Lichtrevolution im Auto

Lichtrevolution im Auto

Lichtrevolution im Auto

 

Von der Funzel bis zum Laserlicht war es ein langer Weg. Die letzten Meter hat der Autoscheinwerfer jedoch im Rekordtempo absolviert. Nun setzt er erneut zum Spurt an – bevor er vielleicht ganz verschwindet.

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Von links nach rechts: Reyrol (1909), Packard (1934), Seat 800 (1964), Daimler DS 420 (1968), VW Golf VII (mit Halogen-Nachrüstlicht) und Audi A 8 mit LED-Matrix.

Bis elektrisches Licht die Petroleum-Funzel als Automobil-Beleuchtung endgültig ersetzt hatte, dauerte es fast sechs Jahrzehnte. Drei weitere benötigte die Halogen-Leuchte, die noch einmal 20 Jahre später zunächst in der Oberklasse vom Xenonlicht verdrängt wurde. Doch seit der Jahrtausendwende nimmt die Entwicklung der Scheinwerfer im Auto plötzlich rasant an Fahrt auf.

Schweinwerfer-Gehäuse werden immer mehr zu Schmuckkästchen

Die Fahrzeugbeleuchtung ist zur Kampfzone geworden. Autohersteller liefern sich ein immer erbitterteres Wettrennen um das beste und hellste Scheinwerferlicht. Begonnen hat alles vor rund acht Jahren mit dem Duell zwischen Lexus und Audi um den ersten Einsatz von LED-Scheinwerfern, seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte der Zoff im vergangenen Jahr mit einem bizarren Ringen zwischen Audi und BMW um das Debüt des neuartigen Laserlichts.

Scheinwerfergehäuse werden zu Schmuckkästchen

Scheinwerfergehäuse werden immer mehr zu Schmuckkästchen

Zwei miteinander zusammenhängende Gründe gibt es für die Innovations-Grabenkämpfe: Zum einen werden sich Autos beim Antrieb immer ähnlicher, so dass Hightech-Details an anderer Stelle für die Markenidentität wichtiger werden. Zum anderen geht es bei der Auto-Beleuchtung längst nicht mehr nur ums Sehen, sondern auch ums Gesehen werden. Spätestens seit BMW Anfang der 2000er den Schweinwerfern seiner Modellen die charakteristischen Korona-Ringe verpasst hat, fungiert Licht als Visitenkarte eines Autos. Die transparenten Scheinwerfergehäuse sind längst kleine Techno-Schmuckkästchen geworden, sorgfältig gestaltete Tagfahrlichter machen Werbung im Rückspiegel des Vordermannes und für Licht-Extras werden erkleckliche Summen aufgerufen.

Audi mit Matrix-Scheinwerfer

Audi setzt auf Matrix-Scheinwerfer

Die Premiumhersteller BMW und Audi sind es dann auch, die sich mit dem Laserlicht aktuell an die Spitze des Innovatoren-Feldes setzen wollen. So knallig der Begriff und so fortschrittlich die Technik – der Nutzen ist eher begrenzt. Denn der Laser kann ausschliesslich für ein besonders weit leuchtendes Fernlicht genutzt werden. 600 Meter reicht der Lichtkegel – doppelt so weit wie die meisten konventionellen LED-Fernlichter. Vorteile bringt das naturgemäss nur auf entsprechend langen, graden Strecken. Und auch nur auf leeren Autobahnen und Landstrassen. Denn um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu blenden, wird der Laser-Kegel bei Gegenverkehr zur Seite geschwenkt oder ganz abgeschaltet. Trotzdem werden für die Technik aktuell knapp fünfstellige Aufpreise fällig.

Das scheint viel, vor allem, weil die modernsten LED-Scheinwerfer in Sachen Fernlicht nicht viel schlechter sind. Die neuen adaptiven Leuchten, wie sie Audi unter dem Namen Matrix-LED oder Mercedes mit der Bezeichnung „Multibeam“ anbietet, haben zwar keine Laser-Lichtquelle mit Endlos-Fernlicht, strahlen aber immer noch bis zu 500 Meter weit. Zudem sind sie flexibler bei der Ausstrahlung der Strasse. Für Helligkeit sorgen hier rund zwei Dutzend Leuchtdioden, die einzeln gesteuert werden und so den Lichtkegel an die gegebenen Verhältnisse anpassen. Im Ergebnis sind die Autos mit adaptivem Dauerfernlicht unterwegs – bei Gegenverkehr oder vorausfahrenden Fahrzeugen werden einfach die passenden LEDs ausgeknipst, um Blendung zu verhindern.

