Sie nennen sich Sport Utility Vehicle, Sport Activity Coupé oder Crossover und retteten viele Autohersteller durch manche Absatzkrise. Dank grossem, komfortablen Innenraum und hoher Sitzposition boomen die Nachkommen der Geländewagen von einst.
Am Anfang war der Jeep. Zusammen mit dem Land Rover befreite er Europa und galt von da an als der Geländewagen schlechthin. Sein Markenname wurde sogar zum Gattungsbegriff. Wenn heute vom Diebstahl eines Geländewagens die Rede ist, wird selten nach einem urigen Offroader gefahndet. Bei Langfingern – und Occasionskäufern – sind BMW X5, Mercedes M-Klasse oder auch ein edler Range Rover besonders begehrt. Die Zahl der Fans dieser hochbeinigen Mixturen aus Kombi und Geländekönner wächst von Jahr zu Jahr. Die Neuheiten-Ecken der Automobilmessen rund um den Globus sind zugeparkt mit grossen und kleinen Vertretern dieser Trendmobile, die längst nicht mehr nur eckig sind.
Wir sind Allrad.
Für einen Autofahrer in den Alpen stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit eines Allradantriebs genauso wenig wie für einen Flachländer. Der eine sagt “unbedingt!“, der andere fragt “wozu?” Dabei ist die Frage nach dem Sinn des Four Wheel Drive (4WD, 4×4) ganz einfach zu beantworten: „Weil es sich mit vier Beinen besser krabbeln lässt als mit zwei.“
Längst aber ist Traktion nicht mehr nur ein Privileg der Geländewagenfahrer. Subaru dürfte mit Bernhard Russi als Testimonial für den „4×4 der Schweiz“ schon Ende der siebziger Jahre den Grundstein für den Erfolg der Allradfahrzeuge in der Schweiz gelegt haben. Und der „Made for Switzerland“-Skoda 4×4, der die letzten Jahre auf vielen Werbeflächen in den Skigebieten nachgelegt hat, trägt sein Übriges zum Boom bei.
So verwundert es auch nicht, das die Schweiz nicht nur eine grossartige Ski-Nation, sondern eben auch eine starke Allrad-Nation ist: Bei den Neuzulassungen liegt der 4×4-Anteil mittlerweile bei 38,5 Prozent. Die Millionengrenze wurde bereits 2013 erreicht; zurzeit bewegen sich auf den Schweizer Strassen mehr als 1,1 Millionen Allrad-Personenwagen. Einzig Island hat mit 50 Prozent eine höhere 4×4-Dichte. Und obwohl Österreich sehr ähnliche topographische Verhältnisse und das ein oder anderen Skiass vorweisen kann, liegt der Anteil dort gerade mal bei 17 Prozent.
Anteil der verkauften 4×4-Modelle in der Schweiz nach Marke
Marke | Total 2014 | Anteil 4×4 | in % |
Alfa Romeo | 2104 | 1 | 0.0 |
Aston Martin | 156 | 1 | 0.6 |
Audi | 20949 | 13692 | 65.4 |
BMW | 21057 | 15685 | 74.5 |
BMW Alpina | 87 | 79 | 90.8 |
Chevrolet | 2072 | 519 | 25.0 |
Citroën | 11268 | 555 | 4.9 |
Dacia | 4784 | 1745 | 36.5 |
Fiat | 9029 | 2126 | 23.5 |
Ford | 12949 | 2875 | 22.2 |
Honda | 4501 | 998 | 22.2 |
Hyundai | 11001 | 2971 | 27.0 |
Infiniti | 118 | 82 | 69.5 |
Jaguar | 622 | 130 | 20.9 |
Jeep | 3274 | 3229 | 98.6 |
Kia | 4886 | 1259 | 25.8 |
Lancia | 795 | 30 | 3.8 |
Land-Rover | 3490 | 3405 | 97.6 |
Lexus | 853 | 453 | 53.1 |
Maserati | 731 | 450 | 61.6 |
Mazda | 7591 | 2486 | 32.7 |
Mercedes | 18384 | 10921 | 59.4 |
MINI | 4463 | 1585 | 35.5 |
Mitsubishi | 3565 | 2153 | 60.4 |
Nissan | 7166 | 1999 | 27.9 |
Opel | 13384 | 2426 | 18.1 |
Peugeot | 11423 | 573 | 5.0 |
Porsche | 3165 | 2674 | 84.5 |
Renault | 11747 | 508 | 4.3 |
