I CAN, I WILL. WOMEN OVERLANDING THE WORLD

I CAN, I WILL. WOMEN OVERLANDING THE WORLD

I CAN, I WILL. WOMEN OVERLANDING THE WORLD

 

Sunny Eaton und Karin Balsley liessen erfolgreiche Karrieren und ein angenehmes Leben hinter sich, um gemeinsam die Welt zu erkunden. Beider Wunsch zu reisen entfachte sich in tiefgründigen Gesprächen wie: “Wenn wir noch sechs Monate zu leben hätten, wie sollten wir diese Zeit verbringen?” Was wollten sie als Einzelperson und als Paar erleben und erreichen?

Das Ergebnis war eine Overland-Reise, angefangen beim Kauf eines Serie 80 Land Cruisers und dem Plan, nach Ushuaia zu fahren. In Zentralamerika trafen sie auf andere weibliche Reisende, ein Netz, das sich auch auf die sozialen Medien erstreckte. Hier entdeckten sie erstaunliche Geschichten – und die Idee eines Buches war geboren.

In den letzten zwei Jahren haben Sunny und Karin jene Globetrotter interviewt und aufgezeichnet, die mit 4×4, Motorrad, Van und Fahrrad um die Welt reisen. Der Band ist ein Wunder an Inspiration und Kraft und zeigt Entdecker, die das Leben unterwegs gelebt und ihre Geschichten erzählt haben. Die Autorinnen gehen sehr detailliert auf die Lektionen und Erfahrungen ein, die jeden dieser Ausnahmereisenden motivieren. Die Bilder und das Layout sind atemberaubend und erweisen diesen Vagabunden alle Ehre. Perfekt gebunden und in Farbe ist dieses Buch genau das, was Overlanding bedeutet: Abenteuer.

I Can, I Will. Women Overlanding the World von Sunny Eaton, Laurie Holloway und Karin Balsley, besprochen von Scott Brady, ISBN 978-1732394100

Der Darién Gap oder das Ende der langen Strasse

Der Darién Gap oder das Ende der langen Strasse

Der Darién Gap oder das Ende der langen Strasse

 

Ein Team von US-Veteranen begibt sich auf eine 31‘400 Kilometer lange Fahrt von Alaska zum Darién Gap zwischen Panama und Kolumbien.

Wir öffneten das sechs Meter hohe Garagentor kurz vor 3:00 Uhr morgens. Die Temperatur in der Wellblechhütte aus dem Zweiten Weltkrieg sank, als der Wind Schnee und Eis hereinwehte.

Einer nach dem anderen schoben wir die Motorräder mit Beiwagen nach draussen in den Schnee, der sich am Eingang zu unserer Unterkunft angesammelt hatte. Bei intensivem Halogenlicht trafen wir die letzten Vorbereitungen für unsere Reise nach Südamerika. “Ich arbeite hier in Deadhorse, Alaska, seit meinem 20. Lebensjahr, und ich habe hier oben im Winter noch nie Motorräder gesehen”, sagte ein Zuschauer. Mitten auf dem grossen, windumtosten Parkplatz gab ich Ushuaia, Argentinien, auf meinem Handy in Google Maps ein. “Route nicht verfügbar” war die Antwort.

Bis heute wissen die meisten Menschen nicht, dass es keine durchgängige Route zwischen Nord- und Südamerika gibt. Das Haupthindernis ist der Darién Gap, eine 160 Kilometer lange Strecke durch den Dschungel und Heimat der Kuna-Indianer, auch als El Tapón bekannt. Er wurde nur wenige Male und nur in der Trockenzeit von Januar bis April durchquert und stellt eine grosse logistische Herausforderung dar.

Simon Edwards und Rich Doering suchen in einem verlassenen Haus Schutz vor den Baja-Winden, wo sie die nächsten sechs Grenzübergänge planen.

Unsere Entscheidung, die Expedition am 11. November zu starten, war sowohl strategisch als auch symbolisch. Das Team bestand hauptsächlich aus Veteranen der US-Armee aus dem Irak(-Krieg) und Afghanistan. Und die Abfahrt am Veteran’s Day bedeutete, auf der ersten Etappe der Reise, dem Dalton Highway von Prudhoe Bay, Alaska, nach Fairbanks, würde weniger LKW-Verkehr herrschen – ein grosser Vorteil auf den schmalen, schneebedeckten Kurvenstrassen den Atigun-Pass, 240 Kilometer nördlich des Polarkreises, hinauf.