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Halogen bald keine Sonderausstattung mehr?

Die besonders intelligenten LED-Scheinwerfer sind natürlich auch nicht ganz billig, bei Mercedes etwa kostet die Mulitbeam-Technik noch einmal knapp 2’200 Franken Aufpreis gegenüber den konventionellen LED-Leuchten. Das Top-Licht ist daher aktuell noch Fahrzeugen der oberen Klassen vorbehalten. Doch bereits Ende des Jahres will mit Opel der erste Volumenhersteller eine ähnliche Technik als Option im neuen Astra anbieten. Daran zeigt sich auch, dass die Licht-Hierarchie aktuell im Umbruch ist. „Heute ist die Basis häufig Halogen und die Sonderausstattung Xenon. Zukünftig kann Xenon sicherlich auch einige Standard-Ausstattungen erobern. Dann wird die LED zur Sonderausstattung“, prognostiziert Richard Lotholz, der beim Leuchtmittelhersteller Osram für die Autolicht-Sparte zuständig ist.

Um die Technikführerschaft zu behalten, investieren die Premiumhersteller in noch fortgeschrittenere Technik. Mercedes etwa arbeitet gemeinsam mit dem Leuchtenhersteller Hella und den LED-Spezialisten von Osram bereits am sogenannte Mikro-AFS-Scheinwerfer, der nicht mehr aus einzelnen LEDs besteht, sondern bei dem die Dioden hochverdichtet in einen Chip eingegossen sind. Aus einem einzigen der aktuell rund 20 Lichtpunkte werden dann schon mehr als 1’000. „Autolicht HD“ nennt Lotholz das. Mit den hochauflösenden Strahlern ergeben sich ganz neue Möglichkeiten der Licht-Inszenierung, denn die Leuchten könnten wie Projektoren genutzt werden – und dem sich nähernden Besitzer etwa eine Grussbotschaft auf den Asphalt blenden.

Audi "the swarm", freie Lichtflaeche

Ganze Design-Abteilungen beschäftigen sich mit der Fragestellung, wie die Leuchteinheiten selbst zu Hinguckern werden.

Grosse Erwartungen hegen Designer auch bei den sogenannte organischen LED (OLED). Hier verschwinden die einzelnen Lichtpunkte; zum Leuchten gebracht wird gleich eine ganze Fläche. Aktuell gibt es OLEDs im Auto nur für Leseleuchten oder Instrumente im Innenraum. Doch an Rückleuchten, Blinkern oder auf blechernen Karosserieteilen könnten die hauchdünnen, transparenten und übereinander montierbaren Leuchtflächen ganz neue Gestaltungs-Welten eröffnen. Wie futuristisch das aussehen kann, zeigt etwa die Studie „The Swarm“, die Audi auf der IT-Messe CES 2013 vorgestellt hat. Bei diesem Konzeptauto fliessen rote Flammen als Heckbeleuchtung über die Karosserie: Beim Bremsen scheinen sie dem Hintermann entgegenzufliegen, beim Beschleunigen wirken sie, als entfernten sie sich. Die Blinklichter tanzen bei Bedarf mit und schiessen wie Kometen in die Abbiegerichtung. Erste OLED-Rückleuchten dürften schon 2016 auf die Strasse kommen, wohl aber nicht in einer derart extremen Form.

Beam me up, Scotty?

Für Scheinwerfer eignet sich die OLED-Technik auf absehbare Zeit jedoch nicht. Vielleicht ist das aber gar nicht so schlimm, denn Scheinwerfer wie wir sie heute kennen, könnten langfristig zum Auslaufmodell werden. Das gerichtete, weit leuchtende und sichtbare Licht braucht schliesslich nur ein menschlicher Fahrer. Die Computer-Chauffeure selbstfahrender Autos kommen mit unsichtbarem Licht viel besser klar. Infrarot, Lidar und Laser beobachten für sie die Umgebung, nicht nur vor, sondern auch hinter und neben dem Auto. Beleuchtung wäre dann nur noch als Positionslicht für andere Verkehrsteilnehmer vonnöten. Die Scheinwerfer-Augen unserer Autos könnten dann endgültig zum schmückenden Ornament werden.

