Shanghai Auto Show 2015. SUV soweit das Auge reicht.
Haval H6, das meistverkaufte SUV Chinas

 

Keine leichtbekleideten Messehostessen, keine kleinen Kinder und keine billigen Tonmodelle: Die Shanghai Auto Show setzt schon fast autoritär auf Seriosität. Das neue Selbstbewusstsein hat seinen Grund: Die heimischen Hersteller haben vielleicht endlich ein Rezept gegen die Übermacht der westlichen Marken gefunden.

Shanghai. SUV, SUV und noch mehr SUV – wer glaubt, in der Schweiz würde der grosse Crossover-Boom herrschen, war noch nicht auf der Shanghai Auto Show. Nicht nur westliche Marken wie Mercedes, BMW oder Volvo fahren hier ihre Allrad-Dickschiffe auf, vor allem die Chinesen zeigen gleich dutzendweise neue Modelle. Und lassen die Konkurrenz aus dem Ausland zunehmend alt aussehen.

Das SUV hat in China die Limousine als Modell der Stunde abgelöst.

Zwar werden noch immer dreimal so viele Stufenheckautos verkauft wie Crossover, doch der Vorsprung schrumpft rasant. Während der Markt für die klassischen Viertürer mit Kofferraumklappe 2014 nahezu stagnierte, haben die SUV-Neuzulassungen im vergangenen Jahr um mehr als ein Drittel zugelegt. Gut vier Millionen der höhergelegten Autos wurden im Reich der Mitte verkauft. Der Grossteil davon trägt mittlerweile das Logo eines chinesischen Herstellers.

Am Stand der Great-Wall-Tochtermarke Haval wird deutlich, wieso das so ist. Dort steht der H6, zuletzt meistverkaufte SUV Chinas, ein direkter Konkurrent des VW Tiguan. Der wichtigste Unterschied: Der H6 ist nur etwa halb so teuer. Dabei sieht das Modell mit dem chromglänzenden Kühlergrill und dem ordentlich verarbeiteten Innenraum gar nicht mal schlecht aus, die Motoren sind unspektakulär, aber haltbar und Allradantrieb gibt es auch. Haval ist kein Einzelfall, die Chinesen haben gelernt Autos zu bauen, die mehr sind als schlechte Raubkopien europäischer Bestseller.

Entsprechend wirkt das Messeprogramm höherwertig als in den vergangenen Jahren, vom neuen Gelände bis zu aufwendigeren Ständen. Gab es in der vergangenen Jahren noch haufenweise hektisch zusammengezimmerte Ton-Modelle, stehen nun fast überall fertige Autos oder zumindest Studien aus echtem Blech. Offenbar eine Anweisung von oben. Genauso wie der Bann von leichtbekleideter Messe-Schönheiten. Und auch Kinder sind verboten, dürfen die Ausstellungshallen in diesem Jahr nicht besuchen. Offiziell aus Sicherheitsgründen, vielleicht aber auch, um die Ernsthaftigkeit der Angelegenheit Auto zu unterstreichen.

Dass China mehr sein will als eine international belächelte Kopierwerkstatt zeigt in Shanghai auch das Debüt des Geely GC9, einer grossen Limousine in westlichem Design, mit Volvo-Technik und auf den ersten Blick ordentlicher Verarbeitung. Der Kaufpreis ist nur ungefähr halb so hoch wie bei vergleichbaren Modellen ausländischer Marken.

Europas Autohersteller dürften das mit Sorge sehen, gilt ihnen China doch trotz des zuletzt weniger rasanten Wachstums weiterhin als Eldorado. Vor allem die Premium-Hersteller schätzen die reiche und prestigesüchtige Kundschaft. Mercedes lockt mit der seriennahen Studie des SUV-Coupés GLC, Volvo ist mit einer superluxuriösen, viersitzigen Variante seines neuen Oberklasse-SUV XC90 nach Shanghai gekommen, Audi hat extra eine benzinbetriebene Plug-in-Version des Q7 entwickelt und BMW präsentiert mit dem X5 40e gleich einen direkten Konkurrenten. Der Steckdosen-Hybrid ist in China politisch gewollt, weil reine Elektroautos auch dort Absatzschwierigkeiten haben. Die deutschen und europäischen Hersteller wollen partizipieren, Audi mit der Plug-in-Langversion des A6, Peugeot mit der Studie 308 R Hybrid.

Mercedes-Benz GLC Couppé auf der Shanghai Motorshow

Das Auto-Geschäft wird in China wohl künftig immer schwieriger

Mit dem südchinesischen Shenzen hat nun die mindestens siebte Metropole des Landes Zulassungsbeschränkungen für neue PW erlassen, um den Verkehrsinfarkt in den Griff zu bekommen. Hinzu kommt der forcierte Kampf gegen Korruption, der potentielle Kunden verunsichert. Und nicht zuletzt steigen Chinas Behörden und Ministerien von den teuren Auslands-Karossen immer häufiger auf heimische Produkte um.

Das gilt auch für viele Käufer. Die wohnen mittlerweile vor allem im Hinterland, der mittlerweile wahren Boomzone des Riesenreiches. In den dortigen Millionenstädten ist der Markt noch nicht gesättigt, die wachsende Mittelschicht braucht ihre ersten Fahrzeuge. Die westlichen Marken sind dort weniger stark als an den Küsten. Und ihnen fehlen die richtigen Fahrzeuge: Denn ihre SUV sind in der Regel viel zu teuer. Sorgen machen müssen sich die westlichen Hersteller jedoch nicht: Auch ein gebremstes Wachstum in China bedeutet in absoluten Zahlen mehr Zuwachs als irgendwo anders auf der Welt.