4x4Schweiz-Fahrbericht: VW Golf R

 

Vor kurzem erhielten die „normalen“ Gölfe ihre Modellpflege. Jetzt sind die Aussenseiter an der Reihe, unter ihnen auch der stärkste Kandidat im Rudel, der VW Golf R. Seine 310 PS inkl. Allradantrieb machen ihn fast schon zum Porsche-Schreck.

Vor 17 Jahren erfand VW den Golf R32, damals ein Power-Paket mit 3,2 Liter Hubraum, sechs Zylinder und 241 PS. Zehn Jahre später war Schluss mit sechs. Aus R32 wurde im Zuge einer neuen Plattform Golf R, unter dessen Haube fortan ein Zweiliter-Turbo-Vierzylinder seine Leistung (270 PS) zum Besten gab. Die Fans blieben ihrem Super-Golf trotzdem treu, zumal VW dem R mittlerweile weitere 30 PS spendierte.

Doch auch die 300 sind Geschichte. Mit der aktuellen Modellpflege, bei Volkswagen offiziell Produktaufwertung (PA) genannt, kitzelten die Motoren-Ingenieure jetzt 310 PS aus dem TSI-Aggregat. „Nie zuvor war ein serienmässiger Golf stärker und beschleunigte schneller“, sagt Arne Hinze, Entwicklung Gesamtfahrzeug. Und konnte nie zuvor so herrlich Fahrer in doppelt so teuren Sportwagen ärgern. Besonders, wenn der R-Käufer das optionale Performance Paket in der Preisliste angekreuzt hat. Es hebt die 250-km/h-Sperre auf und lässt den neuen Golf R stramme 267 km/h schnell werden. Da dürfte selbst mancher Porsche-Fahrer verwundert auf seinen Tacho schauen, sollte der R im Rückspiegel auftauchen.

4x4Schweiz-Fahrbericht: VW Golf R

Erkennbar ist der neue Power-Golf dann an einem nochmals geschärften Gesicht, den schwarz unterlegten LED-Scheinwerfern und dem glänzend schwarzen Wabengrill. Sieht man einen Golf mit vier weit aussenliegenden Doppelendrohren und Diffusor, zeigt auch dies unmissverständlich, von wem man da gerade überholt wurde. Wer den Golf R im Stand betrachtet wird zudem die gelochten Bremsscheiben und die silberne Logo-Platte auf dem Bremssattel ausmachen. Sie sind Teil der optionalen R-Performance Bremsanlage. Und auch die speziellen, 19 Zoll grossen Leichtmetallräder „Pretoria“ (ebenfalls gegen Aufpreis) weisen auf den stärksten Serien-Golf in der Geschichte dieses Autos hin.

Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Kompaktwagen mit einer Leistung von 310 PS, 380 Newtonmeter Drehmoment und Allradantrieb abgeht wie die sprichwörtliche „Schmidts Katze“. Das Schöne am Golf R aber ist seine schon fast unverschämte Souveränität. Es scheint völlig egal zu sein, in welchem Gang man sich gerade befindet, der Motor spricht sofort an und zieht mit Nachdruck los. Hinzu kommen eine Lenkpräzision und eine Kurvenfreudigkeit, die nur wenige Autos bieten. Dabei erkauft sich der Golf R seine Sportlichkeit nicht mit einem harten Rennfahrwerk, das einen im Alltag nerven würde. Der Komfort bleibt ausgewogen, die Abrollgeräusche sind niedrig. Viel besser lässt sich das bei dieser Sportlichkeit nicht unter einen Hut bringen.

VW Golf R mit Hochtemperatur-Titan-Abgasanlage von Akrapovic

Manchmal ein Quäntchen zu viel Lärm macht da höchstens die Hochtemperatur-Titan-Abgasanlage, die VW erstmals für den Golf R anbietet. Sie stammt von dem slowenischen Spezialisten und Ex-Rennfahrer Igor Akrapovic. Gegenüber der Serienversion werden sieben Kilogramm eingespart. Weitere zehn kommen von den bereits erwähnten „Pretoria“- Rädern, zwei Kilo Ersparnis bringt die Performance-Bremsanlage. Für Kunden, die ihre Wochenenden häufig auf abgesperrten Rennstrecken verbringen, sind das verlockende Werte, dürften sie doch zusammen mit den gesondert erhältlichen Semi-Slicks die Rundenzeiten um die eine oder andere Zehntelsekunde verbessern.

4x4Schweiz-Fahrbericht: VW Golf R

Erkennbar ist der neue Power-Golf dann an einem nochmals geschärften Gesicht

Das nötige Rennsportgefühl sollen auch der auf Knopfdruck aktivierbare Race-Modus (strafferes Fahrwerk, spontanere Gaspedalreaktion und schnellere Gangwechsel), das abschaltbare ESP (hat kein anderer Golf) und die Launch-Control (serienmässig bei DSG-Getriebe) vermitteln. Letztere ermöglicht den optimalen Kavalierstart und katapultiert den Golf R statt in 5,1 in nur 4,6 Sekunden von null auf 100 km/h.

Passend dazu hat Volkswagen das Cockpit eingerichtet. Im Display werden Ladedruck, die Längsbeschleunigung, die Kräfte in den Kurven oder auch die abgerufene Leistung sowie die Rundenzeiten angezeigt. Auch der restliche Innenraum setzt deutlich auf sportliches Flair. Die Sitze tragen den Stoff „Race“ in Verbindung mit grauen Ziernähten und Alcantara-Innenflanken. Die Dekoreinlagen sind in „Carbon Touch“ gehalten, die Pedale mit Edelstahlkappen versehen und bei Einschalten der Zündung erscheint im Bildschirm das grosse R-Logo.

VW lässt sich das alles mit mindestens 49’600 Franken bezahlen. Da mag mancher trocken schlucken, doch in Anbetracht, was der Golf R an Fahrdynamik auf die Strasse bringt, ist das geradezu ein Schnäppchen.

VW Golf R – Technische Daten:

Fünftüriger, fünfsitziger Kompaktwagen mit Allradantrieb, 6-Gang-Handschaltung (DSG optional), Länge: 4,26 Meter, Breite: 1,79 Meter (mit Aussenspiegeln 2,03 Meter), Höhe: 1,47 Meter, Radstand: 2,63 Meter, Kofferraumvolumen: 343 bis 1.233 Liter

2,0-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner (TSI), 228 kW/310 PS bei 5.500 – 6.500 U/min, maximales Drehmoment: 380 Nm bei 2.000 – 5.400 U/min, 0-100 km/h: 5,1 s, Vmax: 250 km/h, Durchschnittsverbrauch: 7,9 l/100 km, CO2-Ausstoss: 180 g/km, Abgasnorm: Euro 6, Effizienzklasse: E

Preis: ab CHF 49’600

VW Golf R – Kurzcharakteristik:

Warum: weil er zum Sportlichsten zählt, was es in der Kompaktklasse zu kaufen gibt

Warum nicht: Weil die Mehrleistung gegenüber einem GTI im Alltag keine Rolle spielt

Was sonst: Ford Focus RS, Honda Civic Type R, Seat Léon Cupra