Seat | 9378 | 1368 | 14.6 |
Skoda | 19517 | 6792 | 34.8 |
Smart | 1681 | 0 | 0.0 |
Ssangyong | 569 | 544 | 95.6 |
Subaru | 6277 | 5914 | 94.2 |
Suzuki | 8515 | 6752 | 79.3 |
Toyota | 11275 | 2147 | 19.0 |
Volkswagen | 40146 | 12019 | 29.9 |
Volvo | 6867 | 4307 | 62.7 |
Diverse Marken | 2103 | ||
GESAMT-TOTAL | 301’942 | 116’186 | 38.5 % |
2014 war ein erfolgreiches Auto-Jahr
Zufrieden blicken die Hersteller und Importeure auf 2014 zurück. Die Jahresbilanz (301’942 Neufahrzeuge) verzeichnet zwar einen leichten Rückgang von 1,9 Prozent gegenüber 2013, dies entspricht jedoch lediglich einem Minus von knapp 6’000 Autos. “Unsere vor Jahresfrist abgegebene Prognose von 300’000 Neuwagenverkäufen hat sich bewahrheitet”, meint auto-schweiz
Direktor Andreas Burgener zu den Zahlen. „Dank des mit Abstand besten Dezemberresultates aller Zeiten ist es uns gelungen, diese Schwelle zum vierten Mal in Folge zu übertreffen. Dies ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass viele Kunden ihr neues Auto aus wirtschaftlichen Gründen noch 2014 einlösen wollten, da die CO2-Sanktionen bekanntlich im laufenden Jahr zu 100% wirksam werden.”
Auch wenn die Autobranche durch die strengen CO2-Vorgaben zu einer, sagen wir mal, kreativen Modellpolitik gezwungen wird und durch die aktuelle Eurokrise der Stimmungsbarometer bei den Markenverantwortlichen auf Tiefdruck steht, ist der Allrad-Trend ungebrochen.
Die Marke mit dem höchsten Allradanteil in der Schweiz ist Jeep (98.6), dicht gefolgt von Land-Rover (97.6), SsangYong (95.6), Subaru (94.2) und Porsche (84.5). Das meistverkaufte 4×4-Auto auf dem Schweizer Markt im 2014 war der VW Tiguan mit 4’696 Einheiten. Auf den Rängen folgen in einem beträchtlichen Abstand der Skoda Octavia (3’911), der VW Golf (3’029), der BMW X3 (3’008) und der BMW 3er mit 2’869 Fahrzeugen.
Die Top 30 der verkauften 4×4-Modelle in 2014 in der Schweiz
Rang | Marke | 4×4-Modell | Anzahl 2014 |
1 | VW | Tiguan | 4696 |
2 | SKODA | Octavia | 3911 |
3 | VW | Golf | 3029 |
4 | BMW | X3 | 3008 |
5 | BMW | 3er | 2869 |
6 | FORD | Kuga | 2800 |
7 | AUDI | Q5 | 2794 |
8 | AUDI | A3 | 2645 |
9 | MAZDA | CX-5 | 2479 |
10 | AUDI | Q3 | 2422 |
11 | AUDI | A4 | 2277 |
12 | SUZUKI | SX4 S-Cross | 2229 |
13 | BMW | X5 | 2212 |
14 | SUBARU | XV | 2174 |
15 | HYUNDAI | iX35 | 2166 |
16 | MERCEDES-BENZ | GLA-Klasse | 2109 |
17 | BMW | X1 | 2076 |
18 | VOLVO | XC60 | 2064 |
19 | SKODA | Yeti | 1988 |
20 | SUZUKI | SX4 | 1953 |
21 | SUZUKI | Swift | 1828 |
22 | DACIA | Duster | 1745 |
23 | SUBARU | Forester | 1679 |
24 | BMW | 5er | 1675 |
25 | LAND ROVER | Range Rover Evoque | 1602 |
26 | JEEP | Grand Cherokee | 1595 |
27 | MINI | Cooper All4 | 1587 |
28 | OPEL | Mokka | 1514 |
29 | TOYOTA | RAV4 | 1472 |
30 | MERCEDES-BENZ | A-Klasse | 1463 |
Die Autoindustrie entwickelt nicht nur neue Modelle, sondern stattet auch bestehende Modellreihen mit dem beliebten Allradantrieb aus. An Spitze der Schweizer Verkaufszahlen, mit einem Marktanteil von 13,3 Prozent und 40’146 gesamthaft verkauften Autos, steht Volkswagen – zum fünfzehnten Mal in Serie. Die Wolfsburger konnten dank dem Modularen Querbaukasten (MQB) mehr Modelle mit dem VW-Allradantrieb 4Motion anbieten und ihren Allradanteil so auf 29,4 steigern.