Motorräder mit zwei und drei Rädern

Mit speziell konzipierten Seitenwagen, Zusatzscheinwerfern, Ersatzbatterien und beheizter Ausrüstung fuhren wir die 4‘800 Kilometer von Alaska und Kanada aus in etwas mehr als zwei Wochen. Nur ein Unfall hielt uns auf. Ein ausser Kontrolle geratenes Auto erwischte einen Fahrer von der Seite; sein Bike wurde noch in derselben Woche repariert.

Zwei Wochen lang quälte uns die Kälte, froren unsere Augenlider ein und es litt jedes Stück nicht bedeckter Haut.

In Bend, Oregon, liessen wir die Beiwagen zurück und fuhren auf zwei Rädern weiter nach Mexiko und Mittelamerika. Nach Temperaturen bis minus 25 Grad waren Kalifornien und die Wärme der Baja California in Mexiko eine willkommene Erleichterung.

Die längeren, wärmeren Tage in Kalifornien und Baja brachten eine willkommene Erleichterung von dem nasskalten Wetter im pazifischen Nordwesten – das Fahren wurde wieder angenehmer und wir konnten unter den Sternen schlafen.

Bis zu unserer Ankunft in Yaviza, Panama, am 10. Januar stand es infrage, ob wir die endgültige Genehmigung zur Durchquerung des Darién-Nationalparks erhalten würden. Wir lagen fünf Tage hinter unserem ursprünglichen Zeitplan, aber die Gefahr, in Panama City abgewiesen zu werden, trieb uns wieder auf unseren Weg durch Mittelamerika; den Weihnachtstag verbrachten wir in Guatemala und in Costa Rica feierten wir eine Nacht mit einem KLR-Club.

Seit den ersten Darién Gap-Durchquerungen in den 60er, 70er und 80er Jahren ist die politische Situation zwischen Panama und Kolumbien angespannt.

Ohne Strassen oder Brücken, mit nur wenigen Dörfern und einem dichten, tückischen Dschungel voller Insekten und giftiger Schlangen, ist das Gebiet seit Langem Heimat für Drogen- und Menschenhändler sowie paramilitärische, regierungsfeindliche Gruppen.

Als wir in Panama City ankamen, erreichte uns die Nachricht, wir dürften den Dschungel durchqueren, vorausgesetzt, eine bewaffnete Senafront-Grenzpatrouille Panamas würde uns bis zur kolumbianischen Grenze begleiten.

Die Strasse endet in Yaviza, einem kleinen Dorf am Fluss, das als zentraler Handelsposten am Rande des Dschungels dient. Am Ende der Strasse überquert eine schmale Hängebrücke den Chucunaque River, dann führt ein schmaler Fussweg nach Süden in den riesigen, unberührten Dschungel von Darién.

Wir luden vier Motorräder auf schmale Einbaumkanus aus massivem Hartholz, die von kleinen Aussenbordern angetrieben wurden. Zwei Tage später, erreichten wir bei ungewöhnlich heftigen Regenfällen das Dorf Paya, die letzte Stadt im Dschungel bevor es nach Kolumbien geht.

Im Nirgendwo zwischen Panama und Kolumbien

Die starken Regenfälle und der tiefe Schlamm verlangsamten das Fortkommen auf den Motorrädern. Nach nur wenigen Kilometern streikte die Kupplung eines Bikes. Die anderen drei schafften es am nächsten Tag noch ein paar Kilometer weiter, bevor auch sie aufgaben.

Mit Hilfe der dort ansässigen Kuna-Indianer begannen wir, die Motorräder mühsam von Hand zu ziehen.
Wir schlugen Schneisen in den Dschungel und arbeiteten mit Flaschenzug und Seilen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, assen Reis und Kochbananen und filterten schlammiges Wasser zum Trinken.

