Wo immer man die neue Giulia abstellt, um beispielsweise einen Espresso zu trinken und in der neusten „Gazzetta dello Sport“ oder „Intimità“ zu lesen (oder einfach so zu tun), wird man auf sie angesprochen. Es scheint, dass besonders die Alfa-Familia (aber nicht nur die) sehnlichst auf ein Lebenszeichen aus Turin gewartet haben. Die Gebete wurden erhört.
La storia della Giulia
Am 27. Juni 1962 wurde die erste Giulia auf dem „Autodromo di Monza“ der Weltöffentlichkeit präsentiert. Sie war Neuauflage und gleichzeitig Ablösung der Giulietta. Positioniert als Automobil, von dem man mehr erwarten konnte als einfache Transportdienste. Gedacht war sie für die neue (Autofahrer)-Generation Italiens, die im wirtschaftlichen Aufschwung der 1950er und 1960er Jahre zu Geld und neuem Bewusstsein gekommen war.
La prima impressione
Zuerst sticht das sportliche und schneidige Design des Alfa Romeo Giulia Q4 Veloce ins Auge. Die neu gestalteten Schürzen und die 16-Zoll Fünfloch-Leichtmetallfelgen ziehen den Blick sofort auf sich. Und die ausgeprägte, nach hinten ansteigende Linienführung zeugt von der hohen Designkompetenz der Italiener. Auch sehr hübsch sind die Aluminium-Einsätze am Armaturenbrett und in der Türverkleidung. Nach dem Einsteigen umschliessen einem die bequemen und trotzdem sportlichen Ledersitze perfekt, die optimale Sitzposition wird mittels elektrischer Regler eingestellt. Und dann kann auch schon der in Rennmanier am griffigen und sportlich geformten Lenkrad eingepasste „Start Engine“-Knopf gedrückt werden. Wer allerdings einen Sound in Rennmanier erwartet, wird enttäuscht. Der Benziner hat einen kernigen und unpassend leisen Dieselsound, der so gar nicht zum äusseren Erscheinungsbild der Giulia passen will.
Viaggiare o volare
Als Q4 sind zur Zeit nur die beiden Veloce-Versionen mit zwei verschiedenen Motorisierungen erhältlich: einmal als Zweiliter-Turbobenziner mit 280 PS/400 Nm und dazu ein 2,2 Liter Turbodiesel mit 210 PS/470 Nm. Stehen bzw. fahren tut die Giulia auf der Giorgio-Plattform. Diese wurde von Projektleiter Phillippe Krief und seinem Team mitsamt den Motoren komplett neu entwickelt. Auf dieser Plattform soll eine Reihe weiterer Modelle den Alfa-Absatz bis 2018 wieder auf 400.000 verkaufte Fahrzeuge anheben.
Richtig Spass macht die Giulia aber erst geschaltet. Dazu kippt man den bequem erreichbaren Hebel mit einer lässigen italienischen Handbewegung in den Schaltmodus. Die Gangwechsel werden via den übergrossen Wippen ausgeführt, die zwar optisch etwas unproportional wirken, sich beim Fahren in den Serpentinen aber bewähren. Die serienmässige Achtstufen-Automatik hat ihre Berechtigung im Stadtverkehr oder auf der Bahn.
Bei nachlassender Traktion verlagert die elektronische Steuerung den Schub von der Hinter- zusätzlich an die Vorderachse. Die zusätzlichen 60kg für das Differenzial vorne und das neue Verteilergetriebe sind eine gute Investition ins Fahrerlebnis. Dieses stellt sich besonders auf kurvigen Passtrassen ein; die messerscharfe und sofort ansprechende Lenkung würde selbst Don Vito Corleone ein Lächeln in die hängenden Mundwinkel zaubern. Und falls plötzlich ein alter Cinquecento hinter der Kurve auftaucht, bremst das Integrated Brake System (IBS) die Giulia in einem Lidschlag auf Zweizylinder-Tempo ab.
