Die Škoda Geschichte, Teil 1: von der Fahrradmanufaktur zum Motorrad-Champion

Die Škoda Geschichte, Teil 1: von der Fahrradmanufaktur zum Motorrad-Champion

Die Škoda Geschichte, Teil 1: von der Fahrradmanufaktur zum Motorrad-Champion

 

Die Historie von Škoda ist eine der bewegtesten in der ganzen Automobilgeschichte. Im beginnenden 20. Jahrhundert gehörte die Marke zu den innovativsten Fabriken. Bis der Kommunismus das Zepter in Osteuropa übernahm. Doch selbst hinter dem Eisernen Vorhang brummte der Pioniergeist. So sehr, dass nach dem Fall der kommunistischen Herrschaft die westeuropäischen Autobauer Schlange standen, um die tschechische Autofabrik zu übernehmen. Mit dem Volkswagen Konzern schreibt Škoda nun die erfolgreichste Ära der über 100-jährigen Geschichte. Und sie ist erst der Anfang einer glorreichen Zukunft, deren erstes Kapitel nun geschrieben wird.

Am Anfang war das Rad

Drehen wir das Rad der Geschichte zurück – zu den Anfängen von Škoda Ende des 19. Jahrhunderts. Alles begann mit einer Beschwerde des Buchhändlers Václav Klement. Er reklamierte schriftlich die mangelhafte Haltbarkeit seines Fahrrads der Marke Seidel & Naumann. Hochnäsig wurde die Beschwerde zurückgewiesen, was ihn dazu bewegte, bessere Fahrräder zu bauen. Die zufällige Begegnung mit dem Schlosser Václav Laurin, der auf der Suche nach einer Werkstatt war, schuf den Grundstein für eine der erfolgreichsten Automobilfabriken Europas.

Vaclav Klement Vaclav Laurin

Vaclav Klement und Vaclav Laurin, die beiden Unternehmensväter von Skoda.

Am 18. Dezember 1895 gründeten Václav Laurin und Václav Klement in Mladá Boleslav (Böhmen) die Fahrradmanufaktur Laurin & Klement. Ihr Velo – ganz im Zeichen der damals populären tschechischen Nationalbewegung “Slavia” genannt – verkaufte sich sehr gut. Nicht zuletzt wegen der hochwertigen Qualität. Schon nach kurzer Zeit beschäftigten Laurin & Klement 40 Mitarbeiter.


Slavia hiess das erste Fahrrad, mit dem Laurin und Klement grossen Erfolg hatten.

Die schnellen Motorrad-Jahre

Wenn’s läuft, dann läuft’s: Angespornt vom Erfolg ihrer Fahrräder begannen Laurin & Klement 1899 mit der Herstellung von Motorrädern. Und zwar sehr erfolgreich, wie folgende Anekdote erzählt: 1901 schickten die Firmengründer den tschechischen Fahrer Narcis Podsedníček mit einem speziellen L&K-Motorrad ins Rennen Paris-Berlin. Sie hatten kaum das Geld für die Reifen und starteten klar als Underdog. Doch dann geschah das Unglaubliche: Podsedníček fuhr das 750 Meilen-Rennen so schnell, dass er Stunden früher ankam als seine Gegner. Zu früh, wie sich herausstellen sollte; in Berlin hatte man noch nicht mal die Ziellinie aufgestellt. Ironischerweise disqualifizierte sich der Fahrer, weil der Sieg von Podsedníček nicht gewertet werden konnte.

Skoda

Die L&K Motorräder galten als äusserst zuverlässig.

Trotzdem: Die Tatsache, dass Zuverlässigkeit und Innovation über hohe Budgets zu siegen vermag, konnte Laurin & Klement niemand nehmen. Es war der Beginn eines wahren Rennfiebers. Bei 34 Rennen im Jahr 1903 errangen L&K-Motorräder 32 Siege. High-Performance liegt also in den Ur-Genen jedes Škodas.

Während der Donaumonarchie wuchs Laurin & Klement zur bedeutendsten Motorradfabrik von Österreich-Ungarn. 1906 arbeiteten 495 Beschäftigte für L&K, die fast alle Teile selbst herstellten. Bis 1908 wurden rund 3’000 Motorräder verkauft.


Ein motorisiertes Velo oder ein Motorfahrrad?

Die rasante Entwicklung der ersten Autos

Nachdem bereits 1901 das erste Automobil von Laurin & Klement in Wien vorgestellt wurde, konzentrierte man sich in den Jahren immer mehr auf die Entwicklung der selbstfahrenden Kutschen. 1905 wurden die ersten Automobile vom Typ A “Voiturette” gebaut. Der Rechtslenker hat einen 1100 cm³ wassergekühlten 5,1 kW (7 PS) starken Zweizylinder, der über eine Kardanwelle von den Hinterrädern angetrieben wurde. 44 Stück wurden im ersten Jahr verkauft. Schon vom Nachfolgemodell, Typ B mit 6,6 kW (9 PS) und 1395 cm³ wurden 250 Stück hergestellt. 1906 kam bereits das erste Nutzfahrzeug mit 4562 cm³ grossen Motor mit 35 PS (26 kW) heraus. Der baugleiche Motor beschleunigte im offenen Viersitzer die Passagiere auf damals sagenhafte 85 km/h.

laurin-klement-voiturette-a-1905-1

Das erste Auto von Laurin und Klement im Jahr 1905.

