1891 km absolut lebensfeindliche Wüste bei bis zu 50 Grad
● Durch absolut „Ungläubigen“ feindliches Gebiet
● Von „As Sila`“ in „Abu Dhabi“ bis „Al-Azraq“ in Jordanien
● Vorbei an Katar, Bahrain und entlang der Grenze des Irak

3. Juni: Fünf wertvolle Morgen-Stunden warten und verlieren wir schon an der Grenzstation in der LKW-Schlange. Tagsüber können wir nicht fahren, es ist zu heiß. Unsere Feuerwehr hat auch keine Klimaanlage. Soviel Wasser wie nötig wäre, können wir gar nicht trinken. Und tonnenweise geplatzte und zerfetzte Reifen am Straßenrand lassen uns Warnung genug sein.

Wir fahren fast nur nachts und in der Dämmerung.

In einem Land, wo Frauen nicht am Steuer eines Fahrzeugs sitzen dürfen, fahren wir auf „DER“ großen LKW-Transitstrecke durch die arabische Halbinsel. Wir sind zu zweit, ein Team. Ekke und ich wechseln uns regelmäßig beim Fahren ab. Tagsüber warten wir irgendwo, wo es Schatten gibt, auf den zu erwartenden Kreislaufkollaps oder die abendliche “Abkühlung”.

Betrachtet werden wir skeptisch, argwöhnisch, feindlich. Wir verstecken uns mit unserem Rundhauber Mercedes beim Halt oft zwischen den vielen anderen Rundhaubern. Diese sind – wegen ihrer Robustheit – überdurchschnittlich oft vertreten. Jeder zweite LKW ist einer von unserer Sorte.

So gerne ich barfuß den LKW steuere – der Fußraum ist so heiß, dass ich mir dabei schier die Füße verbrenne. Grenzwertig – oder wie Ekke meint: “Mit Klimaanlage hast du die Wüste nicht wirklich kennengelernt.” Wie die irakischen Flüchtlinge, die wir immer wieder auftauchen sehen, hier im glühenden Nichts ohne Schatten überleben können, ist mir rätselhaft. Wahrscheinlich tun sie es nicht.

Wir kommen uns vor wie Außerirdische, wie auf einem anderen Stern, fahren durch endlose Geröll-Wüste in einer Welt, die weit jenseits unserer Lebensgewohnheiten, Rechtsprechung und Glaubensvorstellungen liegt. Angesprochen werden wir nie. Frauen scheinen im Alltagsleben nicht existent, wenn dann erscheint kurz ein Schatten von Kopf bis Fuß schwarz verhüllt. Nur ein Auge – mit einem Netz überdeckt – bleibt ihnen frei zum Sehen.

Nach 48 Stunden erreichen wir die jordanisch-saudische Grenze: sicher ein Rundhauber-Strecken-Rekord.

Die Ausreise steht wohl unter dem Motto: “Raus aus unserem Land, ihr ungläubigen Hunde”. Nach zehn Minuten sind alle Formalitäten an der Grenze erledigt und SaudiArabien liegt hinter uns. Zu schnell – und trotzdem sind wir unglaublich erleichtert, befreit. Was für eine Erfahrung. Inklusive eines nächtlich Kurzschlafes des Fahrers mit Ausflug (im wahrsten Sinne) vom Asphalt in die Wüste … Wir feiern künftig einen zweiten Geburtstag.

