Was für uns der BMW X5, das ist für die Amerikaner der Chevrolet Tahoe. Denn kein Fullsize-SUV verkauft sich jenseits des Atlantiks besser als das noble Dickschiff aus Detroit – und das schon seit über 50 Jahren. Jetzt gibt es eine neue Auflage, und wer sich unbedingt als King oft he Road fühlen will, kann die Wuchtbrumme auch bei uns geniessen.
Upgrading statt Downsizing – Chevrolet Tahoe:
Gegen ein SUV wie den neuen Chevrolet Tahoe ist der Opel Mokka kaum mehr als ein Spielzeugauto. Denn wenn es um Geländewagen geht, kann den Amerikanern der Trend zum Downsizing gestohlen bleiben. Bigger ist da noch immer better und je stattlicher das Auto, desto dicker sind die Geschäfte. Kaum jemand weiss das besser als General Motors. Nicht umsonst dominieren der Chevrolet Suburban und sein „kleiner“ Bruder Tahoe seit bald 50 Jahren das Segment der Fullsize-SUV ähnlich deutlich wie bei uns der VW Tiguan die Klasse der kompakten Kraxler. Deshalb darf man keine revolutionären Neuerungen erwarten, wenn man in diesen Tagen bei einem Trip jenseits des Atlantiks zum ersten Mal in den neuen Tahoe einsteigt. Leichtbau? Start-Stopp-Automatik? Kleinere Motoren? Oder wenigstens ein paar Zentimeter weniger Blech? Von wegen! Stattdessen haben die Amerikaner zum Generationswechsel sogar weiter aufgerüstet. Deshalb ist der neue Tahoe noch stattlicher, noch stärker und noch luxuriöser als sein Vorgänger. Und das ist gut so. Denn so mögen es Millionen von Kunden und die paar nörgelnden Europäer werden es irgendwann auch noch lernen, wenn sie die ersten tausend Meilen mit dem Wagen durch den Wilden Westen gefahren sind.
Der King of the Road – Chevrolet Tahoe:
Viel zu erhaben ist das Gefühl hinter dem Lenkrad, als dass man ernsthaft Kritik an der Grösse üben möchte. Gefühlte zwei Meter über der Strasse und umgeben von mehr als zwei Tonnen massivem Stahl, wähnt man sich als „King of the Road“, dem keiner etwas anhaben kann. Erst recht nicht, wenn man eine Armee von 355 Pferden befehligt. So viel PS hat der 5,3 Liter grosse V8-Motor, der sanft unter der Haube säuselt. Zwar kann man diesen Kraftprotz tatsächlich in den Kampf um die Bestzeit schicken. Immerhin mobilisiert der Motor bis zu 519 Nm, wuchtet das Dickschiff wenn’s sein muss in 9,5 Sekunden auf Tempo 100 und rennt tapfer gegen das elektronische Limit von etwa 200 km/h an.
Aber gemacht ist der Achtzylinder vor allem fürs lässige Cruisen, wenn man souverän und fast mit Standgas ganz entspannt über den Highway schippert. Dann passen auch die extrem komfortable und deshalb wenig verbindliche 6-Gang-Automatik, die sahnige Lenkung und das marshmellowweiche Fahrwerk mit den magnetisch gesteuerten Dämpfern, das auch noch die letzte Querfuge im schartigen Asphalt wegbügelt. Und vor allem zahlt sich die einzige Spritspartechnik im Tahoe dann doch noch aus: Die Zylinderabschaltung. Weil der V8 bei der typisch amerikanischen Fahrweise die meiste Zeit doch nur mit halber Kraft arbeitet, klemmen die Ingenieure dann vier Töpfe einfach ab und betreiben ihn als Vierzylinder – Teilzeit-Downsizing so zu sagen.
Wie der König seinem Volk ist man als „King of the Road“ auch im Tahoe seiner Welt seltsam entrückt. Man fährt gut gedämmt in einer Kabine gefühlt grösser und geräumiger als das eigene Wohnzimmer, thront auf Sitzen, die weich und mollig sind wie der Sessel daheim vor dem Fernseher und geniesst mehr Annehmlichkeiten als in einer Hotelsuite: Jeder Handgriff wird elektrisch unterstützt, die Klimaanlage wechselt in Sekundenbruchteilen zwischen Arktis und Sahara, die Ablagen sind grösser als Einbauschränke, es gibt ein Dutzend Steckdosen und eigentlich fehlt nur noch der Buttler, der auf Knopfdruck aus der Mittelkonsole klettert – Platz genug hätte er darin wohl. Dazu gibt es mehr Infotainment als in der Zentrale von Google oder Apple: Vorn geht das Navi Online, man surft über den grossen Touchscreen oder den LTE-Hotspot im Netz, hört Satelliten-Radio, lässt sich Mails vorlesen, diktiert mit Siri oder shoppt im App-Store und hinten klappt der DVD-Monitor von der Decke. So kann man es auch ein paartausend Meilen am Tag im Auto aushalten.
In der Stadt eine feste Burg und auf dem Land buchstäblich ein Wohnwagen für die weitesten Wege – für Amerika gibt es kaum ein besseres Auto als eines wie den neuen Tahoe. Und dass der Wagen bei uns keine Chance hat, weiss General Motors selbst. Deshalb, und natürlich weil sich Chevrolet ohnehin gerade aus Kerneuropa zurückzieht, versuchen es die Amerikaner gar nicht erst mit dem Export.
Falls trotzdem jemand ausprobieren möchte, wie sich das Dickschiff aus Detroit bei uns schlägt, bleibt dieser Wunsch aber nicht unerfüllt. Dafür gibt es schliesslich die freien Importeure. Die verkaufen die Wuchtbrumme zwar nicht zu Schleuderpreisen von umgerechnet CHF 43’000.00 aufwärts wie ihre US-Kollegen und lassen damit Kunden des Mercedes GL oder des Range Rover vor Neid erblassen, sondern verlangen schnell mal CHF 75’000.00 aufwärts und liegen dann beinahe auf dem Niveau der europäischen Konkurrenz. Doch wer sich als König fühlen will, der darf eben nicht knausern.
Technische Daten – Chevrolet Tahoe:
Siebensitziger Geländewagen der Luxusklasse, Länge: 5,18 Meter, Breite: 2,04 Meter, Höhe: 1,89 Meter, Kofferraumvolumen: 433 – 2681 Liter
5,3-Liter-V8-Benziner, Sechsgangautomatik, 250 kW/355 PS, max. Drehmoment 519 Nm, Vmax ca. 200 km/h (abgeregelt), null bis 100 km/h in ca. 9,5 Sekunden, Normverbrauch 13,4 Liter/100 km (US-Norm), Preis ca CHF 75’000.00 (beim US-Importeur)
Kurzcharakteristik – Chevrolet Tahoe:
– Alternative zu Mercedes GL, Range Rover LWB und dem Zweitwohnsitz
– Passt zu: Kontinental-Cowboys, Discobesitzern und verhinderten Rinderbaronen mit eigener Ranch, äh Bauernhof.
– Wann kommt er: In den USA gibt’s ihn seit dem Frühjahr und beim hiesigen US-Importeur etwa vier Wochen nach der Bestellung.
– Sieht gut aus wenn Grösse zählt und man sich von den vielen Kleinwagen in der City nicht kirre machen lassen will.