Bei Audi gibt es seit dem vergangenen Jahr in jeder Modellreihe Allradantrieb – das war bisher nur den S- und RS-Modellen vorbehalten. 2015 kommt der auf der Detroit-Motor-Show vorgestellte und überarbeitete Q7 und der Audi RS3 Sportback mit einer neu entwickelter Lamellenkupplung und dem stärksten Fünfzylinder der RS-Geschichte (367 PS) auf den Markt.
Mercedes-Benz hält bei den High-Performance-Fahrzeugen mit den AMG getrimmten 4Matic-Modellen dagegen. Durch die komplette Palette kann Mercedes sogar ganze 75 Allradmodelle anbieten. Wobei das Urgestein und geländegängigste aller Modelle, die G-Klasse, das Mass aller Dinge ist.
Diese Modellvielfalt wird aktuell nur von BMW getoppt, die in über 100 Modellen das BWM-Allradsystem xDrive verbauen. 2015 folgt eine überarbeitete 6er Reihe und ein Facelift der 1er Reihe. Auch die schrittweise Elektrifizierung (Plug-in-Hybrid) der aktuellen Modellpalette wird in diesem Jahr beginnen.
Porsche, der dritte im süddeutschen Premiumverbund rüstet mit den Cayenne- und Panamera-E-Hybrid-Modellen die Palette ebenfalls ökologisch auf. Der Allradanteil bei Porsche liegt bei über 85 Prozent. Selbst wenn die Käufer eine Wahl (beim 911er und Panamera) haben, entscheiden sich mehr als 81 Prozent für einen Vierradantrieb.
Bei Skoda war der Octavia 2014 der zweitmeistverkaufte 4×4 in der Schweiz. Der Skoda Yeti, obwohl der Name etwas mehr verspricht, lag abgeschlagen auf Rang 19. Dafür glänzte Opel . Aller Unkenrufen aus Bochum zum Trotz behauptet sich die deutsche Arbeitermarke mit dem Mokka und einem 6. Platz in der Gesamtverkaufsstatistik. 2015 schiebt Opel zwei neue und sparsame Dieselmotoren für den Mokka und Insignia nach.
SsangYong hat sich klammheimlich zum 4×4-Spezialisten gemausert, denn alle vier angebotenen Modelle verfügen über Allradantrieb, drei davon sogar mit einem Reduktionsgetriebe. Und obwohl die Südkoreaner jeweils auch die 4×2-Version bereit halten, wählen die Kunden zu 98% den Allradantrieb.
Subaru, wie schon erwähnt, ist seit 1979 der Schweizer Allradpionier. Mit der Einführung der 4×2 Modelle BRZ (2012) und Trezia (2011) hat sich Subaru seine 4×4-Quote allerdings auf 95% vermiest und landet damit auf dem unter Skifahrern unbeliebten 4. Rang.
Nissan, ebenfalls Allradler der ersten Stunde, definierte mit dem Erfolgsmodell Qashqai und dem Juke den Crossover Trend nochmals neu. Und mit dem allradgetriebenen Supersportwagen GT-R Nismo (600 PS) stellte Nissan 2013 auf der Nordschleife des Nürburgrings sogar einen Rundenrekord für Serienautos in 7:08.679 Minuten auf. Der wurde zwar wenig später von einem Porsche 918 Spyder geknackt, der Stuttgarter Hybrid-Sportwagen kostet aber auch mehr als das Fünffache.
Mit dem Koleos konnte Renault im boomenden Kompakt-SUV-Markt nichts reissen. Nun soll es ein weiteres Modell besser machen. Ab Mitte des Jahres will Renault mit dem neuen Kompakt-SUV Kadjar dem VW Tiguan und Co. Konkurrenz machen, wobei Technik und Antrieb des Kadjar vom Bestseller Qashqai und damit der Konzernschwester Nissan stammen.