Jordanien: unser Feuerwehr LKW trägt seinen Staub mit Stolz ins Paradies

Nach den letzten 48 Stunden sind Jordanien und seine Bewohner der “Siebte Himmel”, das Paradies. Und so wird es auch bleiben die nächsten Wochen. Ekke und ich liegen nach dem Transit durch SaudiArabien in Jordanien mit einem kühlen Bier unter schattigen Bäumen am Swimming-Pool. Die komprimierte Schönheit der arabischen Welt, der „Orient light“, liegt uns zu Füßen, immer gepaart mit dem von Herzen kommenden Gruß: “Welcome to Jordan”.
Unser alter roter Feuerwehr LKW trägt seinen Staub mit Stolz. Ohne irgendeine Panne hat er von minus 30 bis plus 50 Grad alle Strapazen erduldet. Sich mit seinem Allrad, geringem Gewicht, simpler Technik und den breiten Reifen durch Sand und Schnee, über Asphalt und durch Flüsse hindurch gezogen. Zuverlässig, schnell, komfortabel. Ist Haus, Fortbewegungsmittel, Lastesel, Treibstofflager, Fotostativ, Begleiter, Freund. Ein wenig Wartung und Ölwechsel: Das war‘s!
Ekke hatte nur eine intensive Woche Zeit. Er fliegt von Amman, der Hauptstadt Jordaniens nach Hause. Was haben wir in so kurzer Zeit zusammen erlebt! Mein Papa kommt mit seiner Enkelin Emilia eingeflogen. In drei Generationen vereint reisen wir mit unserem Feuerwehrauto kreuz und quer durch Jordanien: Wunderbar.
Wadi Rum, Petra, Totes Meer, Rotes Meer … die Liste der Fotomotive und Offroad-Strecken in Jordanien scheint endlos. Das milde, mediterrane Klima, das leckere Essen und die Düfte betören. Die Tage unter dem wolkenlosen Himmel, die sternenklaren Nächte vergehen viel zu schnell. Es ist wie ein Märchen aus „Tausend und einer Nacht“.
Emilia will sich auf die Schule vorbereiten und schreibt, rechnet, malt im Schatten unter dem LKW oder wo immer sie Lust hat. Ganz Jordanien und seine landschaftliche Größe scheint ein riesiger Abenteuer-Spielplatz für Kinder und Offroad-Liebhaber zu sein. Nie ist man wirklich weit weg von der „Zivilisation“ – falls doch mal was passiert. Und doch weit genug weg von Allem.

Mein Papa fliegt wieder aus. Emilia und ich verbringen noch viel mehr unfassbar schöne, intensive Zeit zusammen. Unser wegfahrbares Cabrio-Dach über der Schlafkabine kommt wieder oft zum Einsatz. Einschlafen im bequemen Bett unter dem Sternenhimmel der Wüste. Wahnsinn.

Nach „Hause“

Oh diese Bürokratie: Ich darf ohne mein Fahrzeug nicht aus Jordanien ausreisen. Aber ein syrisches Visum zur Weiterreise erhalte ich nur und ausschließlich in Deutschland. Sprich eigentlich bin ich im Paradies eingesperrt. Emilia meint nur: “Alles wird gut, Papa”. Mit dieser netten Problemlösungs-Aufgabe und einigen weiteren Hindernissen verabschiede ich mich aus “Middle East” – bis zur nächsten Folge von “Wunder der Bürokratie” !

Dank meines 2. Reisepasses und Support von Wiltrud, Emilias Mama, ging es weiter. Wie immer im Leben findet sich ein Weg – und wir machen uns über das noch intakte Syrien (vor dem Krieg) mit Damaskus und seiner wunderschönen großen Moschee auf die Rückreise – wieder über die Türkei, Griechenland und Italien.

Ganz langsam.

Unsere Feuerwehr gab uns etwas, was man mit Geld nicht kaufen kann: Eine einmalig schöne Zeit!

Autor und Fotograf dieser Story ist Norbert Blank.. Mehr zu Norbert findest du hier:
https://www.bilder-botschaften.de und hier https://www.ecuador-kajak.com

Norbert verkauft seinen Mercedes LAF 1113B 4×4 Expeditions LKW übrigens, hier weitere Infos dazu oder hier

Tajik Rally – Die Mutter aller Abenteuer

Tajik Rally – Die Mutter aller Abenteuer

Tajik Rally – Die Mutter aller Abenteuer

 

Die Brüder Stephan und Michael Bischof hätten sich auch für einen gemütlichen Strandurlaub entscheiden können. Das wollten sie aber nicht. Stattdessen haben sie sich für die «Tajik Rally», die Mutter aller Abenteuer entschieden. Sie führt 10’000 Kilometer von München nach Duschanbe, die Hauptstadt von Tadschikistan.