Gegen Ende des achten Tages überquerten wir den Atrato-Sumpf per Boot und tauschten den Darién-Dschungel gegen die Stadt Turbo. Ein paar Tage Erholung folgten, wir besorgten Ersatzteile für die Bikes, dann waren wir wieder auf der Strasse. Von Cartagena reisten wir nach Süden in das berühmte Kaffeeanbaugebiet Kolumbiens, und nach einer dringend benötigten Pause weiter in Richtung Peru. Wir trafen uns mit Freunden, wanderten in den Bergen um Machu Picchu und planten die letzte Etappe unserer Route.

Je weiter wir nach Süden kamen, desto stärker wurde uns bewusst, dass der Winter nahte. Schwere Regenfälle folgten uns auf der Carretera Austral durch Chile und ins südliche Argentinien, wo uns starke Winde und gelegentliche Schneefälle bremsten. In fünfeinhalb Monaten auf der Strasse hatten wir etwas über 31‘400 Kilometer zurückgelegt und kamen Mitte April in Ushuaia, Argentinien, an.

In der glühenden Hitze des Dschungels

Teamarzt Simon Edwards und ein einheimischer Kuna-Führer mühen sich ab, eines der vier 300 Kilogramm schweren Adventure Bikes über eine tiefe Schlammschlucht im Herzen Panamas zu heben.

Nur drei der Motorräder schafften es durch den Darién.

Am 10. Januar erreichten wir schliesslich Panama und begannen unsere Reise flussaufwärts durch den Darién-Dschungel. Ungewöhnlich starke Regenfälle liessen die Flüsse anschwellen und überspülten Strassen und Wege. Mit den Worten eines Teammitglieds: “Nach drei Jahren Planung und monatelanger Sorge stehen wir endlich dem Monster gegenüber.”

Scheinbar resistent gegen die Hitze und Luftfeuchtigkeit arbeiteten die Angehörigen des heimischen Kuna-Stammes pausenlos und halfen, den Dschungel von Ranken und umgestürzten Bäumen zu befreien.

Der Dschungel ist eine mächtige Bestie

Wir wechselten uns ab beim Fahren, Schieben und Ziehen der Motorräder durch den dichten Dschungel, der langsame und ermüdende Prozess war frustrierend.

Wir fanden schnell heraus, dass wir die schweren Adventure Bikes unmöglich durch den Dschungel “fahren” konnten, da jedes Motorrad knapp 300 Kilogramm wog.
Ranken griffen nach unseren Händen und Wurzeln blockierten die Vorderreifen, so dass wir umkippten. Ungefähr alle 30 Meter hielten wir an, um Schlamm, Zweige und Ranken aus Kette, Zahnrädern und Schutzblechen zu entfernen.

Am Ende des zweiten Tages hatte der knietiefe Schlamm die Motorräder schwer mitgenommen. Ein Bike mussten wir im Dschungel zurücklassen, zwei weitere hatten ausgebrannte Kupplungen.

Jeden Tag plagten uns Giftschlangen, Skorpione, beissende Ameisen, Bienen und schwarze Stechpalmen. Unser morgendliches Mantra lautete: Check deine Stiefel!
Die Anwesenheit der panamaischen Grenzpatrouille erinnerte uns an die ständige Bedrohung durch Drogenschmuggler oder Menschenhändler.
Nach zwei anstrengenden Tagen, an denen wir die Bikes mit Seilen und Flaschenzügen nur wenige Meter vorwärtsbewegen konnten, schlugen wir ein Lager auf und diskutierten unsere weiteren Möglichkeiten.

Nach einem weiteren Tag im Dschungel war alles schlammbedeckt. Mit jedem Schritt wurden unsere Stiefel schwerer. Der Schlamm verschlang unsere Energie, zerstörte unsere Ausrüstung, schwächte die Moral.

Die Motorsägen waren uns voraus, ihr entferntes Summen durchbrach gelegentlich die Stille. Ohne das Stöhnen und Schreien der Männer, die sich abmühten, die Motorräder zu ziehen, war der Dschungel ein unheimlicher Ort. Wenn man nur wenige hundert Meter zurückfällt, fühlt man sich plötzlich sehr einsam im unendlichen, grünen Laub.

