Man glaubt es kaum angesichts der Fülle von SUV, aber es gibt immer noch echte Offroader, für die keine Prüfung abseits der Strasse zu hart, kein Weg zu steinig, kein Fluss zu tief und kein Berg zu hoch ist. Einer der letzten seiner Art ist die vierte Generation des Jeep Wrangler.
Der letzte Mohikaner: Jeep Wrangler JL
Moment, erst die vierte Serie? Auch das ist schwer zu glauben, doch die sieben Modellreihen zuvor hiessen eben nicht Wrangler, sondern einfach Jeep, gekennzeichnet nur durch die Werksbezeichnung CJ für Civilian Jeep – im Gegensatz zum Militärfahrzeug Willy‘s Jeep, mit dem 1942 alles begann.
Optisch ist der neue Wrangler sich und seinen Vorfahren treu geblieben, so wie es die Fans haben wollen. Trotzdem sind, fast im Vorbeigehen, wichtige technische Änderungen eingebaut worden.
Jeep Wrangler JL: Nur für echte Kerle/Innen
Die kantige und hochbeinige Karosserie gibt beim ersten Anblick das Versprechen auf maximale Geländegängigkeit – und auf viel mehr kommt es den eingefleischten Jeepern gar nicht an. Uns auch nicht und deshalb suchen wir nicht den Teufel im Detail, sondern erfreuen uns am neuen Wrangler JL, der einem City Slicker gerade noch genug Komfort bietet, sich aber erst abseits der befestigten Strassen so richtig wohl fühlt und Männlein wie Weiblein hinter dem Steuer zu echten Kerlen mutieren lässt.
Hoppelt auf der Strasse und die Lenkung macht was sie will
So ist auch das neueste Modell weit entfernt davon, auf der Strasse einen souveränen und komfortablen Eindruck zu machen. Ganz gleich, ob man die klassische kurze Variante probiert (hoppelt auf der Strasse) oder den um 55 Zentimeter längeren Viertürer (hoppelt etwas weniger), der Jeep fährt überall hin, nur nicht geradeaus. Fast jeder Rille laufen die Reifen nach, und die Lenkung tut nicht viel dagegen – sie wirkt, als hätte sie Spiel (was aber natürlich nicht so ist), und wenn man mal scharf abbiegt, stellt sie sich nur widerwillig zurück. Das hat aber auch Vorteile, die man im Gelände sofort erfährt.
Deshalb: weg von der Strasse
Ein Jeep Wrangler nimmt Strecken unter die Räder, die ein SUV nicht mal für 50 Meter überleben würde. Bei den ersten Testfahrten ging es dann auch gleich ordentlich zur Sache und wir haben auf unseren roten Rubicon vertraut und ihn einfach mal machen lassen. Dank dem im Rubicon verbauten Rock-Trac System (2-stufiges Verteilergetriebe mit Untersetzung 4:1), den beiden Sperren auf Vorder- und Hinterachse sowie den heavy-duty Dana 44 Achsen kann uns fast nichts aufhalten.
In der Untersetzung stehen die 450 Newtonmetern des neuen 2,2-Liter-Dieselmotors (200 PS) schon bei Schritttempo zur Verfügung. Langsam, aber sehr selbstbewusst schiebt sich der Wrangler voran. Tiefe Rillen tun sich links auf, rechts ragen dicke Baumwurzeln aus dem Waldboden, aber nichts von dem beeindruckt den Wrangler. Mit 25 Zentimetern Bodenfreiheit fährt er buchstäblich über Stock und Stein. An einer Stelle ist der Schlamm so tief und zäh, dass er mit schmatzendem Ton die Räder umschliesst: dank den Differenzialsperren für die Vorder- und Hinterachse befreit sich unser Rubicon scheinbar mühelos aus dieser misslichen Lage.
In solchen Situationen zeigt sich dann auch der Wert der etwas indifferenten Lenkung: Sie darf hier nicht millimetergenau die Spur wie auf einer Rennstrecke halten wollen. Vielmehr muss sie zulassen, dass das Auto sich seine Spuren suchen kann, und sie darf die Vorderräder auch nicht zu zackig einschlagen – auf matschigem Untergrund gibt es wenig Grip und da nützen schnelle Lenkbewegungen überhaupt nichts.
So langsam wie möglich..
..so schnell wie nötig, das ist das Leitmotiv im Gelände, gerade im unbekannten. Auch wenn die Stollen unserer Mud-Terrain-Bereifung immer mal wieder zu einem Extra-Gasstoss verleiten, weil man sie so vom Matsch befreien kann und es so herrlich dreckig spritzt. Besser ist es allerdings, vor allem für alle Mitreisenden, wenn Fahrer und Auto sich langsam voran tasten.
