Slowly, Slowly durch Afrika – Der Traum vom Abenteuer im Dreirad
6.11.2024
Am Anfang war da ein Traum – einer von endlosen Pisten, wilden Tieren und grenzenloser Freiheit. Afrika sollte es sein. Doch Corinne wollte nicht auf 2 Rädern, Oliver nicht auf 4. Ein typisch schweizerischer Kompromiss? Ein Dreirad! So ging’s im Juni 2017 los, mit einer Ural mit Seitenwagen, die in Sachen Komfort nicht mehr als ein Minimum bietet – und das wohl am wenigsten geeignete Gefährt für eine Tour durch den wilden Kontinent ist. Aber was macht das schon, wenn der Abenteuergeist ruft?
Mit dem Bike, das liebevoll „Habash“ getauft wurde, fuhren die beiden quer durch die afrikanische Wildnis, von der glühenden Wüste bis hin zu üppigen Dschungeln. Ursprünglich auf zwei Jahre angelegt, dauerte die Reise über fünf Jahre und brachte Geschichten mit sich, die Corinne und Oli niemals erwartet hätten.
Norilsk. Die Nickelindustrie hat die Grossstadt immer noch fest in der Hand. Verschmutzung und ein Flair wie aus Sowjetzeiten sind die bleibenden Eindrücke.

An die Grenzen und darüber hinaus – Ein Abenteuer der Superlative
Mitten in den sandigen Ebenen des Oman und den steilen Höhen Äthiopiens lernten sie schnell, was es bedeutet, die eigenen Grenzen zu testen – und auch die des Motorrads. Afrikas Pisten sind nichts für schwache Nerven, und das Wort „Komfortzone“ gibt’s dort nicht einmal im Wörterbuch. In Tansania trafen sie auf die letzten Buschmänner, die ihnen ihre Welt zeigten. Im Ostkongo standen sie Auge in Auge mit den mächtigen Berggorillas und erlebten Momente, die unter die Haut gehen.

Mit Nashörnern auf Tuchfühlung und quer durch den Kongo
Dann kam die Pandemie – für viele das Ende ihrer Pläne, für Corinne und Oli aber die Chance ihres Lebens. Sie wurden Wildhüter in einem privaten Nashornreservat und lebten fast ein Jahr abgeschottet in einer Quarantänezone. Wer kann schon behaupten, Nashörner in freier Wildbahn beobachtet zu haben?

Aber die grösste Herausforderung wartete auf dem Rückweg von Namibia. Während Grenzen geschlossen waren, kämpften sie sich über Flüsse und Dschungelpfade, knüpften Kontakte und nutzten jede Gelegenheit, um weiterzukommen. Mit einem Fischkutter schafften sie es nach Kinshasa, wo sie wie Staatsgäste empfangen wurden. Und dann kam das ultimative Ziel: Der geheimnisvolle letzte Dinosaurier am isoliertesten See der Welt im Herzen des Kongos. Eine Expedition wie aus einem anderen Zeitalter, mit einer Prise Wahnsinn und echter Hingabe – nur so geht’s, wenn du wirklich Abenteuer willst.

Norilsk. Die Nickelindustrie hat die Grossstadt immer noch fest in der Hand. Verschmutzung und ein Flair wie aus Sowjetzeiten sind die bleibenden Eindrücke.

Während wir von eurer unglaublichen Reise und den vielen Herausforderungen gehört haben, die ihr gemeistert habt, wird schnell klar, dass „Habash“ mehr als nur ein treuer Begleiter war. Wir würden daher gerne noch etwas tiefer auf euren robusten Gefährten eingehen und haben ein paar Fragen, die uns und sicherlich auch unsere Leser brennend interessieren…

Zum Fahrzeug selbst: Warum habt ihr euch ausgerechnet für eine Ural mit Seitenwagen entschieden, obwohl sie für ein afrikanisches Offroad-Abenteuer irgendwie so gar nicht geeignet scheint?

Nach langen Diskussionen und dem Kompromiss, mit drei Rädern unterwegs zu sein, mussten wir erst einmal herausfinden, was so ein Seitenwagen dann überhaupt bedeutet. Indiana Jones war irgendwo bei mir im Hinterkopf. Nach langer Recherche wussten wir, dass die Customized Bikes kaum geeignet oder einfach nicht in unserem Budgetrahmen waren. Und eine BMW mit einem russischen Boot wollten wir nicht, dann schon richtig stylisch. Sozusagen die ultimative Herausforderung (lach).