100 Jahre Autolicht von Philips

100 Jahre Autolicht von Philips

100 Jahre Autolicht von Philips

 

Ob die erste elektrische Autobeleuchtung, die Halogen- oder Xenon-Technik: Der holländische Konzern Philips spielte in den letzten 100 Jahren oft den Vorreiter bei der Fahrzeugbeleuchtung. Ein Streifzug durch ein Jahrhundert Autolicht.

Am Anfang stand das Streichholz

Barcelona. Schützend formt Fernando aus seinen Händen eine oben offene Schale, in deren Mitte er ein brennendes Streichholz balanciert. Er nähert sich einem runden, nach vorne offenen Glaskörper und versucht das Gas zu entzünden, das aus einer kleine Düse strömt. Doch immer wieder bläst der leichte Wind das just aktvierte Mini-Flämmchen wieder aus. Gut zehn Versuche sind nötig. „Früher war es mit ziemlichem Stress verbunden, die Frontlampen eines Autos zum Brennen zu bringen“, lacht Philips-Chefingenieur Peter Stolk. „Man musste viel Zeit und Geduld mitbringen und sich eine möglichst windgeschützte Stelle suchen.“

1909 Reyrol

1909 Reyrol

Wir stehen vor einem ganz seltenen Exemplar von Oldtimer, ein Reyrol aus dem Jahr 1909. Die französische Firma existiert schon lange nicht mehr, baute 1930 ihr letztes Auto und ist nur noch Fans bekannt. Und wie bei fast allen damaligen Autos wurde das matte Licht im bordeigenen Chemielabor produziert. Fernando, der das sündhaft teure, kutschenähnliche Einzelstück aus einer Sammlung in Barcelona betreut, hält uns eine Art Stein unter die Nase. Er „duftet“ wie früher die Stinkbomben, deren Opfer Generationen von unbeliebten Lehrern wurden. Es ist ein Stück Carbid, das er jetzt in einem kleinen Wassertank auf dem Trittbrett hinter der Fahrertür versenkt. So entsteht dann das brennbare Gas Ethin, das in damaliger Zeit die Frontlampen von Autos befeuerte und noch per Hand entzündet werden musste.

Peter Stolk, der heute für das niederländische Unternehmen den Automobil-Bereich verantwortet, war natürlich damals noch nicht geboren. „Das Beispiel zeigt aber, auf welchem Stand die Technik war, als die Gründer von Philips vor genau 100 Jahren ihr erstes Autolicht auf den Markt brachten“. Das runde Jubiläum wird derzeit von dem Elektronikriesen zelebriert und ist der Grund für den Rückblick in die Vergangenheit. „Seinerzeit war es wichtiger gesehen zu werden als zu sehen“, begründet der Ingenieur die aus heutiger Sicht erschreckend schwache Leistung der Carbid-Lampen. „Die Höchstgeschwindigkeit lag bei gerade mal 30 km/h. Als die Autos dann schneller wurden, musste ein andere Lösung gefunden werden“.

Von links nach rechts: Reyrol (1909), Packard (1934), Seat 800 (1964), Daimler DS 420 (1968), VW Golf VII (mit Halogen-Nachrüstlicht) und Audi A 8 mit LED-Matrix.

Von links nach rechts: Reyrol (1909), Packard (1934), Seat 800 (1964), Daimler DS 420 (1968), VW Golf VII (mit Halogen-Nachrüstlicht) und Audi A 8 mit LED-Matrix.

Philips war es, der die erste Auto-Halogenbeleuchtung erfand (1962) und 30 weitere Jahre später im 7er-BMW das erste Xenon-Licht auf den Markt brachte.

Philips war es, der die erste Auto-Halogenbeleuchtung erfand (1962) und 30 weitere Jahre später im 7er-BMW das erste Xenon-Licht auf den Markt brachte.