Ein Reisbericht von Michael und Stephan Bischof

Bei der «Tajik Rally» gibt es keinen Sieger. Gewonnen haben alle, die ihr Fahrzeug innerhalb eines Zeitfensters von zwei bis vier Wochen intakt in Duschanbe abliefern. Der Weg ist das Ziel. Es gibt keine vorgeschriebene Route, keine Checkpoints und auch keine Begleitfahrzeuge. Bleibt man auf der Strecke liegen, ist jedes Team auf sich allein gestellt. Und das ist nicht mal so abwegig. Denn es gibt Schotterpisten und Flüsse ohne Brücken zu überwinden sowie Wüsten zu durchqueren.

Bei der Tajik Rally steht die Wohltätigkeit im Zentrum. Jedes Starter-Team muss mindestens 750 Euro für den guten Zweck sammeln. Zudem wird das Fahrzeug vor Ort in Duschanbe versteigert. Das Land gilt als einer der ärmsten der ehemaligen Sowjetunion. Über ein Drittel der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. In Tadschikistan fehlt es an vielen für uns selbstverständlichen Dingen wie Wasser oder Medikamenten. Jeder Euro kommt den Projekten der Caritas in Tadschikistan zugute.

Mit der Tajik Rally haben wir einen Weg gefunden, unsere Abenteuerlust mit einem guten Zweck zu verbinden. Leidenschaft, Begeisterung und Hilfsbereitschaft liegen nicht weit voneinander entfernt, in diesem Fall 10’000 km!

Die Vorbereitung

Bevor es losgeht, investieren mein Bruder Stephan und ich (Michael) beinahe jede freie Minute in die Vorbereitung. Die grössten Herausforderungen besteht darin ein geeignetes Fahrzeug zu finden und die zahlreichen Visa zu beantragen. Der Zoll in Tadschikistan nimmt es sehr genau. Für viele Automarken wie Chrysler, Daihatsu, Fiat, Ford, Renault, Ford, Skoda, Suzuki u. a. existiert ein striktes Einfuhrverbot. Zudem muss unser Fahrzeug ein Benziner sein und das Datum der Erstzulassung nicht vor 2006 liegen. Unsere Wahl: ein weisser VW Caddy 1.6l Benziner, Baujahr 2008 mit 140’000 km.

In unzähligen Stunden wird der VW Caddy schliesslich rallyetauglich gemacht. Wir sägen, bohren, streichen, montieren und verkabeln. Auf dem Dachträger von MTS, der uns die Bott Schweiz AG und Schneider Fahrzeugseinrichtungs GmbH grosszügig zur Verfügung stellt, werden LED-Scheinwerfer angebracht. Die Industriegarage AG in Winterthur montiert einen zusätzlichen Unterbodenschutz, den wir auf der Strecke dringend brauchen. Für die Ladenfläche fertigen wir aus Holz eine Bettkonstruktion, die sich mit einigen Handgriffen rasch in eine Sitzbank umfunktionieren lässt.

Am meisten Bauchschmerzen bereiten uns das Beantragen der diversen Visa. Wir entscheiden uns für die Südroute durch die Türkei, Georgien, Aserbaidschan, den Iran, Turkmenistan, Usbekistan und Kirgisistan nach Tadschikistan. Die Einreise-Dokumente reichen von unzähligen Antragsseiten über eine vom Aussenministerium genehmigte Einladung bis hin zu den eigenen Fingerabdrücken.

Am Schluss wird es noch eine richtig knappe Angelegenheit mit den Visa für Turkmenistan. Nur ein paar Tage vor unserer Abreise erhalten wir die Einreise-Bestätigung vom Amt für auswärtige Angelegenheiten aus Turkmenistan.

Der Startschuss ist gefallen

2. September, 2018: Die «Tajik Rally» wird offiziell gestartet. Insgesamt wagen sich 40 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit 18 Rallye-Autos an die Mutter aller Abenteuer. Von München geht es zuerst über Österreich und Ungarn nach Rumänien.