Geländetauglichkeit und Antrieb: Wie hat sich der zuschaltbare Seitenwagenantrieb im Gelände bewährt? Gab es Momente, in denen ihr ohne ihn stecken geblieben wärt?

Dieser ist wirklich nur im Schlamm oder Sand nützlich, da wir kein Differential haben. Auf befestigter Strasse rennt das Ding sonst einfach geradeaus. Im Tiefsand hat uns dann der Zusatzantrieb wenig genützt. Wir waren einfach zu schwer. Da musste Corinne halt raus und das Ding schieben. Denn jemand musste ja steuern. Im Kongo waren wir oft froh drum.

Norilsk. Die Nickelindustrie hat die Grossstadt immer noch fest in der Hand. Verschmutzung und ein Flair wie aus Sowjetzeiten sind die bleibenden Eindrücke.

Modifikationen und Anpassungen: Habt ihr „Habash“ für die Reise speziell modifiziert? Welche Anpassungen waren besonders wichtig, um das Motorrad fit für Afrika zu machen?

Bilstein hat uns extra verstärkte Stossdämpfer hergestellt. Das war schon ein viel angenehmeres Fahren. Und den Tank haben wir vergrössert. Das war ein Segen. Und in Südafrika haben wir einen Auspuff kaufen müssen. Einen “proudly South African”, da die beiden Originale ständig abgefallen sind. Danach kam abends dann das Ohrensausen, weil der zu laut war…

Abenteuerliche Reparaturen: Gab es eine besonders verrückte Reparatur unterwegs, die du unseren Lesern nicht vorenthalten möchtest? Wie habt ihr euch mit Ersatzteilen für die eher exotische Marke versorgt?

Nicht so viel Freude hatten wir daran, dass im Tellerrad beim Hinterrradantrieb mehrfach grosse Zähne abgebrochen sind. Das haben wir anfangs kaum bemerkt, bis dann sieben Zähne durch waren und das Moto nicht mehr angelaufen ist. Und diesen Hinterradantrieb mussten wir zweimal ersetzen. Zum Glück in Dubai und Namibia. Da sind uns Freunde besuchen gekommen und haben dieses Teil mitgebracht. Schwierig zu finden waren die 19 Zoll Reifen. Eine Tortur. Wir brauchten 25 Reifen total.

Norilsk. Die Nickelindustrie hat die Grossstadt immer noch fest in der Hand. Verschmutzung und ein Flair wie aus Sowjetzeiten sind die bleibenden Eindrücke.

Schwierige Passagen: Was war das anspruchsvollste Gelände, das ihr mit „Habash“ gemeistert habt?

Besonders anspruchsvoll waren die Berge in Äthiopien. Ausgewaschene Naturpisten bis auf 3000 Meter. Obwohl wir kleinere Düsen in unsere Vergaser eingebaut hatten, mussten wir den “Habash” mithilfe der Einheimischen über Stunden bis auf die Pässe hochschieben.

Grenzen des Dreirads: Wo sind die Grenzen des Dreirads? Gab es schwierige Strecken, die nur mit viel Organisationstalent und Glück zu schaffen waren?

Die Strecke inmitten des Kongo Bassin zum Ausgangspunkt unserer Expedition war spannend. Die Dorfbewohner haben ja schon gestaunt über diese Mischung zwischen Auto und Motorrad. Dann meinten sie: Pas de problème. Es ging ja auch irgendwie diese 100 km total kaputter Strasse. Eine aneinander Reihung von Löchern in einer ursprünglichen Teerstrasse mitten im Dschungel haben uns und den Habash ziemlich geschafft.

Vorteile gegenüber einem typischen 4×4-Fahrzeug: Was sind für dich die grössten Vorteile, die das Dreirad gegenüber einem typischen 4×4 bietet? Oder umgekehrt – gab es Momente, in denen du dir ein klassisches 4×4 gewünscht hättest?

Haha. Immer wieder. Ein Fahrzeug mit Bett statt dem Zelt hätten wir uns dann in der Regenzeit schon immer wieder mal gewünscht. Ansonsten ist es schwierig zu beantworten, denn man passt sich dem Gefährt an. Natürlich waren wir nur für ein paar Tage wirklich autark. Doch so haben wir viele Begegnungen in Dörfern gehabt. Wir mussten Wasser bekommen, Lebensmittel an den kleinen Ständen kaufen und haben auch gerne mal eine Shebeen (kleine Bar) für ein kühles Bier besucht.

