Der neue Porsche Panamera hat den ultimativen Test bestanden.

 

Wäre die Welt ein Franz-Karl-Weber Katalog, würde ich den Panamera Turbo in Pimp-Blau sofort ankreuzen und hoffen, dass er unterm Weihnachtsbaum liegt. Nur leider ist die Realität eine andere. Trotzdem kommen sich bei diesem Auto Fiktion oder Realität so nah wie niemals zuvor.

„Boah, luuug!“ –„Geil, was isch das?“ So die Reaktionen von Kids am Strassenrand irgendwo im Emmental. Gibt es eine bessere Auto-Jury als ein paar 10-jährige Jungs auf dem Schulweg, die begeistert mit dem Finger auf das Auto zeigen? Der ultimative Test ist bestanden.

So hätte der Panamera schon immer aussehen sollen – ein Hingucker, scharf wie ein Bikini-Model und trotzdem diskret wie eine unzüchtige Sekretärin. Zu sexistisch? Ach was. Wer eine Autokritik über einen Porsche liest, muss mit Wörtern wie „geil“ oder „Erektion“ rechnen. Schauen Sie sich dieses Hinterteil an! Beim „alten“ Panamera schämten sich der ein oder andere Fahrer noch für das dicke Fudi so sehr, dass er es vorzugsweise mit dem Heck zur Wand parkierte. Mit der Neuauflage wurde nun der dicke Hintern wie von einem Hollywood- Beauty-Doctor in Shape gebracht.

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Der Buckel, an den wir uns nie so richtig gewöhnen wollten, wurde also geplättet und die Linienführung so scharf gemacht, dass man sich daran schneiden könnte. Was das Design verspricht, hält das Gaspedal, die raffinierte Vierrad-Lenkung, das neue Acht-Gang-Getriebe, die Voll-krass-Bremsen und jeder der drei neu entwickelten Motor-Varianten, die einem das Hirn rausblasen, wenn man nur ein paar Sekunden Vollgas gibt. Schon der kleinste Motor, der 2,9 Liter Sechszylinder schiesst einem mit solcher Wucht vorwärts, als müsste man eine Pistolenkugel einholen. Aber trotzdem so präzis zu lenken ist wie ich glaube, ein Laserschwert durch einen Hinterschinken schneidet.

Der 8-Zylinder-Diesel-Mocken darf sich schnellster Diesel überhaupt rühmen. Obwohl dieser Titel so sexy ist wie „Miss Freundlichkeit“ bei einer „Miss Sexy Wahl“, passt grade diese Variante perfekt zum absurden Konzept, vier Personen in Lichtgeschwindigkeit von A nach B zu katapultieren. Der Turbo setzt dem ganzen die Krone auf. Geiler kann ein Auto nicht sein! Zum Fahren.

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Die Farbe ist dagegen zum Schreien. Blau – mit gelben Bremssättel, steht das Probefahrzeug da. Man denkt sich, wer gibt über 200’000 Franken aus und kauft sich so eine billige Farbe? Als ich den Pseudoschlüssel drehe und den infernalischen Sound höre, der von Zischen, Fauchen, Rohren und Glucksen die gesamte akustische Palette eines echten Sportwagens anzubieten hat, fange ich an irre zu kichern und verstehe: dieses Auto muss man unbedingt in Nutten-blau haben. Damit sich die anderen darüber aufregen. Denn darum geht’s bei diesem Auto: Es ist ein fahrbarer Stinkefinger im Lederhandschuh. Vulgär und trotzdem stilvoll – so wie man sich ein erfolgreiches Anwalts-Plädoyer vorstellt.

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Der neue Porsche Panamera lässt die Sau raus, wenn er darum gebeten wird – wie ein richtiger Gentleman. 

Mein innerer Versicherungs-Vertreter runzelt aber dennoch die Stirn: Wer drei Personen transportiert, sollte dies doch besser mit Vorsicht und Bedacht tun. Lieber Fuss vom Pedal als drauf. Also: Warum sollte ich meine Passagiere mit 306 Kilometer pro Stunde über den Asphalt jagen wollen. Ausser, die Fahrgäste sind Juwelen-Diebe auf der Flucht. Aufregender Gedanke – aber unrealistisch. Natürlich kann man mit dem neuen Panamera auch normal fahren. Selbst die Turbo-Variante mit so vielen PS, dass es peinlich wäre, diese öffentlich jemandem zu erzählen, fährt sich mit 50 wie ein Peugeot-Van. Man kann darin gemütlich ein Gipfeli essen und das Fünf-Meter-Geschoss mit zwei Fingern lenken. Dafür wurde er zwar nicht gebaut. Aber das sagt man der Frau lieber nicht. Denn dieses Auto entkräftet jedes Argument, das Frauen haben, um dem Mann einen Porsche auszureden. Ein gutes Argument für die Frau ist sicher, dass der Kofferraum sogar noch voluminöser ist als beim alten mit dem Buckel. Wenn dann die Frau noch hört, dass im Fonds soviel Platz ist, dass man notfalls auch noch als Uber-Chauffeur arbeiten könnte, gibt es nichts mehr, was dagegen spricht.