Tajik Rally

In Viseu de Sus, im Norden Rumäniens an der ukrainischen Grenze, treffen sich nochmals alle Rallyeteilnehmer zur gemeinsamen Checkpoint-Party. Danach trennen sich unsere Wege. Die meisten Teams schlagen nicht wie wir die Süd-, sondern die Nordroute durch die Ukraine, Russland und Kasachstan nach Tadschikistan ein.

Transfogarascher Hochstrasse – die spektakulärste Panoramastrasse Rumäniens

In Rumänien erwartet uns bereits das erste Rallye-Spektakel – die Transfogarascher Hochstrasse. Berühmt wurde die atemberaubende Strasse, weil der ehemalige «Top-Gear»-Moderator Jeremy Clarkson sie als schönste Strasse der Welt bezeichnete. Jetzt wissen wir auch warum: In unzähligen Spitzkehren und Haarnadelkurven windet sich die Strasse auf den Bâlea-Pass. Auf der Passhöhe in 2042 Meter Höhe werden wir mit einem traumhaften Ausblick belohnt.

Tajik Rally  

Die Tücken mit der türkischen Maut

Von Rumänien aus geht es dann über Bulgarien in die Türkei. Dort wird für die gebührenpflichtigen Autobahnen eine sogenannte HGS-Vignette benötigt. Diese Vignette enthält einen elektronischen Chip, den man vorher mit einem Betrag seiner Wahl auflädt. Doch wo kaufen? Auf der Post. Wären da nur nicht die sprachlichen Barrieren! Trotzdem schaffen wir es irgendwie eine HGS-Vignette zu bekommen.

Der Küste entlang nach Georgien

Von der Küste des Schwarzen Meeres geht es nach Georgien. Als wir uns beim Eindunkeln dem türkisch-georgischen Grenzposten Sarp/Batumi nähern, fahren wir an einer endlos langen Lkw-Kolonne vorbei. Die Blechlawine vor dem Gotthardtunnel ist im Vergleich dazu ein Kindergeburtstag. Wir befürchten für unseren Grenzübertritt Schlimmes.

Am Grenzposten bestätigen sich leider unsere Vorahnungen. Nur schon bis zur ersten Schranke vergehen über eine Stunde. Und das ist erst der Anfang: Beim Grenzübergang muss sich der Beifahrer alleine zur Passkontrolle begeben. Der Fahrer hat im Fahrzeug zu warten. In der Annahme, dass alles nach fünf Minuten erledigt ist, packt Stephan sein Handy nicht ein. Ein Fehler, denn der Beifahrer darf nicht mehr zum Fahrzeug zurück sondern muss einen ungefähr 200 Meter langen Durchgang aus Wellblech durchlaufen, der ihn genau zwischen den türkischen und georgischen Grenzposten führt. Und so werden aus den ursprünglichen fünf Minuten 105 Minuten bis Michael mit dem Fahrzeug die letzte Schranke auf der türkischen Seite passiert. Das gleiche Prozedere wiederholt sich dann nochmals auf der georgischen Seite. Der Grenzübertritt hatte uns alles in allem über drei Stunden gekostet.

 Wir machen uns auf den Weg in die Hauptstadt Georgiens nach Tbilissi. Auf den Autobahnen geht es zu wie im wilden Westen. Es wird gedrängelt, gehupt und auch mal auf dem Pannenstreifen überholt. Drei Fahrzeuge auf zwei Fahrspuren sind nichts Aussergewöhnliches. Auf den Landstrassen zeigt sich dagegen ein völlig anderes Bild. Hier läuft alles ein wenig gemächlicher. Auch wenn nicht immer ganz freiwillig: Denn Kühe gehören in Georgien einfach zum Strassenverkehr. Ganz gelassen überqueren sie die Strasse und bringen den Verkehr dadurch immer wieder zum Erliegen. 

