Was für ein Ritt! Nirgends kann der neue Ford Bronco seine Qualitäten besser beweisen als auf einer Fahrt von Las Vegas nach Los Angeles – vor allem, wenn man den Highway dabei die meiste Zeit links liegen lässt.
Der Bronco ist ein Lonesome Rider und nicht für die Zivilisation gemacht. So, wie jeder gute Cowboy mit der Stadt fremdelt und die Zähne ohnehin nicht auseinanderbekommt, so zieht es auch den Ford am nächsten Morgen schnell wieder raus in die Wildnis. Und kaum sind die Hotelhochhäuser aus dem Rückspiegel verschwunden, ist er auch schon runter vom Highway und rollt auf den Byways zum Härtetest ins Death Valley.
Treibende Kraft dabei ist wahlweise der 2,3-Liter-Ecoboost-Vierzylinder, den wir aus dem Mustang kennen, oder ein V6 mit 2,7 Litern, dem ebenfalls ein Turbo Druck macht. Aber egal ob 270 oder 310 PS, der Bronco ist kein Rennwagen. Sogar der V6 bevorzugt im Zusammenspiel mit der 10-Gang-Automatik den gemütlichen Trab und lässt sich auf Asphalt nur mühsam über 160 Sachen treiben. Dabei ist es im Tal des Todes in diesen Tagen so leer wie sonst nie, die Cops sind im Winterschlaf und man könnte wohl sogar einen Ferrari mal gefahrlos ausfahren.
Dass der Tag schneller zu Ende geht als die Strecke, stört den routinierten Reiter nicht. Erst recht nicht im neuen Bronco. Wofür lässt sich auf dem Touchscreen in der Mittelkonsole schliesslich das „Zone Lighting“ aktivieren. Dann strahlen nicht nur die LED-Scheinwerfer im Bug, sondern auch aus den Seitenspiegeln flutet plötzlich Licht und der Rückscheinwerfer leuchtet taghell nach hinten – so findet man selbst in pechschwarzer Nacht aus dem Death Valley heraus.
Nur um gleich im nächsten Extrem zu landen – denn wer nicht ganz auf der direkten Route zurück an die Küste fährt, der durchquert mit der Sierra Nevada auch ein paar ziemlich extreme Klimazonen – nur einen halben Tagesritt nach dem Death Valley steht der Bronco deshalb plötzlich zwischen meterhohen Schneewänden am Fuss der Mammouth Mountains, die groben Stollen der Offroad-Reifen krallen sich ins brüchige Eis und die Hütte in Quentin Tarantinos „Hatefull Eight“ kommt einem in den Sinn, wenn sich der Ford auf der letzten Meile zur Lodge durch den Schnee wühlt. Wie gut, dass es nicht nur ein halbes Dutzend Offroad-Fahrprogramme für jedes Terrain gibt, sondern zur zehnstufigen Automatik und dem zuschaltbaren Allradantrieb auch noch eine Geländeuntersetzung und obendrein drei Sperren. Damit kennt das Wildpferd tatsächlich kein Halten mehr. Winterreifen? Schneeketten? „Nicht nötig“, haben sie bei der Testwagenausgabe gesagt. „Ihr müsst schon ein paar ganz dumme Entscheidungen treffen, wenn ihr euch mit einem Bronco festfahren wollt.“ Die leichten Zweifel an dieser Aussage sind nach dieser zweitätigen Fahrt wie weggeblasen.
Sommerhitze mitten im Winter im Death Valley, Schneetreiben in Mammouth und arktische Kälte am Mono Lake – als hätten sie ihm drei-Wetter-Taft in den Tank gekippt, lässt sich der Bronco von der Witterung nichts anhaben. Was ihn mehr stört als die Klima-Kapriolen entlang der Route, das sind die Kurven auf der Fahrt Richtung Los Angeles. Denn wer glaubt, in Amerika seien alle Strassen wie mit dem Lineal gezogen, der muss mal auf dem Highway 178 durch den Kern River-Canyon nach Bakersfield fahren. Und wenn er das mit einem Bronco tut, kann er sich danach die Freihanteln im Gym für ein paar Wochen sparen. Als wäre der hohe Schwerpunkt und mit ihm der Seegang in engen Kurven nicht schon anstrengend genug, verlangt der wilde Gaul in der Zivilisation nach kurzen Zügeln und einer strammen Hand, so dass Lenken zum Kraftakt wird. Aber wer durch solche Schluchten schiessen oder über die Pässe fliegen will, der soll gefälligst das zweite Wildpferd im Ford-Stall nehmen. Wofür haben die Nachfahren von Henry Ford schliesslich den Mustang gemacht?
Ausserdem ist der Ritt durch den Canyon aller Mühen wert. Denn er endet in Bakersfield und von da sind es nur noch ein paar Meilen rein nach Los Angeles und spätestens in Beverly Hills wiederholt sich das Spiel von Las Vegas. Selbst vor dem legendären Peninsula Hotel, wo sich nach einem Rolls-Royce oder Bentley schon lange keiner mehr umdreht, rangeln die Jungs vom Valet-Service darum, wer den Bronco in den Stall führen darf. Fehlt nur noch, dass sie ihn striegeln und streicheln oder zumindest füttern wollen wie früher bei den echten Gäulen.
Ein paar Streicheleinheiten könnten jetzt aber auch die Insassen gebrauchen. Denn nach den 2.000 Kilometern über Stock und Stein, über Eis und Schnee, Schotter und Asphalt sind die ebenfalls ein bisschen k.o. und sehnen sich ganz kurz nach einem etwas gemütlicheren Geländewagen wie dem Ford Explorer oder wenigstens dem Escape wie sie den Kuga hier drüben nennen.
Aber nicht, dass wir uns falsch verstehen, dass ist keine Beschwerde. Denn spätestens seit John Wayne wissen wir doch alle, dass Wellness im Wilden Westen eher klein geschrieben wird. Und da macht es keinen Unterschied, ob der Gaul vier Hufe oder vier Reifen hat. Ausserdem haben sie hier im Hotel ja eine schmucke Spa – da bekommen sie den wunden Rücken schon wieder gerade und auch die Kehrseite kuriert.
Text & Fotos: Bessinger spx