Obwohl die Kupplungen der Bikes vom Fahren im tiefen Schlamm unbrauchbar waren, beschlossen wir, weiterzumachen.

Mit Seilen und einem 1:4 Flaschenzug bewegten wir uns Meter um Meter vorwärts.

An der Grenze von Panama zu Kolumbien

Hier schlossen sich uns Angehörige des Wounaan-Stammes aus dem Dorf Cristales an. Mit frischem Mut und den zusätzlichen Arbeitskräften holten wir verlorene Zeit auf.

Nach fünf Tagen begannen dichter Dschungel, schwarze Stechpalmen, Hitze und Luftfeuchtigkeit, dem Team zu schaffen zu machen; Teamwork wurde für uns überlebenswichtig.

Blasen, Insektenstiche und Fussbrand erinnerten uns mit jedem Schritt an unsere mangelnde Vorbereitung.
Jeder Fluss brachte willkommene Erleichterung, zum Ausruhen, um Mittag zu essen und den Schlamm von der Kleidung zu waschen.
Einer unserer Kuna-Freunde kochte stärkehaltige Bananen und Reis zum Abendessen und zum Frühstück am nächsten Tag. Jeden zweiten Tag genossen wir eine Dose Spam dazu, ein bisschen Luxus nach einem langen Tag Arbeit und Schweiss.

Die Freude, als wir das kolumbianische Flussnetz zu erreichten, das in den grösseren Atrato-Fluss mündete, war von kurzer Dauer. Nach nur einer Stunde Bootsfahrt stiessen wir auf unser letztes grosses Hindernis im Darién, den Atrato-Sumpf.

Jede Biegung im Sumpf bedeutete, Schlamm zu beseitigen, umgestürzte Bäume wegräumen und die schweren Piraguas (Einbaumboote) manchmal auf Händen und Knien, Zentimeter um Zentimeter, flussabwärts zu ziehen.
So nahe am offenen Fluss hatten wir das Gefühl, der Dschungel unternehme einen letzten Versuch, uns aufzuhalten.

Auf die Strapazen des Darién Gap folgte die Bürokratie

Nach acht Tagen im Darién erreichten wir die Stadt Turbo, unser Tor nach Südamerika. Wir reparierten die Bikes und schlugen uns noch ein paar Tage mit der Bürokratie Kolumbiens herum, bevor wir schliesslich mit Fotos bezeugen konnten, dass wir über die Nordwestgrenze nach Kolumbien gekommen waren.

Die offiziellen Strassen und selbst verkehrsreiche Städte waren eine willkommene Abwechslung zu den Erfahrungen im Dschungel.

Zum grössten Teil flog Südamerika viel zu schnell an uns vorbei; wir befanden uns kurz vor dem Ziel in Ushuaia und wünschten uns, wir hätten mehr Zeit, noch all die Nebenstrassen zu erkunden.

Am Ende unserer fünfmonatigen Reise erreichen wir den südlichsten Punkt von Ushuaia, nach 31‘400 km auf dem Panamerican Highway und einer lückenlosen Motorradtour durch den berüchtigten Darién Gap. Einerseits waren wir erleichtert, dass wir es geschafft hatten, aber auch traurig, dass es schon vorbei war.

Die meisten von uns fragten sich, welches Abenteuer uns wohl als nächstes erwarten würde.

Fotos: Jake Hamby, Alex Manne

„Eine Büroklammer in Alaska“: Wie ich meinen Schreibtisch gegen die Wildnis eintauschte

„Eine Büroklammer in Alaska“: Wie ich meinen Schreibtisch gegen die Wildnis eintauschte

„Eine Büroklammer in Alaska“: Wie ich meinen Schreibtisch gegen die Wildnis eintauschte

 

“Wenn die Wirklichkeit einen Traum zerstören kann, warum sollte dann nicht auch ein Traum die Wirklichkeit zerstören? (George Moore)”, so beginnt das erste Kapitel der Erzählung „Eine Büroklammer in Alaska“ von Guy Grieve.