Vertrauen zahlt sich aus

Die Einreiseprozedur an der georgischen-aserbaidschanischen Grenze ähnelt der türkisch-georgischen Grenze. Schon ein paar Meter nach der aserbaidschanischen Grenze stehen Einheimische am Strassenrand, die uns anbieten Geld zu wechseln. Wir verzichten darauf – ein Fehler.

Während unserer Fahrt durch Aserbaidschan gehen uns nämlich die Getränke aus. Zu unserem Unbehagen nimmt der Tankwart aber keine US-Dollar, sondern nur die einheimische Währung. Ein Einheimischer bietet uns glücklicherweise an Geld zu wechseln. Und er hat uns nicht über den Tisch gezogen!

Über Stock und Stein

Der iranische Grenzposten in Astara liegt noch ungefähr 200 Kilometer entfernt, als auf einmal aus der Strasse eine Kraterlandschaft wird. An ein schnelles Vorwärtskommen ist nicht mehr zu denken. Es rüttelt und schüttelt nicht nur wie auf einer Chilbibahn. Für unseren Unterbodenschutz sind wir in diesem Moment äusserst dankbar, auch für den professionellen Dachaufbau. Ansonsten hätte unsere Reise wohl hier geendet. Erst nach einer Stunde beginnt wieder der asphaltierte Strassenteppich.

Foxtrail an der iranischen Grenze

Es ist 1.30 Uhr – vor uns der iranische Grenzposten in Astara. Wir haben schon beinahe alle Formalitäten erledigt, da stellten die Grenzbeamten fest, dass die Stempel für das Carne de Passage fehlen. Das Carne de Passage ist eine Bestätigung, dass wir unser in den Iran eingeführtes Fahrzeug auch wieder ausführen. Ansonsten wird es sehr kostspielig. Doch der Schalter für diesen Stempel öffnet erst um 8 Uhr, also in 6 Stunden. Wie bitte? Leider Tatsache! Ein Zollbeamter ist so freundlich und bietet uns an, dass wir das Auto auf dem Parkplatz des Grenzpostens abstellen und in der Moschee schlafen können. Aus Dankbarkeit verteilen wir Schokolade an die beiden anwesenden Zollbeamten.

Tajik Rally

Teheran by night

Der Stempel für das Carne de Passage ist keine grosse Sachen. Und so geht es in Richtung Teheran. Dort angekommen, erstrahlt die ganze Stadt im warmen Licht des Sonnenuntergangs. Wir entscheiden uns aufgrund von Empfehlungen im Internet, die bevorstehende Nacht in einem öffentlichen Park im Westen Teherans zu verbringen. Der Park erstreckte sich über mehrere Quadratkilometer – der Ausblick auf den künstlich angelegten See und die Skyline ist einfach atemberaubend.

Mitten in der Nacht werden wir unsanft aus unseren Träumen gerissen. Da leuchtet doch tatsächlich jemand mit seiner Taschenlampe in unseren Bus. Wir öffnen die Schiebetüre und erkennen anhand ihrer Uniform zwei Personen als Park Ranger. Auf Farsi reden sie leicht hysterisch auf uns ein. Es stellt sich raus, dass es hier nachts zu gefährlich ist. Wir ziehen weiter zum Parkplatz des Khomeini-Mausoleums. Weil es im Iran üblich ist, dass Parkplätze oder Parkanlagen in der Nacht zu Campingplätzen umfunktioniert werden, treffen wir mitten in der Nacht auf einen rappelvollen Parkplatz. Im Iran heisst Camping kurz gesagt: Teppich ausbreiten, Faltzelt auswerfen und es sich mit Kissen und Decken gemütlich machen. Fertig. So einfach geht es.

In der Einfachheit liegt die Kunst

Wir verlassen die beeindruckende Grossstadt Teheran in Richtung Amol. Unsere Route schlängelt sich über traumhafte Hügel und Berge. Auf der Passhöhe auf 2700 M.ü.M. offenbart sich ein grossartiges Panorama auf die sehr trockene und steinige Berglandschaft.