Norilsk. Die Nickelindustrie hat die Grossstadt immer noch fest in der Hand. Verschmutzung und ein Flair wie aus Sowjetzeiten sind die bleibenden Eindrücke.

Langlebigkeit und Durchhaltevermögen: Nach über fünf Jahren und endlosen Kilometern: Welche Eigenschaften machen „Habash“ für dich zu einem so verlässlichen Begleiter?

Du meinst wohl zu einem wechselhaft verlässlichen Begleiter? Wir haben das Ding liebgewonnen und verzeihen ihm alle Fehler. Er hat uns gezeigt, wie es ist, langsam zu reisen. Wir hatten ja auch bei allen Offiziellen unterwegs einen Bonus. Sie waren neugierig auf das Motorrad, haben dann unsere Papiere gar nicht betrachtet. Unzählige Polizisten und Grenzbeamte sind auf dem Ding gesessen und wir haben für sie Selfies gemacht. So hatten wir dann auch immer einen Stein bei ihnen im Brett.

Norilsk. Die Nickelindustrie hat die Grossstadt immer noch fest in der Hand. Verschmutzung und ein Flair wie aus Sowjetzeiten sind die bleibenden Eindrücke.

Unvergessliche Begegnungen dank „Habash“: Euer Fahrzeug hat sicher für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Gab es Begegnungen mit Einheimischen oder anderen Abenteurern, die ihr ohne die Ural vielleicht nie gehabt hättet?

Es war herrlich zu sehen, wie verwundert die letzten Buschleute in Tansania waren, als wir sie besucht hatten. Dazu mussten wir viele, viele Kilometer durch die absolute Wildnis fahren, ein Bekannter hat uns hingebracht. Diese Menschen leben noch heute als Jäger und Sammler. Natürlich haben wir ihre Sprache und Worte nicht verstanden, aber ihre Mimik und den Glanz in den Augen. Die Aufregung und das gegenseitige Erklären, was das wohl für ein Ding ist und wozu die Rückspiegel wohl da sind. Herrlich!

Norilsk. Die Nickelindustrie hat die Grossstadt immer noch fest in der Hand. Verschmutzung und ein Flair wie aus Sowjetzeiten sind die bleibenden Eindrücke.

Abenteuerfaktor Dreirad: Was würdest du anderen Offroad-Abenteurern sagen, die vielleicht auch mal mit einem Dreirad statt einem klassischen Offroader unterwegs sein wollen?

Unbedingt. Raus aus der Komfortzone und ab auf einen stählernen Bock sitzen. Corinne sagt gerade, dass der Sitz im Boot sehr komfortabel war. Sie meint gerade mit einem Schmunzeln, die harten Abenteurer könnten ja mal raus aus dem bequemen und passgenauen Scheelman Sitz und auf den unbequemen Ural Bock. Und dann einfach drauflosfahren. Das würde bestimmt vielen gefallen. Das Abenteurerfeeling ist gewaltig.

Norilsk. Die Nickelindustrie hat die Grossstadt immer noch fest in der Hand. Verschmutzung und ein Flair wie aus Sowjetzeiten sind die bleibenden Eindrücke.

Hand aufs Herz: Wenn nochmals 5 Jahre Afrika offroad, dann wieder mit dem Motorrad oder doch mit einem 4×4? Oder einem anderen Gefährt?

Beide Gefährte haben ihre Vorteile und tollen Eigenschaften. In den nächsten 2,3 Jahren werden eher mehr unseren Landcruiser in Botswana nutzen. Der Habash ist in Frühpension und wird immer wieder bei gutem Wetter ausgefahren. Er hat nach den harten Jahren eine Arthrose (Rost) angesetzt und ist nicht mehr so beweglich wie früher. Und Oli meint, es würde ihn schon reizen, nochmals eine grosse Tour zu machen…wir bleiben dran.

Bist du bereit für dein eigenes Abenteuer?

Die Geschichte von Corinne und Oli zeigt, dass es für ein richtiges Abenteuer keinen perfekten Plan gibt. Es braucht nur den Mut, die Komfortzone zu verlassen und loszufahren. Wenn dich diese Geschichten gepackt haben und du erfahren willst, ob die beiden wirklich das sagenhafte Urwesen gefunden haben – dann komm zur Multivisionsshow und lass dich mitreissen.

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