Nachdem das Unternehmen Laurin & Klement 1907 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, konnten viele Investitionen in die Automobilproduktion getätigt werden. Dazu gehörte auch die Anstellung des Jungspunds Otto Hieronimus, der 1908 auf der ersten offiziellen Rennstrecke in England einen Geschwindigkeitsrekord aufstellte. Er überzeugte Laurin und Klement davon, dass ein Rennprogramm für ein Automobil-Unternehmen unerlässlich wäre und entwickelte bis 1909 drei Werksrennwagen.

Erste Auto-Rennerfolge mit Otto Hieronimus

Laurin und Klement Fahrzeuge feierten ihren ersten Sieg im März 1908, wo die Marke beim Zbraslav-Jílovištěhillclimb (im heutigen Tschechien) Rennen in sechs Kategorien gewann und in fünf anderen Klassen Zweiter wurde. Hieronimus’ wichtigster Erfolg war 1908 der Klassensieg auf dem 16 PS starken Laurin & Klement FC bei der Rallye St. Petersburg-Moskau.

hieronimus-l&k-auto-Rennen

Otto Hieronimus – der Ur-Vater des Skoda-Renngens.

Otto Hieronimus entwickelte für Laurin & Klement 1909 den Typ FCR, einen Rennwagen, der 130 km/h erreichte. Der FCR-Rennwagen hatten einen 5,7-Liter-Motor und eine stromlinienförmige Karosserie, die heute martialisch anmutet. Der zweifelhafte Spitzname “der Sarg” passt zwar optisch, zum Glück nicht wörtlich. Der FCR setzte den Siegestrend von L&K fort, wurde aber Opfer seines Erfolges, denn viele Renn-Organisatoren änderten daraufhin ihr Reglement.

Die verrückten Jahre mit Graf Kilowatt

Nebst Hieronimus fuhr eine weitere Lichtgestalt die L&K-Automobilen zu glorreichen Erfolgen: Graf Alexander Kolowrat, Spitzname Graf Kilowatt. Der junge Aristokrat aus den USA verfiel schon mit 18 Jahren dem Rennfieber. Seine Familie verbot ihm jedoch seine Leidenschaft und schickte ihn in die Schweiz, wo er sich auf die Verwaltung der väterlichen Grossgüter konzentrieren sollte. Doch der junge Mann liess seinem Vater eigenhändig geschriebene Alibi-Postkarten aus seinem Exil schicken, während er selbst lieber an Rennen teilnahm.

lk-typ-f-1-rennen

Die verrückte erste Rennzeit.

Einer der spektakulärsten Siege errang Graf Kolowrat mit seinem zivilen L&K, weil sein FCS-Rennwagen von der Bahn zu spät angeliefert wurde. Aufgeben? Für den jungen Aristokraten kein Thema. Über Nacht demontierte der mit seinem Mechaniker die Karosserie seines Laurin & Klement Typs F und gewann zur Freude der Zuschauer auf einem rollenden Chassis das Bergrennen von Gaillon 1909. Es war der Anfang einer ganzen Reihe von grossartigen Siegen für den beleibten und beliebten Grafen Kilowatt auf einem L&K-Rennwagen. Dabei überraschte er immer wieder mit Ideen, um Gewicht einzusparen. Nicht bei sich selbst; zu sehr liebte er das Essen. Dafür demontierte er auch schon mal beide Sitze und montierte einen leichten Rattansessel oder nahm seinen kleinen, um Jahre jüngeren Bruder als Beifahrer mit, wenn das Reglement einen Beifahrer vorsah.

kolowrat-bruder-lk-rennfahrzeug

Sein persönliches Übergewicht kompensierte Graf Kilowatt mit einem Leichtgewicht an Mitfahrer.

1910 fuhren drei Fahrer Kolowrat, Hieronimus und Draskovich bei der berühmten Alpenfahrt die Goldmedaille für das L&K Werksteam ein. Auch in den Folgejahren, zwischen 1910 bis 1914 holten L&K-Rennwagen regelmässig Gold heim. Im Jahr 1911 machte sich Graf Kolowrat als einer von fünf L&K Fahrern auf den Weg nach Russland, um dort am Langstrecken-Wettbewerb über 2’400 Kilometer teilzunehmen. Auch hier wartete am Ziel eine Goldmedaille. Beflügelt vom Erfolg fuhr er im Anschluss beim zweitägigen Rennen um den Kaukasischen Pokal, den er ebenfalls gewann.

Vom getürkten Fliessband zum Filmpionier

Zum Leben von Graf Kolowrat gehörte nicht nur das Rennfieber, die Liebe zum guten Essen, sondern auch das Filmemachen. So gilt er als Begründer der österreichischen Filmindustrie und Entdecker von Marlene Dietrich. Als Freund des Hauses von Laurin & Klement, beschloss Kolowrat eine Dokumentation über die Fabrikation im L&K-Werk in Jungbunzlau (Mladá Boleslav) zu drehen.

Obwohl es dort noch keine Fliessbandproduktion gab, fingierte er eine solche und liess ein rund 20 Meter lange Produktionsstrasse einrichten, auf dem die Autos an einer unsichtbaren Schnur gezogen wurden und von Arbeitern “montiert” wurden. Am Ende des getürkten Fliessbandes setzte sich der Graf selbst ins Auto und fuhr aus der Halle. Die erste goldene Ära endet mit dem Beginn des 1. Weltkriegs.

Die Škoda Geschichte, Teil 1: von der Fahrradmanufaktur zum Motorrad-Champion

Die Škoda Geschichte, Teil 2: Die Zwischenkriegsjahre: Škoda, Glamour und Expeditionen

Die Škoda Geschichte, Teil 3: Innovation in der Planwirtschaft