Die serienmässigen Sicherheitsfeatures des Alfa Romeo Giulia Q4 Veloce umfassen unter anderem ein Kollisionswarnsystem mit Notbremsfunktion und Fußgänger-Erkennung, dazu Assistenten für die Spurhaltung und die Geschwindigkeitsregelung. Weiter gehören zur Serienausstattung eine Klimaautomatik und drei Fahrmodi (dynamisch, normal und sehr normal) sowie ein Infotainmentsystem mit 6,5 Zoll-Bildschirm.
Fazit
Gemäss Alfa Romeo kehrt die Legende in Form der Giulia Veloce im sportlichen Stil zurück und repräsentiere eines der besten Fahrerlebnisse, die es je gab. Aussen mit ästhetischen Merkmalen wie der vorderen Stossstange mit grösseren Lufteinlässen, die das einzigartige Alfa Romeo Trilobo betonten, glänzend dunklen Öffnungen für das Tagfahrlicht und 25W-Bi-Xenon-Scheinwerfern. An der hinteren Stossstange sorge ein vom Rennsport inspirierter Luftauslass für beste Aerodynamik.
Andere sagen, dass der vorwiegend mit italienischer Gelassenheit reagierende Touchscreen, der beim Rückwärtsfahren höchstens zur Hälfte mit dem Kamerabild ausgefüllt wird, nicht zu Ende gedacht ist. Dazu liefere das Harman Kardon-Soundsystem einen erstaunlich armen Musikgenuss. Dies ist aber sicherlich auch dem beschränkten Klangraum geschuldet. Der beim Einparken praktische akustische Warnton sei zwar hilfreich, höre aber selbst im Parkmodus nicht mit dem aufdringlichen Gefiepe auf. Beim Einparken oder Wenden dagegen nicht hilfreich sei der übergrosse Wendekreis. Und mit der knappen Bewegungsfreiheit auf der Rückbank mache man sich auf längeren Ausfahrten keine Freunde in der Familia. Was ja in gewissen Familien zu Betonschuhen führen kann.
Wir haben den Alfa Romeo Giulia Q4 Veloce als sportlichen und optisch sehr attraktiven Sportler erlebt, der mit einem wirklich aussergewöhnlichen Fahrverhalten aufwartet. Vor allem die rassige Schaltung, die extrem agile Steuerung und die tiefe Sitzposition, geben dem Fahrer ein Gefühl wie auf dem Autodromo in Monza. Das grosse Dachfenster vermittelt dazu ansatzweise Cabrio-Feeling und gibt dem engen, aber nicht zu engen Cockpit, auch in geschlossenem Zustand „etwas Luft“.
Ein Wermutstropfen ist allerdings der Sound, der hätte für diesen Wagen unbedingt üppiger ausfallen müssen. Zumal sich schon die Ur-Giulias aus den 1960er- und 70er-Jahren durch einen sehr kräftigen und eigenständigen Klang auszeichneten. So würde man neben dem 3er am Rotlicht auch noch akustisch eine gute Figur machen.
Alfa Romeo Giulia Q4 Veloce –Technische Daten:
Viertürige Limousine mit fünf Sitzen, Länge: 4,6 Meter, Breite: 2 Meter, Höhe: 1,4 Meter, Radstand: 2,8 Meter, Kofferraumvolumen: 4,8m3
2.0 Benzin Q4, 206 kW/280 PS, maximales Drehmoment: 400Nm bei 2’250 U/min, 8-Stufen-Automatikgetriebe mit Schaltwippen, Vmax: 240km/h, Durchschnittsverbrauch: 6.4l/100km, CO2-Ausstoss: 152g/km, Abgasnorm Euro 6, Effizienzklasse: F, Preis: ab CHF 58’150.00
Alfa Romeo Giulia Q4 Veloce – Kurzcharakteristik:
Warum: Rennsportgefühl gepaart mit aussergewöhnlichem Design
Warum nicht: Wer regelmässig mehr als zwei Personen über längere Strecken transportieren muss, macht sich wenig Freunde
Was noch: Audi A4, BMW 3er, Mercedes-Benz C-Klasse
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