Die grosse Bucht von Australien – eine Einladung ins Ungewisse

Die grosse Bucht von Australien – eine Einladung ins Ungewisse

Die grosse Bucht von Australien – eine Einladung ins Ungewisse

 

Wer in Australien als Entdecker unterwegs ist, sollte die «Great Australian Bight» gesehen haben. Eine Landschaft, vor Millionen von Jahren entstanden.

Der Wind vom Südlichen Ozean peitschte gegen meine Haut und der Nebel der tosenden Brandung am Cape Carnot sprenkelte meine Sonnenbrille. Ich stand auf einem der ältesten Felsen Australiens, mit nichts zwischen mir und der Küste der Antarktis. Ich stand in Ehrfurcht vor meiner Umgebung, angesichts der Grösse und des unermesslichen Alters des Kontinents hinter mir und der Tatsache, dass er einst an dieser Stelle mit der Antarktis verbunden war.

Zwischen dem Frühen Perm und der oberen Jurazeit begann der Superkontinent Gondwana zu zerreissen, als Australien nach Norden driftete und der Drift die Great Australian Bight schuf, die nicht nur für ihre Abgeschiedenheit bekannt ist, sondern auch für die Schönheit der grössten Kalksteinebene der Welt, die Nullarbor-Ebene.

In den Fussstapfen berühmter Entdecker

Jedes gute Abenteuer beginnt mit einem Tisch voller Karten und einem Team williger (und ebenso verrückter) Teilnehmer. Für diese Reise rief mich Rob Bogheim, ein guter Freund und wohl einer der erfahrensten Overlander Australiens, mit einem Vorschlag an: “Hey, Kumpel! Was hältst du davon, in die Fussstapfen von John Eyre und Matthew Flinders zu treten und die Bight zu überqueren?” Ohne zu überlegten, sagte ich ja – wie die meisten guten Entscheidungen im Leben aus dem Bauch heraus. Ich fühlte mich geehrt, denn ich war mir der enormen Leistung jener frühen Entdecker durchaus bewusst. Captain Flinders (1774-1814) hatte bis zu seinem 40. Geburtstag drei grosse Expeditionen nach Terra Australis unternommen, darunter die erste Küstenumrundung des Kontinents, dem er schliesslich seinen Namen gab. Er starb im Alter von 40 Jahren und hatte mehr erreicht, als ich es mir in meinem ganzen Leben vorstellen könnte. Edward John Eyre lebte bis zum reifen Alter von 86 Jahren und leitete auch drei grössere Expeditionen, wie die erste Landüberquerung der Grossen Australischen Bucht mit John Baxter, seinem langjährigen Begleiter Wylie sowie Joey und Yarry, zwei Aborigines. Die Umstände waren damals extrem, einschliesslich Baxters Ermordung durch Joey und Yarry, die auch den grössten Teil der Vorräte stahlen und Eyre und Wylie notleidend zurückliessen. Dem Tod bereits nahe, wurden die beiden von dem französischen Walfänger Mississippi gerettet. Nachdem sie sich erholt und neue Vorräte besorgt hatten, beendeten sie ihre Reise über die Nullarbor-Ebene nach Cape Carnot. Als Eyre 1901 starb, hatte er einen Grossteil Australiens erkundet und war Vizegouverneur von Neuseeland und Gouverneur von Jamaika gewesen. Seine letzten Jahre waren überschattet von Aufständen und sogar einer Mordanklage.

2‘500 Kilometern im Toyota Land Cruiser

Unser Ziel war, die Bight zu überqueren, aber meine Reise begann weiter östlich in Brisbane, wo wir die Land Cruiser abholten und nach Adelaide fuhren. Allein dieser Teil der Reise betrug über 2‘500 km Fahrtstrecke, das meiste davon im Outback via Adventure Way und östliche Flinders Ranges. Wir passierten die Grabstätte von Robert O’Hara Burke, dem Führer der unglückseligen Expedition von Burke und Wills – Australien ist nichts für Schwache oder Unvorbereitete.