Was der Frau auch gefallen wird: Er lässt die Sau raus, wenn er darum gebeten wird – wie ein richtiger Gentleman. Und wie ein perfekter Ehemann hält er sich zurück, wo es angebracht ist. Und geniesst heimlich den kindischen Spass, den dieses Auto macht. Alleine die Sitze sind so pubertär wie bei einem Arcade-Videospiel. Und gleichzeitig so erwachsen, weil sie super sicher, leicht und ergonomisch perfekt sind – ausserdem soweit von der hinteren Sitzreihe entfernt, dass einem die Goofen nicht dauernd in die Rücklehne ginggen können. Die Sitze gibt’s mit Massagefunkition – mit fünf verschiedenen Varianten. Kein Witz: Man kann sich bei 300 km/h am Kreuz massieren lassen.

Natürlich könnte man nörgeln, dass die A-Säule zu dick ist und man praktisch keinen Seitenblick hat – aber wer muss schon nach links und rechts gucken, wenn einem alle anstarren. Denn obwohl der neue Panamera eigentlich unauffällig ist, fasziniert er einem, weil er auf den zweiten Blick so harmonisch gestaltet ist wie ein Design-Klassiker. Es sind denn auch nur Feinheiten, die den Kleinsten Panamera vom Grössten unterscheiden. Meist handelt es sich um kindische Sachen wie eckige oder ovale Auspuff-Rohre, rote oder gelbe Bremssättel. Aber das sind halt die Details, die den Grand-Seigneur vom Lottogewinner unterscheidet.

Man überfährt damit auch niemanden – dafür sorgen die unzähligen Fahrassistenten, die so ausgeklügelt wie ausufernd sind, dass selbst der nette Product-Manager von Porsche bei Aufzählen einen trockenen Mund bekam; so viele sind es. Wer dieses Auto kaufen will, soll sich jedes einzelne ausführlich erklären lassen. Echt, es lohnt sich!

Kurz zusammengefasst: Es ist immer ein Feature mehr als Mercedes, BMW oder all die anderen haben. Keine Schraube ist mehr die gleiche wie beim alten Panamera, alles ist neu. So als wolle man sich vom alten Modell distanzieren wie von einer komischen Ex. Dabei war mit dem alten Panamera soweit alles in Ordnung, bis ihn „Top Gear“ madig geredet haben.

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Es ist, als wollten es die Porsche-Ingenieure allen, aber auch wirklich allen zeigen, dass sie es können. Und wie sie es können: Allen Sportwagen-Herstellern, die über die SUVs kicherten und jetzt selbst welche bauen oder Limousinen-Hersteller, die sich brüsteten 911-Killer zu sein. Und ja sogar den schnäderfressigen 911-Puristen, die immer was zu nörgeln haben, wenn Porsche ein anderes Auto baut als den 911, der ja schon längst keiner mehr ist, sollte dieses Auto eine Watsche sein. Hier wurde an alles gedacht und es gibt kein besseres in diesem oder ähnlichen Bereich.

Dieses Auto ist ein trotziges Statement. Wie Porsche ja eigentlich schon immer war. Den neuen Panamera werden auch keine Selbstdarsteller kaufen – zu diskret ist er. Für ungeschulte Augen könnte er sogar als einfache Limousine durchgehen. Dieses Auto wird darum eine Klasse für sich sein, weil sie dem Panamera das Vulgäre genommen haben. Er hat sogar das Zeug zum Klassiker – zumindest mit der richtigen Farbe. Und die ist dann vielleicht doch nicht blau.

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Porsche Panamera 2017 – technische Daten:

Viertürige, viersitzige Limousine der Oberklasse; Länge: 5,05 Meter, Breite: 1,94 Meter (mit Aussenspiegeln: 2,17 Meter), Höhe: 1,42 Meter, Radstand: 2,95 Meter, Kofferraumvolumen: 495–1.304 Liter

Porsche Panamera 4S
2,9-Liter-V6-Biturbo-Benziner, 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, 440 PS, maximales Drehmoment: 550 Nm, 0-100 km/h: 4,2 s, Vmax: 289 km/h, Durchschnittsverbrauch: 8,1 Liter/100 Kilometer, ab CHF 138’000

Porsche Panamera Turbo
4,0-Liter-V8-Biturbo-Benziner, 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, 550 PS, maximales Drehmoment: 770 Nm, 0-100 km/h: 3,6 s, Vmax: 306 km/h, Durchschnittsverbrauch: 9,3 Liter/100 Kilometer, ab CHF 186’700

Porsche Panamera 4S Diesel
4,0-Liter-V8-Biturbo-Diesel, 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, 422 PS, maximales Drehmoment: 850 Nm, 0-100 km/h: 4,3 s, Vmax: 285 km/h, Durchschnittsverbrauch: 6,7 Liter/100 Kilometer, Preis: ab CHF 142’800

Porsche Panamera 4 E-Hybrid
2,9-Liter-V6-Biturbo-Benziner, 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, 467PS (330+136PS), maximales Drehmoment: 700Nm, Durchschnittsverbrauch: 2,5 Liter/100 Kilometer,  ab CHF 131’500