Nach einem beruflichen Fehlschlag ist der Büroangestellte und Familienvater Guy auf der Suche nach sich selbst. Es reift in ihm der Plan, einen Winter in Alaska in einer Hütte zu verbringen. Kurzerhand tauscht er seinen Schreibtisch gegen die Wildnis. Diese herzergreifende wahre Erzählung lässt den Leser teilhaben an der rauen Natur Alaskas am Yukon River und den Menschen, deren Freundschaft er sich erarbeiten muss. Man bekommt einen Einblick, was es heisst, sich selbst in der Einöde tagtäglich versorgen zu müssen, aber auch tausende Kilometer von seiner Familie getrennt zu sein. Trotzdem findet man sich vielleicht auch ein wenig selbst in der Erzählung wieder, weil man auch bisweilen aus dem normalen Alltag ausbrechen wollte.

Die zahlreichen Bilder, Illustrationen, Tagebuchzitate und Erläuterungen unterstützen diese kurzweilige Geschichte vom Jagen, Eisfischen, dem Kampf gegen Bären und Wölfe sowie der Einsamkeit in der schönen und gleichzeitig gefährlichen Natur Alaskas.

„Eine Büroklammer in Alaska“: Wie ich meinen Schreibtisch gegen die Wildnis eintauschte von Guy Grieve, besprochen von Stefan Knopp, ISBN 978-3958980112

Die grosse Reise von Alaska nach Argentinien

Die grosse Reise von Alaska nach Argentinien

Die grosse Reise von Alaska nach Argentinien

 

Nachdem wir uns erst zwei Monate zuvor getroffen hatten, brachten uns unstillbares Fernweh und spontane Abenteuerlust auf eine Idee. Zusammen würden wir den Planeten befahren. Inspiriert hatten uns die 26 Jahre Weltreise von Gunther Holtorf. Wir planten eine 350’000 km lange Reise mit dem Start der ersten Etappe von Alaska nach Argentinien.

Topher und ich hatten weder Geländeerfahrung noch Ahnung von Technik oder Overlanding. Da die Abreise bereits in einem Monat war, würden wir uns die unabdingbaren Kenntnisse erst unterwegs aneignen können.

Aufgrund der Eile waren wir sehr zurückhaltend mit Informationen zu unserer geplanten Expedition; unsere Freunde und Familie zu Hause in Neuseeland wussten von unseren Plänen nur wenig. Unser Ziel war es, die Expedition am ersten Tag vom nördlichsten Punkt Amerikas aus anzukündigen.

Live in Alaska

Wir flogen von Auckland nach Vancouver, Kanada, und trafen unseren dritten Reisebegleiter: Gunther, ein 2015er Jeep Wrangler Rubicon. Eine Woche später war er gepackt, mit einem Dachträger ausgestattet und einsatzbereit. Wir fuhren nach Norden Richtung Deadhorse, Alaska, dem Ausgangspunkt unserer Expedition. Nach 10 Tagen erreichten wir die abgelegene Bergbaustadt und das Ende der Strasse. 1100 Kilometer zuvor hatten wir den Polarkreis überquert, jetzt waren wir auf der North Slope mit schockierenden Temperaturen zwischen -15 und -30 Grad.

Gunther parkte draussen, wir sassen glücklich in einer Cafeteria voller Ölbohrarbeiter aus der Gegend. Ohne Mobilfunksignal mussten wir das WiFi nutzen, um unsere Freunde und Familie zu Hause einzuweihen. Nervös vor Aufregung verliessen wir unsere Komfortzone und liessen am 7. April 2018 um 20:00 Uhr die Expedition Erde vom Stapel. Wir fuhren unsere Website hoch, starteten Instagram, aktualisierten unseren Facebook-Status, schalteten Timer und Garmin GPS-Live-Tracker ein.

Die Message war eindeutig: Folgt der Expedition und unserem GPS-Link JETZT auf dem Weg nach Süden. Expedition Erde war live und unser Adrenalinspiegel stieg ins Unendliche. Wir hatten das Gefühl, plötzlich im Mittelpunkt der Welt zu stehen. Wir wurden mit Kommentaren überflutet, die Live Tracker-Klicks stiegen und stiegen.