In Adelaide trafen wir den Rest des Teams mit einer Reihe interessanter Fahrzeuge: ein Paar 70er Serien, eine 6WD 200er Serie und einer der beliebten Hilux.

Letzte Vorbereitungen im RedArc-Werk und dann machten wir uns auf den Weg nach Cape Carnot, der Spitze der Eyre-Halbinsel und – laut australischem hydrografischen Institut – östlichsten Punkt der Bucht. Obwohl wunderschön, war die Region dichtbesiedelt und verkehrsreich, der Campingplatz voller Rentner und die Städte voller Touristen. Bestimmt gibt es hier gute Restaurants, aber uns stand der Sinn nach einsamen Camps und Bush Tucker (Buschessen), also füllten wir unsere Kühlschränke in Port Lincoln auf dem Weg in die Nullarbor-Ebene, dem Herz der Australian Bight.

Luftsprünge in Australien

Australien ist für mich ein faszinierender Ort, vor allem wegen meiner Liebe zu den grossen Wüsten der Welt und dem Glücksgefühl, tagelang am Strand entlang zu fahren und in der Nacht dem Refrain der Brandung lauschen zu können. Die Südküste Australiens hat mich schon immer fasziniert und in den letzten Jahren durfte ich viel davon erkunden, einschliesslich Tasmanien. Die Great Australian Bight blieb mir bisher verwehrt – insbesondere sie auf eine so authentische Weise zu durchqueren, so nah wie möglich an der Küste zu bleiben, autark und abseits der Strasse.

Herausforderungen gab es genug, vor allem in den Dünen. Kaum eine Stunde im Sand, hatte ein Land Cruiser bereits einen dramatischen Luftsprung (mit Hänger) hingelegt, und ein anderer hatte sich bis zum Rahmen eingegraben.

Als Team wurden wir schnell sehr gut darin, Schaufeln und Sandbleche von den Racks zu ziehen und gemeinsam die schweren 79er Serien zu bergen.

Ich kann mich nicht erinnern, wie oft die Fahrzeuge im Sand stecken blieben; die Ereignisse schienen miteinander zu verschmelzen. Ich erlebte auch zum ersten Mal einen Platten an einem 4×4, nach all meinen Jahrzehnten des Overlanding. Meine lange Serie ohne Reifenpanne (nach mehreren Weltumrundungen) ist mehr auf Glück und gute Reifen zurückzuführen als auf Können. Diese Strähne endete, als mein Blick einen Moment lang vom Trail zum GPS schweifte und ich an dem Gerät herumfummelte. Meine Lektion? Ablenkungen haben Folgen.

Schroffe Klippen, malerische Buchten

Je weiter wir nach Westen kamen, desto herausfordernder und einsamer wurde die Route, und desto grösser waren die Schäden, die übergriffige Bäume, Sträucher und Sand an Fahrzeugen und Fahrern verursachten.

Die Klippen überragten uns wie ein Bollwerk und schützten die Südküste Australiens vor allen, die einzudringen versuchten. Kaum zu glauben, dass diese Küste einst mit der Antarktis verbunden war.

Die Pannen nahmen zu und die Markisen beider Anhänger litten erheblich, blieben aber irgendwie strukturell unversehrt. Müdigkeit zehrte an den Nerven und manchen riss allmählich der Geduldsfaden; tagelanges Fahren und mangelnde Kommunikation mit der Aussenwelt waren eine Bewährungsprobe. Vielleicht eine der wichtigsten Erfahrungen der Reise: Abgeschiedenheit und Umwelt können einige Menschen stärker machen, während andere langsam (oder schneller) daran zerbrechen.

Wie Fuhrpark und Kommunikationsgerät muss auch das Team nach Belastbarkeit ausgewählt werden.

