Wer könnte uns besser über dieses spannende Thema aufklären als Markus Hofmann, ein Experte und Autor zahlreicher Bücher über die Fahrzeuggeschichte der Schweiz?
Zur Anfangsgeschichte der Motorisierung in der Schweiz gibt es einige wichtige historische Daten. Der Bund besass zu dieser Zeit gerade einmal vier Fahrzeuge! Die gut 140-seitige illustrierte Chronologie beginnt im Jahr 1899 und gewährt, nach Jahren geordnet, einen Überblick über die Motorisierung der Schweizer Armee. Auf technische Daten wird dabei weitgehend verzichtet, die Präsentation ist auf die bildhafte Darstellung der wichtigsten Fahrzeuge mit kurzen Erklärungen fokussiert.
In unserem exklusiven Interview gibt uns Markus Hofmann einen tiefen Einblick in die Entstehung seines neuesten Buches, das die 125-jährige Geschichte der Motorfahrzeuge in der Schweizer Armee beleuchtet.

Als Autor des Buches «Fahrzeuge der Schweizer Armee» (4 Auflagen seit 2000) habe ich viel in Archiven recherchiert. Da bin ich auf die Beschreibung des ersten Einsatzes eines Motorfahrzeugs in der Schweizer Armee gestossen. Am 2. September 1899 fand die Begleitfahrt eines Motordreirades Egg & Egli mit den Radfahrertruppen statt. Dieses «Jubiläum» muss gewürdigt werden. Erstens im Rahmen der Vortragsreihe Verein Schweizer Armeemuseum VSAM, siehe www.armeemuseum.ch/Videos, und dazu in Buchform. Das Buch befasst sich vor allem mit der Entwicklung und Beschaffung unserer Armeefahrzeuge. Dies im Gegensatz zum oben erwähnten Buch und auch vieler weiterer Publikationen, die sich mit dem Einsatz und den technischen Daten befassen.
Welche Herausforderungen gab es bei der Recherche und Zusammenstellung der Informationen für das Buch?
Bei der Gestaltung des Buches konnte ich auf professionelle Hilfe zählen durch hs-publikationen.ch. Dazu kam meine Erfahrung als Autor der Bücher «Fahrzeuge der Schweizer Armee», «Fahrzeuge der Schweizer Autobusbetriebe» und «Fahrzeuge der Schweizer Feuerwehren». Hilfreich waren auch meine langjährigen Kontakte zu Amtsstellen der Armee sowie mein eigenes Bildarchiv und die Bildarchive mehrerer guter Freunde.
Gibt es ein bestimmtes Fahrzeug oder eine Fahrzeugreihe, die eine besondere Bedeutung in der Geschichte der Schweizer Armee hat?
Als legendär bei der Truppe gelten vor allem die Saurer 4×4 und Saurer 2 DM. Diese waren bei allen Truppengattungen im Einsatz in der Zeit des Kalten Krieges, als die Armee den höchsten Personalbestand hatte.


Welches war das erste 4×4 Fahrzeug, das in der Schweizer Armee eingesetzt wurde? Und wann (die Frage bitte gerne chronologisch richtig einordnen)?
Die ersten Allradfahrzeuge kamen erst im Zweiten Weltkrieg zur Schweizer Armee. Auf besonderes Verlangen der Artillerie waren das die Saurer Typen M4, M6 und M8.

Wie hat sich die Einführung von Motorfahrzeugen auf die Logistik und Mobilität der Schweizer Armee ausgewirkt?
Militärischer Einsatz ist ohne motorisierte Unterstützung nicht vorstellbar. Diese Erkenntnis hat sich aber erst im Ersten Weltkrieg in der Schweizer Armee durchgesetzt.
Kannst du mehr über die erste Versuchsfahrt eines Motorfahrzeugs in der Schweizer Armee am 2. September 1899 erzählen?
Anlässlich einer Ausfahrt im Radfahrer-Wiederholungskurs in Bern wurde am 2. September 1899 auf der 2-Tagesfahrt ein 2-plätziges Motordreirad der Firma Egg & Egli mitgeführt. Es blieb bei dieser einmaligen Teilnahme. Allerdings gab dies den Anstoss, dass bereits im kommenden Jahr ein 4-plätziger Peugeot an einer Ausfahrt der Radfahrer teilnahm und in den kommenden Jahren dann nach und nach Motorfahrzeuge eingesetzt wurden.