Land Rover krempelt seine Produktpalette um und bringt als Nachfolger des verblichenen Freelander ein neues Einstiegsmodell. Mit der Modellbezeichnung Discovery Sport zieht eine neue Nomenklatur bei Land Rover ein. Der kleinere Discovery Sport und der grössere Discovery bilden künftig die Basis der Produktlinie, die gleichzeitig Familien, Offroad-Fans und Gelegenheits-Geländegänger ansprechen soll. Damit platziert sie sich zwischen der beinharten Defender-Reihe und den luxuriösen und designorientierten Range-Rover-Modellen.
Cadillac bietet grundsätzlich alle Modelle mit AWD an. In diesem Jahr wird die von Grund auf neue und vierte Generation des Escalade eingeführt. Zum ersten Mal wird es dann offiziell in Europa auch die bis zu achtsitzige Langversion ESV mit einem 6.2-L-V8 Motor (420 PS) geben.
Maserati erlebt gerade eine Renaissance, die sich nicht zuletzt in einer ungeahnten Modellvielfalt widerspiegelt. Seit der italienische Edelhersteller mit dem Dreizack nach langer Pause wieder die obere Mittelklasse bedient, sind neben einem Allradantrieb auch Dieselaggregate im Rennen.
Mazda bietet zum Erfolgsrenner CX–5 und einem 4×4-Anteil von 30 Prozent im neuen Jahr weitere Modelle im 4×4 Segment an. So zum Beispiel den Mazda6, den es bisher nur mit Frontantrieb gab und im B-Segment stösst der neue Mazda CX–3 hinzu. Beide folgen dem CX–5 in der neuen Designlinie „Kodo“.
Eine Überraschung der ganz anderen Art lieferte Fiat. Der mittlerweile italienisch-amerikanische Konzern zeigt eine weitere Version der letzten verbliebenen und erfolgreichen Ikone: dem Cinquecento. Der Fiat 500 X teilt sich viele seiner Gene mit dem Jeep Renegade und ist damit ein äusserst geländegängiges „Rucksäckli“.
In der grossen SUV-Klasse, die in Europa von den drei süddeutschen Premium-Marken sowie dem Range Rover dominiert werden, will jetzt auch Ford mitmischen und holt das bekannte US-Modell Edge über den Teich. Die grossen und starken Triebwerke aus dem Heimatland wird er aber nicht mitbringen. In Europa muss er sich mit einem Zweiliter-Diesel begnügen. Vor wenigen Tagen überraschte Ford mit einem weiteren Highlight die Autowelt und stellte den Focus RS mit Allradantrieb und dem Motor aus dem neuen Mustang mit 320 PS vor.
Neues kommt auch aus dem hohen Norden von Volvo. Die Schweden zeigen, nach Beendigung der Zusammenarbeit mit Ford, mit dem neuen XC90 ihr erstes, selbst entwickeltes Modell. Und nicht nur das, auch der eingeschlagene Vertriebsweg für die auf 1927 Fahrzeuge limitierte Sonderedition „1927“, die dem Gründungsjahr der Firma huldigt, war bis dato neu. Diese 1927 Fahrzeuge wurden exklusiv über das Internet angeboten und waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Zu einem Stückpreis von CHF 116’900 wohlgemerkt.
Obwohl die Schweiz selbst keine Autos mehr produziert (es gab über 90 Schweizer Automarken), ist die Branche ein wichtiger Faktor für die hiesige Volkswirtschaft. Autoimporteure, Garagisten, Transporteure, Tankstellen und Versicherungen bieten zusammen rund 230’000 Menschen Arbeitsplätze und erwirtschaften einen Umsatz von mehr als 95 Milliarden Franken. Dies entspricht knapp 15 Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts.
Und wie wird 2015?
„Die Entkoppelung des Schweizer Frankens vom Euro führte zu einer spontanen Verunsicherung und Zurückhaltung der Käufer. Wie andere Importeure beobachten wir den Markt und werden entsprechend reagieren. Auf längere Sicht könnten attraktivere Listenpreise oder Preisnachlässe für eine Belebung des Neuwagenmarktes sorgen.“ So Rene Kreis von Cadillac Schweiz.
Dieser Artikel erschien im Persönlich Magazin 03/2015. Daten-Quelle: auto-schweiz.ch und Angaben der Hersteller.