Santiago De Chile 7. November 2016: Alles auf Anfang. Nur wir und unsere Backpacks. Entgegen den meisten anderen “Overlandern“ entscheiden wir uns aus verschiedensten Gründen dafür, kein Auto aus der Heimat mitzubringen, sondern alles Notwendige vor Ort zu besorgen. Dies sollte sich als eine Aufgabe herausstellen, welche, Zitat Max: „höchstens 3 Wochen“ in Anspruch nehmen wird. Letztendlich verbringen wir jedoch knapp die doppelte Zeit in jener undurchsichtigen und chaotischen Grossstadt, in welcher selbst der Kauf einer einfachen Kochstation eine Tagesaufgabe werden sollte.

Nach einigen Autobesichtigungen steht die Entscheidung fest. Es wird ein Nissan X-Trail, Baujahr 2010 mit gut 120’000 km. Für den notwendigen Komfort legen wir uns ein Dachzelt der Marke Autohome zu. Jenes schützt uns auf Grund seiner aerodynamischen Form und dem glasfaserverstärkten Kunststoff vor Windgeschwindigkeiten von bis zu 80 km/h (die nackte Wahrheit zeigt sich im Praxistest) und lässt durch den firmeneigenen atmungsaktiven Airtex-Stoff auch keine Feuchtigkeit ins Innere. “Mit dem Dachzelt durch Patagonien“ in Kombination mit zuschaltbarem Allradantrieb, verspricht uns somit die absolute Freiheit jederzeit, unkompliziert und überall ein Nachtlager zu errichten und dabei gleichzeitig die uneingeschränkte Verbundenheit mit der Natur geniessen zu dürfen. Ein Traum wird wahr!

Mit dem Dachzelt durch Patagonien – Herausforderung angenommen! 

Chile Patagonien

Nach schnell überwundenen 800 km Panamericana verlassen wir den Highway und sollten jenen auch für knapp drei Wochen nicht mehr zu Gesicht bekommen. Zu sehr verlieren wir uns in dem Gebiet mit den unzähligen Flüssen und Seen, welche die gleichnamigen Regionen De Los Rios und De Los Lagos kennzeichnen. Zudem dürfen wir die Allrad Fähigkeit unseres Autos zum ersten Mal auf einem erkalteten Lavastrom rund um den Vulkan Llaima testen. Jedoch fordern die allgegenwärtigen Gravelroads unseren treuen Gefährten nicht wirklich. Wir beschliessen daher an einem Zustrom des atemberaubenden Lago Caburgua “Scottys“ Wassertauglichkeit unter Beweis zu stellen. Trotz mehrerer Angstschreie Melli ́s – Prüfung erfolgreich bestanden!

Um dem Strom der meisten anderen Südamerika Reisenden zu entgehen, entschliessen wir uns die Reise gen Süden nicht über Isla Grande De Chiloe fortzusetzen, sondern wählen den weitaus weniger erschlossenen Abschnitt entlang des Festlandes, beginnend ab Puerto Varas bis hin zu 43,7° südlicher Breite, dem offiziellen Ende der Seenregion. Der Chilene beschreibt eben jenen Abschnitt als ausserordentlich „boniiiito!!“. Schön Ja, auf alle Fälle! – wären da nur nicht die unberechenbaren Witterungsverhältnisse Patagoniens, die uns trauriger Weise 14 Tage Regenwetter und Kälte bescheren. Nun heisst es vor allem für Melli Zähne zusammen beissen, das Dachzelt wird schon halten was es verspricht. Eine Erfahrung die uns allemal auf die folgenden klanghaften Regionen Aysen Del General Carlos Ibanez Del Campo und Magallanes Y De La Antartica Chilena vorbereiten sollte.