Wie hat sich die Zusammenarbeit zwischen der Schweizer Armee und der Privatwirtschaft im Bereich der Fahrzeugentwicklung entwickelt?
Durch Aufträge und Pflichtenhefte hat die Schweizer Armee die einheimische Fahrzeugindustrie stets unterstützt. Erwähnenswert sind die geförderten Eigenentwicklungen von Saurer, Berna, FBW, Mowag und zuletzt Bucher (Duro). Auch die einheimische Motorradindustrie, Motosacoche, Universal und Condor wurden stets berücksichtigt.
Welche technischen Innovationen waren für die Schweizer Armee-Fahrzeuge besonders bedeutend?
Militärische Forschung und Entwicklung hat immer auch später Fortschritte für die zivile Nutzung gebracht. Zu erwähnen sind der Allradantrieb und der Einbau von Seilwinden auf Fahrzeugen. Der Auftrag bestimmt die Mittel.
Welche Unterschiede gab es in der Nutzung und Wartung von Militärfahrzeugen im Vergleich zu zivilen Fahrzeugen?
Technisch gibt es keine Unterschiede. Für jedes Militärfahrzeug gibt es eine Dokumentation (Reglement), zum Teil auch digital mittels Tablet.
Wie hat sich die Motorisierung der Schweizer Armee während der beiden Weltkriege entwickelt?
Erst unter dem Druck des Ersten Weltkriegs wurden von der Armee eigene Lastwagen in grösserer Anzahl beschafft. Nach dem Ende des Krieges wurden alle requirierten Fahrzeuge ihren Eigentümern zurückgegeben und von den Armee eigenen Lastwagen wurden 100 an die Postverwaltung abgegeben. In der Zwischenkriegszeit kam es praktisch zu einem Stillstand in der Rüstungsbeschaffung. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs gab es Nachholbedarf. Vorerst wurden fast alle zivilen Motorfahrzeuge per Aufgebot requiriert. Insbesondere die Artillerie verlangte nach Allrad-Lastwagen, was die Entwicklung von entsprechenden Schweizer Lastwagen beschleunigte.
Welche Bedeutung hatte das freiwillige Automobilkorps für die Motorisierung der Schweizer Armee?
Das Freiwillige Automobilkorps bestand aus Mitgliedern des Automobil Clubs der Schweiz (Anm. d. Red., gegründet am 6. Dezember 1898) und war offiziell der «Automobildienst der Schweizer Armee». Zu Beginn des Ersten Weltkriegs war das FAK das Rückgrat der Motorisierung. Weitere Informationen dazu von Historiker Jürg Burlet: Das Freiwillige Automobilcorps der Schweizer Armee im Ersten Weltkrieg
Kannst du einige der bedeutendsten Schweizer Fahrzeughersteller nennen, die für die Armee produzierten?
Als erfolgreichste Schweizer Automarke, und demnach auch Lieferant für die Schweizer Armee, gilt Martini. Von 1897 bis 1934 wurden etwa 3500 Fahrzeuge hergestellt. In der Luxusklasse erfolgreich etabliert war Pic-Pic. Von 1906 bis 1922 wurden etwa 1600 Fahrzeuge hergestellt.
Von den Nutzfahrzeugen sehen wir heute noch an Fahrzeugtreffen die ehemaligen Marken Saurer, Berna, FBW und Mowag (heute GDLS). Auch die ehemaligen Armee-Traktoren von Hürlimann, Bührer und Vevey sind an Oldtimertreffen gut vertreten.






Wie wurde die Fahrzeugausstattung der Schweizer Armee nach dem Zweiten Weltkrieg modernisiert?
Im Zweiten Weltkrieg zeigte sich, dass unsere Armee ungenügend motorisiert war. So wurde nach Kriegsende die Gelegenheit ergriffen, aus amerikanischen Überschussbeständen grössere Stückzahlen an zurückgelassenen Fahrzeugen einzukaufen (Aktion Surplus). Literaturhinweis: «Der Jeep erobert die Schweizer Armee»
Welche spezifischen Herausforderungen gab es bei der Integration neuer Technologien in die Armee-Fahrzeuge?
Je nach Standort ist die Truppe in der Lage, Fahrzeuge selbst zu warten und zu versorgen. Die Treibstoffversorgung mit Benzin und Diesel ist durch die Truppe zu organisieren. Bei der Integration neuer Technologien ist die Versorgung entsprechend anzupassen, das war seinerzeit so bei der Einführung von Benzin bleifrei und aktuell bei der Versorgung mit AdBlue.
Was erwartest du für die Zukunft der Motorfahrzeuge in der Schweizer Armee, insbesondere im Hinblick auf Elektro- und Hybridfahrzeuge?
Bei den Fahrzeugen der Bundesverwaltung werden im Grundsatz nur noch rein elektrisch betriebene Fahrzeuge beschafft. Dies gilt, mit Einschränkungen, auch für die Personenwagen der Berufsmilitärs. Die Armee hat in einem Pilotversuch zwei elektrische Fahrschullastwagen auf dem Waffenplatz Thun im Einsatz.

125 Jahre Motorfahrzeuge der Schweizer Armee
Illustrierte Chronologie 1899-2024
Autor: Markus Hofmann
ca. 140 Seiten, gebunden, Kartoneinband
ISBN 978-3-9525993-0-3
Das Buch kann hier online bestellt werden: Verein Schweizer Armeemuseum (VSAM)
Ziel des Vereins Schweizer Armeemuseum (VSAM) ist die Förderung der Errichtung eines Schweizer Armeemuseums; Beitrag zum Erhalt des historischen Armeematerials sowie dessen Erforschung und Dokumentation; Förderung des Wissens über die Schweizer Wehrgeschichte.