Freude ist die schönste Form der Dankbarkeit

Auch die folgende Nacht verbringen wir wieder in einem öffentlichen Park, Zelt an Zelt unter Einheimischen – in der imposanten und wunderschönen Parkanlage Besh Qardash, die sich einige Kilometer ausserhalb von Bodschnurd befindet. Bei unserer Ankunft ist der Park bereits gut besucht. Während einige Einheimische gemütlich picknicken, kühlen sich andere im grossen Aussenpool ein wenig von den sommerlichen Temperaturen ab. Am Abend lernen wir ein paar Jugendliche und deren Eltern kennen, die uns zum leckeren Melonenessen einladen.

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Ein kurzer unfreiwilliger Zwischenhalt vor der turkmenischen Grenze

Auf dem Weg zur turkmenischen Grenze wird unsere Fahrt jäh gestoppt. Ein Polizist fordert uns auf anzuhalten. Da der Polizist gerade kein Papier zu Hand hat, kritzelt er mit seinem Kugelschreiber die Zahl 120 auf die Rückseite seiner Radarpistole. Erlaubt wären 110 km/h. Die Sache erscheint uns ein wenig suspekt. Wir spielen die Ahnungslosen. Mit Erfolg! Nach einer Minute hat der Polizist das Interesse an uns verloren und lässt uns weiterziehen.

Liebesgrüsse aus Turkmenistan

Der Grenzübertritt nach Turkmenistan gleicht einem Agententhriller. Vom Hauptgebäude her springen plötzlich immer mehr Soldaten über das Grenzpostengelände in unsere Richtung. Doch dann passiert einfach nichts. Informationen können wir den Grenzsoldaten leider nicht entlocken.

Nach geschlagenen 2 ½ Stunden fordert uns endlich der Mann mit dem goldenen Colt auf, ihm zu folgen. Das Schnellverfahren hat seinen stolzen Preis. Für unterschiedliche Gebühren müssen wir eine Menge an US Dollar auf den Tisch legen.

Die erste Panne

Tief in der turkmenischen Wüste nahe der Ortschaft Derweze, dem Tor zur Hölle, durchqueren wir die prunkvolle Hauptstadt Aschgabat. Wir fahren durch grosszügige Boulevards, die gesäumt sind von weissen Strassenlaternen, vorbei an weissen imposanten Marmorbauten mit goldenen Kuppeln. Die Strassen und der Gehweg sind blitzblank geputzt. An jeder Strassenecke lächelt der grosse Präsident von Plakaten herab. Dieser sorgt auch dafür, dass die Bevölkerung ausschliesslich Autos seiner Lieblingsfarbe weiss durch die Gegend fahren. Da hatten wir mit unserem VW Caddy ja nochmals Glück.

Was danach folgt: Einöde. Eine endlose, sandige Weite und einzelne Dromedare sind alles, was es zu sehen gab. Doch dann: Die Zündung unseres Fahrzeuges streikt! Glücklicherweise haben wir für diesen Notfall ein Starthilfe-Booster mitgenommen.

Das Tor zur Hölle

Seit 1971 lodern die Flammen im Krater von Derweze und erleuchten nachts den Himmel über der Wüste Karakum. Doch es ist ein unfreiwilliges Naturspektakel, entstanden nach einem Gasbohr-Unfall. Um den Schaden des giftigen Methan-Ausstosses in Grenzen zu halten, wurde beschlossen, diesen einfach anzuzünden. Eigentlich hätte das Feuer nach wenigen Tagen wieder ausgehen sollen. Stattdessen wurde ein ewiges Feuer entfacht, das auch nach 47 Jahren noch richtig lodert!

Ein Unglück kommt selten allein

Leider ist die Batterie unseres VW Caddy mausetot. Dank der Hilfe des anderen Rallyeteams wird die Batterie wiederbelebt. Kaum 100 Meter gefahren, bahnt sich aber schon das nächste Unheil an: Wir stecken im Sand fest. Nichts geht mehr, weder vorwärts noch rückwärts. Wir versuchen die Räder vom Sand zu befreien. Erfolgslos. Erst dank Einheimischen mit ihrem Lkw und einem Abschleppseil können wir uns aus unserer misslichen Situation befreien.