Von der Carretera Austral auf die Routa 40

Irgendwo zwischen den beiden nichtssagenden Orten Llahuepe und Contao fahren wir nun endlich auf die für uns schönste Strasse Südamerikas, die Carretera Austral. Viel zu kurz erscheinen uns diese rund 1000 km, nachdem wir in Chile Chico das Land verlassen und erstmals argentinischen Boden betreten. Auf geile Natur folgt Pampa pur! Die legendäre Routa 40 hat hier im Süden nicht allzu viel zu bieten. Glücklicherweise bespassen uns die allgegenwärtigen Guanacos, Nandus und Gürteltiere in regelmässigen Abständen. Zum Teil sind mit dem Auto nicht mehr als 40 km/h drin, trotz neuer Goodyear Adventure Reifen, denn die abfallenden Winde des Nationalparks Los Glaciers stehlen einem regelrecht den Atem. Auch die Variante Dachzelt ist unter den gegebenen Bedingungen, so muss es sich nun selbst Max eingestehen, alles andere als optimal. Weit und breit kein Baum in Sicht; die patagonischen Winde rauben uns den Schlaf. Die Belohnung folgt zu Tage: Mount Fitz Roy und der Gletscher Perito Moreno sind eines der absoluten Highlights unseres gesamten achtmonatigen und sechs Länder umfassenden Road-Trips.

Borderhopping zwischen Chile und Argentinien

Insgesamt überqueren wir die berüchtigte chilenisch-argentinische Grenze erfolgreiche fünf Mal, bei nur einem Fehlversuch. Da wir stets darauf bedacht sind die grossen Grenzübergänge zu meiden, um uns nicht hinter den vielen Touristenbussen anstellen zu müssen, werden wir ironischerweise an der wohl kleinsten und sicherlich südlichsten Grenze der Welt ausserhalb der Antarktis, dem Paso Rio Bellavista, abgelehnt. Laut des Grenzers` Smartphones und seines eilig gegoogelten Paragrafen Nummer §123, Absatz 456, sind wir als Deutsche nicht berechtigt mit einem chilenischen Auto das Land zu verlassen. Alles diskutieren ist zwecklos, wir müssen den insgesamt gut 250 km langen Umweg und den gewöhnlichen Grenzübergang bei San Sebastian, Tierra Del Fuego, in Kauf nehmen.

Die Strassenbedingungen deuten in diesem Teil des Landes jedoch nicht auf einen gemütlichen Sonntagsausflug hin. Einen ganzen Tag später befinden wir uns wieder auf unserer ursprünglich geplanten Route gen Fin Del Mundo.Nun kann uns nichts mehr aufhalten, nicht einmal drei!! platte Reifen innerhalb einer Woche und eine völlig zerschlissene Kupplung, um welche wir uns am südlichsten Ende der Zivilisation zu kümmern haben. Somit schleppen wir uns mit Scotty und letzter Kraft an das heimliche Ziel unserer Reise: Ushuaia. Wir verabschieden uns von Patagonien nach weiteren vier Wochen und 5000 Kilometern. Entlang der Atlantikküste, vorbei an Pinguin- und Seelöwenkolonien, quer durchs argentinische Flachland und die unendlichen Weiten, bis hin zu den abermals hoch aufragenden Anden bei El Bolson und Bariloche. Als Höhepunkt winken uns auf Peninsula Valdez die Orcas zum Abschied zu.

  

 

 

  

 

  

Unser Fazit: “Mit dem Dachzelt durch Patagonien“ versprach uns die absolute Freiheit gänzlich selbstbestimmt unsere Route quer durch dieses geheimnisvolle und teilweise noch unerschlossene Gebiet zu wählen. Der während des Reiseverlaufs immer weiter zunehmende Respekt vor dem Wind und die Ausgesetztheit gegenüber den allgegenwärtigen Naturgewalten zwangen uns jedoch zunehmend, meist dichte Bewaldung für die Nacht aufzusuchen. Die dadurch erzwungene Isolation bescherte uns zwar mindestens 30 ungestörte Lagerfeuer, doch auch dem besten Team gehen irgendwann die Gesprächsthemen aus.

Wer sich somit in der völligen Abgeschiedenheit wohl fühlt, wem Kälte, Nässe und Wind nichts ausmachen, dem sei diese Variante wärmstens ans Herz gelegt. Wer mehr Wert auf Komfort und Wärme legt, dem ist damit falsch beraten. Wir für unseren Teil wollen festhalten, dass das Reisen durch Patagonien mit zuschaltbarem Allrad, bestens geeignet ist; im Nachhinein sogar ein Muss! Denn nur so können auch jene Gebiete erreicht werden, welche dem Normalreisenden, den VW-Bus Besitzern und den mobilen Wohnern verwehrt bleiben. “Mit dem Dachzelt durch Patagonien“ – Herausforderung bestanden!

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