Die Grosse Australische Bucht erinnerte mich auch daran, wie viel Freude es macht das Unbekannte zu erleben und mit Freunden, einer warmen Mahlzeit und einem kalten Drink am Ende eines staubigen Tages am Lagerfeuer zu sitzen. Ich überlegte, wo wir herkamen und was als nächstes kommen würde.

Der Kontinent endet abrupt, unerbittlich hämmert der Indische Ozean an die Bucht. Die Küste war unser ständiger Begleiter, als wir durch diesen Bruch von Gondwana navigierten; die Wellen und kühlen Abendtemperaturen wiegten uns jede Nacht in den Schlaf.

Angesichts der Herausforderungen auf unserem Weg, von tiefem Sand bis zu reifenzerstörenden Felsen, blieben wir wachsam, denn Hilfe war fern.

Wir fuhren hunderte von Kilometern den Strand entlang, der Sand ein ständig wechselndes Hindernis aus Dünen, tiefen Furchen und fahrzeugverschluckenden Seetang-Wäldern. Die Schönheit der felsigen Landzunge beruhte auf einer faszinierenden Paarung aus Gezeitenbecken und Felsenriffs.

Australier lieben obskure und oft humorvolle Namen für ihre geologischen Wunder – dieser Haufen Steine ist bekannt als Murphys Heuhaufen.

Auf dieser Reise haben wir mehrere massive Trailer im Schlepp gehabt, was ich normalerweise nicht empfehlen oder in Erwägung ziehen würde. Dennoch waren sie dabei und überlebten die Fahrt auf wundersame Weise (wir verloren nur ein paar Markisen). Und ich gebe zu, das Queen-Size-Bett und die komplette Bordküche waren ein willkommener Luxus am Ende jeden staubigen Tages.

Der australische Regen kann einfach wegschwemmen

Das Wetter im Outback sollte man nicht unterschätzen, die Flut kann spontan steigen, der Himmel pro Stunde mehrere Zentimeter Regen ausschütten und massive Überschwemmungen verursachen.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Reisende tagelang festsitzen, bevor die Strassen wieder befahrbar sind. Die Strafe für das Verursachen tiefer Spurrillen auf Outback-Strassen beträgt 1‘000 australische Dollar. Pro Reifen(!), einschliesslich Trailer.

Der harmlosen Tannenzapfenechse (tiliqua rugosa) macht der Regen nichts aus.

Flinders Ranges ist eine der wenigen Bergregionen im Landesinneren, die zahlreiche ausgezeichnete 4×4-Strecken und abgelegene Möglichkeiten für ein Lager bieten. Die australische Tierwelt verblüfft immer wieder durch ihre Vielfalt und Einzigartigkeit.

Von wilden Beuteltieren bis hin zu strahlend weissen Kakadus, die Liste der Kreaturen, die dich zum Staunen und ins Krankenhaus bringen können, ist lang.

Unsere Reise endete am Cape Arid, Fahrzeuge und Abenteurer waren erschöpft von den Wochen unterwegs. Diese Reise hatte mich ebenso verändert, wie viele andere es getan haben und hinterliess in mir ein überwältigendes Gefühl der Dankbarkeit und die Erinnerung, dass jeder Tag ein Geschenk ist.

Australien wird durch seine Küstenlinie definiert und sprudelt vor Leben dort, wo sich Land und Meer treffen. Fast jede Nacht schlugen wir unser Lager mit dem Indischen Ozean gen Süden auf. Mit über 25’000 Kilometer Küstenlinie liegt das Land im Vergleich zu anderen auf Platz sieben – zwei Plätze vor den Vereinigten Staaten, aber interessanterweise ein Platz hinter Japan und nur ein Achtel des Küstenumfangs Kanadas.

Dies war Gastbeitrag von unseren Freunden vom Overland Journal Europe. Am Besten hier gleich abonnieren und keine Ausgabe mehr verpassen.

 

Fotos & Text by Scott Brady

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