Es folgt ein Höllenritt auf sandigen und vor allem auch steinigen Pisten mitten durch die Wüste zum Derweze Krater – dem Tor zur Hölle, wo wir auf ein weiteres Rallyeteam stossen. Zum Glück!

Die Fahrt zur usbekischen Grenze ist schlicht eine Katastrophe, gespickt mit tiefen Schlaglöchern, meterlangen Spurrillen und Schotter, der uns nur so um die Ohren fliegen. Die Warnlampen flackern immer wieder auf. Die Klimaanlage hat inzwischen den Geist ganz aufgegeben. Der Schweiss tropft von der Stirn und das ohne jegliche sportliche Betätigung.

Kein Geld mehr

Am usbekischen Grenzposten stehen wir vor verschlossenen Toren; die Grenzsoldaten haben gerade Mittagspause. Während wir in Turkmenistan noch vom Arzt verschont wurden, machen wir nun an der usbekischen Grenze mit dem Mann im weissen Kittel und seiner Fiebermesspistole Bekanntschaft. Der Arztcheck geht fix. Wir müssen nicht einmal den Motor abstellen.

Danach müssen wir unbedingt eine Autogarage aufsuchen. Eine neue Autobatterie muss dringend her. Zum Glück finden wir gleich in der ersten Garage eine Autobatterie, die wir mit US Dollar bezahlen können.

Als nächstes sollten wir Geld tauschen, was grundsätzlich nicht problematisch ist. Doch kein Geldautomat will Usbekische Soʻm ausspucken, weder unsere Maestro- noch Kreditkarten werden akzeptiert. Das Wochenende steht vor der Tür und wir haben keinen einzigen Usbekischen So’m in der Tasche.

Im Eilzugtempo durch die Seidenstrasse

Die nächsten beiden Tage geht es über die historische Seidenstrasse nach Osch. An den Strassenrändern herrscht immer geschäftiges Treiben: von Benzin in Pet-Flaschen, frisch gefangenen Fischen über Honig- und Wassermelonen. Und sie schmecken grossartig!

Es dunkelt bereits als wir in Osch einfahren. Osch ist die zweitgrösste Stadt in Kirgisistan. Der Überlieferung zufolge soll sie bereits schon über 3000 Jahre alt. Von der langen Geschichte ist leider nicht viel übrig geblieben.

Pamir, wir kommen

Das absolute Highlight rückt immer näher: der Pamir Highway, der die kirgisische Stadt Osch über eine Entfernung von 1250 Kilometer mit der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe, unserem Ziel, verbindet.

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Der Pamir Highway ist die zweithöchste internationale Fernstrasse der Welt. Vom 963 Meter hoch gelegenen Osch geht es in Serpentinen auf den 3615 Meter hohen Taldyk-Pass. Die Höhenkrankheit lässt grüssen.

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Vom Taldyk-Pass geht es durch das kirgisische 1500-Seelen-Örtchen Sarytasch. Wenig später ist es vorbei mit der Zivilisation. Wir durchqueren einsam die endlosen Weiten des Alai-Tals. Im Hintergrund türmt sich die imposante Transalai-Bergkette. Uns verschlägt es die Sprache!

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Nur die Strassenbedingungen hätten besser sein können. Aber das sollte erst der Anfang sein, wie sich noch herausstellen wird. Meter um Meter geht es über Schotterpisten durch kleine Flussbetten und Schlammpfützen. Mit Highway hat das überhaupt nichts zu tun.