Wieder zurück auf fester Strasse stellt sich die Frage: Werden die Menschen den neuen Jeep Wrangler auf Anhieb als neuen Jeep Wrangler erkennen? Das wird schwierig, auch wenn es natürlich Hinweise gibt. So sind die beiden Rundscheinwerfer nicht nur serienmässig mit LED-Lampen bestückt, was der ganzen Front ein seltsam modernes Aussehen verleiht, sondern sie ragen auch ein kleines Stück in den typischen Jeep-Grill mit seinen sieben senkrechten Streben hinein. Der wahre Jeeper weiss: Das hat es schon mal gegeben, nämlich bei einigen Generationen des 1944–1986 gebauten Jeep CJ.
Willkommen in der Gegenwart
Und wer neugierig die Türen öffnet, erkennt auch, dass tatsächlich das 21. Jahrhundert Einzug gehalten hat. Ein digitales Cockpit erwartet den Fahrer, dazu der grösste Zentralbildschirm (8,4 Zoll), den es je bei Jeep gab – und der neue Wrangler kann sowohl mit Apple Carplay als auch mit Android Auto etwas anfangen, also die Apps der Smartphones während der Fahrt ins eigene Infotainmentsystem integrieren.
Da überrascht die serienmässige Rückfahrkamera mit hochauflösendem Bild kaum noch und den Tausch des Zündschlosses gegen einen Startknopf nimmt man ebenfalls hin.
Angesichts der ganzen Modernitäten wandert der Blick misstrauisch hinunter zu den Schalthebeln – allein um zu prüfen, ob der zweite Hebel, der den ganzen Charakter des Jeep Wrangler ausmacht, noch da ist. Don‘t panic, das technische Herz des Autos hat zwar eine Art Schrittmacher bekommen, ist aber im Charakter unverändert geblieben.
Nach wie vor fährt man den Jeep Wrangler normalerweise mit Hinterradantrieb – 2H heisst die entsprechende Schalterstellung. Wer die Vorteile des Allradantriebs nutzen will, hat nun zwei Möglichkeiten dazu statt nur eine: Früher konnte man auf 4H umschalten, und dann gelangten je 50 Prozent der Motorkraft auf Hinter- und Vorderachse. Das geht heute auch noch (4H Part Time), aber schlauer ist es, den Hebel auf 4H Auto zu legen.
Jetzt läuft der Jeep Wrangler auf der Strasse wie ein modernes Allradauto (man könnte auch sagen: wie ein Allrad-SUV), die Kraftverteilung ist variabel und die Vorderachse wird nur eingesetzt, wenn das auch wirklich geboten ist. Die letzte Schalterstellung lautet 4L und damit geht es dann über Stock und Stein. 4L deaktiviert auch automatisch ESP und die Traktionskontrolle, so dass man beim Klettern auf schlüpfrigem Grund nicht stehen bleibt, weil die Elektronik die Motorkraft immer weiter herunterregelt.
Jeep Wrangler Rubicon – Fazit:
Der Jeep Wrangler ist nach wie vor kein Auto für jedermann. Wer mit ihm reisen oder auch nur täglich zur Arbeit fahren will, wird bald erkennen, dass es für diese Zwecke bessere Autos gibt. Wer ihn als Begleiter für Fahr-Abenteuer einsetzt, wird Blutsbrüderschaft mit ihm schliessen wollen.
Jeep Wrangler Rubicon – Technische Daten:
Zweitüriger/viertüriger Geländewagen, Länge: 4,33/4,88 Meter, Breite: 1,89 Meter, Höhe: 1,88 Meter. Radstand: 2,46/3,01 Meter, Kofferraumvolumen: 192 bis 587/533 bis 1044 Liter, Bodenfreiheit: 25 cm, Wat-Tiefe: 76 cm.
Jeep Wrangler Rubicon 2.2 ATX: 2,2-Liter-Vierzylinder-Diesel, 147 kW/200 PS, maximales Drehmoment: 450 Nm bei 2000 U/min, Achtgang-Automatik, Allradantrieb, Vmax: 160 km/h, 0–100 km/h: 9,6/10,6 s, Durchschnittsverbrauch: 7,4/7,9 l/100 km, CO2-Ausstoss: 195/209 g/km, Abgasnorm: Euro 6
Jeep Wrangler Rubicon – Kurzcharakteristik:
Warum: Weil er einer der ganz wenigen echten Geländewagen ist.
Warum nicht: Weil es für die Fahrt in die Badi oder ins Einkaufszentrum SUVs gibt
Was sonst: Mercedes G-Klasse (viel teurer), Land Rover Defender (wenn er denn 2019 neu herauskommt)