Das Unternehmen war denn auch Vorreiter für den Durchbruch der elektrischen Fahrzeugbeleuchtung für den Massenmarkt. Startschuss war ein Gespräch zwischen US-Autokönig Henry Ford und Anton Philips Anfang der 20er-Jahre. Es führte dazu, dass das berühmte Ford T-Modell (Tin-Lizzy) die neuen Halbwatt-Scheinwerfer aus Europa verwendete. Da dieses erste Modell aus Fliessbandfertigung lange Zeit das meistverkaufte Auto der Welt war, wurde auch Philips berühmt. Im Laufe der Jahrzehnte überraschten die Holländer immer wieder mit Innovationen, die sich schnell durchsetzten. 1924 erschien der erste Scheinwerfer mit zwei Lampen pro Gehäuse – das Abblendlicht und das Fernlicht waren geboren. Später folgte das asymmetrische Abblendlicht, das am entgegenkommenden Fahrzeug rechts vorbeileuchtete und so dessen Fahrer nicht blendete. In England war es natürlich genau umgekehrt.

Die Halogen-Nachrüst-Leuchte strahlt 130 Prozent heller und bietet damit zum Beispiel bei Tempo 80 gut 45 Meter mehr Sichtweite.

Die Halogen-Nachrüst-Leuchte strahlt 130 Prozent heller und bietet damit zum Beispiel bei Tempo 80 gut 45 Meter mehr Sichtweite.

Der Hersteller Philips war es auch, der die erste Auto-Halogenbeleuchtung erfand (1962) und 30 weitere Jahre später im 7er-BMW das erste Xenon-Licht auf den Markt brachte. „Die Anforderungen der Autofahrer an seine Beleuchtung sind immer weiter gestiegen“, schlägt Peter Stolk einen Bogen in die Gegenwart. Obwohl die heutigen Systeme immer heller und weiter strahlen, haben laut einer Umfrage fast 40 Prozent der Fahrer über 50 Jahren Probleme mit unzureichender Sicht bei Dunkelheit. Da immer noch gut 90 Prozent aller Autos mit Halogenlampen unterwegs sind, bringt Philips jetzt eine neue Nachrüst-Leuchte mit dieser Technik. Sie strahlt 130 Prozent heller und bietet damit zum Beispiel bei Tempo 80 gut 45 Meter mehr Sichtweite. „Damit bekommt der Fahrer eine um zwei Sekunden längere Reaktionszeit, die im Ernstfall entscheidend sein kann“, sagt Stolk.

Doch auch er weiss, dass die Zukunft dem modernen LED- und Laserlicht gehört. Hier ist der Konzern, dessen Lampen europaweit in der Hälfte aller Autos eingebaut sind, gut unterwegs. Das Matrix-LED des Audi A 8 trägt ebenso das Philips-Markenzeichen wie die Mercedes LED-Scheinwerfer, die wegen ihrer vielen Anpassungsmöglichkeiten (Autobahn, Landstrasse usw.) „Intelligent Light“ genannt werden. „Wir arbeiten derzeit an einer preisgünstigen Lösung, die auch für kleinere und billigere Modelle geeignet ist, und bald serienreif ist“, berichtet der Chefentwickler. Das Luxeon LR 4 setzt auf eine standardisierte Lösung, die aufgrund ihrer Bauweise von den Autobauern kostengünstig genutzt werden kann. „Neben den Vorteilen für das Styling der Autos bietet diese Lampe eine längere Lebensdauer, die voraussichtlich länger ist als die des Autos selbst“, sagt Stolk.

Bei aller Zukunftsforschung und den daraus entstehenden Technik-Revolutionen: Die Carbrid-Funzel samt ihrer chemischen Entstehung wird heute noch verwendet. Zum Beispiel im Bergbau oder bei der Höhlenforschung.

Audi A 8 mit Matrix-LED

Das Matrix-LED des Audi A 8 trägt ebenso das Philips-Markenzeichen wie die Mercedes LED-Scheinwerfer, die wegen ihrer vielen Anpassungsmöglichkeiten (Autobahn, Landstraße usw.) „Intelligent Light“ genannt werden.