Es war Zeit, uns auf die erste von drei Etappen zu begeben, unsere Fahrt von Alaska nach Argentinien. Wir eilten zu Gunther, umarmten und küssten uns, drehten am Zündschlüssel und – nichts. Ein nervöses Lachen, “Das glaub’ ich jetzt nicht”, und noch ein Versuch – nichts.

Wir wussten, dass bei diesen Temperaturen eine Standheizung von Nöten war, hatten aber nicht damit gerechnet, dass die Batterie in nur einer Stunde komplett leer sein würde. Wir überprüften die Systeme und stellten fest, dass Topher das Licht angelassen hatte.

Diese erste Herausforderung war spannend, da wir endlich unsere Bergeausrüstung ausprobieren konnten. Nach wenigen Minuten – die Zeit, in der das Personal die Cafeteria dicht machte und nach Hause ging – war klar, dass sich auch die Batterie unseres mobilen Starterkits in der unmenschlichen Kälte entladen hatte. Bei -30 Grad und mit eiskalten Händen sassen wir fest, nichts ging mehr.

Retter mit Fahne

Bei solchen Temperaturen und dem plötzlichen Zustrom von Anrufen und Nachrichten unserer Freunde und Familie starben auch unsere Telefonakkus schnell den Gefrier-Tod. Aber der Live Tracker lief…

Versucht mal jemanden zu finden, der hilft, dein Fahrzeug um 22:00 Uhr am Polarkreis zu starten. Das kann schwierig sein, besonders wenn du ein nüchternes Rettungsteam erwartest. Unser Retter in der Not erschien in einem brandneuen russischen Tundra. Als er sein Fenster öffnete, sahen und vor allem rochen wir einen modernen Piraten. Er plumpste vom Fahrersitz und war so betrunken, dass er vergessen hatte, wie man die Motorhaube öffnet. Schliesslich gelang es Topher, die Haube zu entriegeln. Gunther wurde wiederbelebt und wir konnten endlich losfahren.

Deprimiert versuchten wir beide, das sich ausbreitende Gefühl von Unzulänglichkeit in Sachen Technik und Mechanik mit Schweigen zu vertuschen.

Es war jetzt 22:45 Uhr. Wir würden unser Ziel für die Nacht nicht mehr erreichen, und dies war nur der erste von 1‘195 Tagen geplanter Reise. Hungrig, kalt und müde beschlossen wir, unser Lager gleich ausserhalb von Deadhorse aufzuschlagen. Wir fanden einen geeigneten Platz 30 Minuten vor der Stadt und begannen, uns für die Nacht einzurichten. In den nördlichen Regionen unserer Expedition wollten wir im Jeep schlafen und das Zelt in den wärmeren Klimazonen benutzen. Topher begann, die Betten zu machen, während ich das Abendessen vorbereitete.

Da wussten wir noch nicht, dass unser Essen auf dem Rücksitz eingefroren war. Nicht nur das, auch unser Trink- und Kochwasser war ein einziger Eisblock, und das Propangas für den Kocher hatte sich verflüssigt.

Um 1:00 Uhr morgens lagen wir im Bett, unser Live Tracker zeigte stolz unseren Standort nur 27 Kilometer hinter Deadhorse. Zweifel an unserer Reise über sieben Kontinente machten sich breit und wir begannen, Fragen zu stellen. Machen wir den grössten Fehler unseres Lebens? Bekommen wir unsere Ersparnisse zurück, wenn wir morgen alles verkaufen? Wie sollen wir das überleben?

Ein Jahr später: Topher ist gerade dabei, bei 40 Grad Hitze in Namibia unser Lager aufzuschlagen, während ich diesen Artikel schreibe. Letztes Jahr haben wir den amerikanischen Doppelkontinent in acht Monaten mit nur einer Reifenpanne gemeistert – ohne leere Batterien, ohne leere Tanks, ohne etwas verloren zu haben und ohne einen einzigen Kratzer an Gunther. Auf der zweiten Etappe unserer Reise reisen wir nun nach Ostafrika und über den Mittleren Osten zum nördlichsten Punkt Europas, dem Nordkap in Norwegen. Expedition Erde war die beste und aufregendste Entscheidung unseres Lebens.

Fotos: Bridget Thackwray und Topher Richwhite