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Die eigentliche Rallye beginnt erst jetzt

Auf einer Höhe von 4259 Meter nähern wir uns dem Kyzyl-Art-Pass und somit dem tadschikischen Grenzposten. Dann wird es plötzlich bitterkalt. Zum Glück können wir die Grenze problemlos passieren. Die Sichtweite beschränkt sich trotz eingeschaltetem Fahrzeugscheinwerfer auf ein paar wenige Meter. Wir stellen deshalb unsere auf dem Dachträger montierten LED-Scheinwerfer ein und schleichen vorsichtig den steilen Hang hinab, bis zur Hochebene mit dem Karakul-See. Wir verlassen die Strasse und fahren einige Meter ins Nichts hinaus. Hier wollen wir die Nacht verbringen, obwohl wir keine Ahnung hatten, wo wir genau gelandet sind.

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Eine Nacht auf über 4000 Meter über Meer

Am morgen brummt der Schädel, die Finger sind taub. Was für eine Nacht! Wir haben kaum ein Auge zugebracht. Bei gefühlten minus 10 Grad auf 4000 Meter über Meer zu übernachten, ist definitiv kein Zuckerschlecken. Dafür begrüsst uns der Tag mit einem atemberaubenden Panorama. Eine gigantische Bergkulisse; wir und sonst nichts.

Auf dem Dach der Welt

Mit dem Kyzyl-Art-Pass haben wir das Dach der Welt erreicht. Die Einheimischen verwenden hierfür den Ausdruck «Bam-i-Duniah». Auf den nächsten 75 Kilometern bewegen wir uns immer auf mindestens 4000 Meter über Meer.

Das Atmen fällt schwer, doch die abwechslungsreichen und aussergewöhnlichen Landschaftsbilder entschädigen uns dafür. Zur Rechten und Linken erheben sich gewaltige Bergmassive, an deren Flanken Schnee klebt. Dann geht es nur noch in eine Richtung: aufwärts. Meter um Meter kriechen wir auf den 4655 Meter hohen Ak-Baital Pass – den höchsten Punkt unserer ganzen Reise.

Vom höchsten Punkt geht es steil hinunter auf das 3618 Meter hoch gelegene Dorf Murgab, wo wir noch vor Einbruch der Dunkelheit unseren Schlafplatz für die Nacht aufsuchen.

Geschüttelt und gerührt

Heute liegen «nur» 470 Kilometer vor uns. Dass es jedoch keine gemütliche Spazierfahrt wird, stellen wir fest, als wir einen Blick in unseren «Pamir Travel Guide» werfen. Die prognostizierte Fahrzeit beträgt 9 ½ Stunden. Erst geht es auf einer Schotterpiste 340 Kilometer dem Quellfluss Pjandsch entlang, der die Grenze zwischen Tadschikistan und Afghanistan markiert. Das ewige Gerüttel ist nervenaufreibend.

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Dem Ziel entgegen

 Endspurt ist angesagt. Doch mit Tachonadel nach oben jagen hat dies wenig zu tun. Nach Duschanbe sind es nur noch 230 Kilometer. Ein Klacks, wenn man bedenkt, dass wir zu diesem Zeitpunkt bereits über 10 500 Kilometer hinter uns haben. Wir passieren den letzten Checkpoint, geniessen den traumhaften Ausblick auf das Nurek Reservoir, bevor vor unseren Augen plötzlich das Ortsschild von Duschanbe auftaucht.

Wir haben es geschafft

Duschanbe ist nicht nur die Hauptstadt Tadschikistans, sondern mit etwa 800’000 Einwohnern auch die grösste Stadt des Landes. Es ist kurz vor 14 Uhr als wir in die Zielgerade einbiegen.

Wir können es kaum glauben: Wir haben es wirklich geschafft! Nach einer Strecke von 10’800 Kilometern, die uns durch 14 Länder und 7 Zeitzonen geführt haben, sind wir nun an unserem Endziel in Duschanbe angekommen. Das war kein Urlaub, sondern das grösste Abenteuer unseres Lebens!

Tajik Rally

Zum Abschluss unserer Reise besuchten wir als Highlight noch verschiedene Hilfsprojekte der Caritas international. Der Spendenerlös aller Rallye-Teilnehmer betrug stolze 27 000 Euro. Dazu kommen noch die Verkaufserlöse aus den Fahrzeugen.