Extreme-E: “Es wird ein grossartiges Abenteuer”

 

Alejandro Agag, Ex-Politiker und Gründer der Formel E erklärt im Interview, wie er mit dem Offroad-Spektakel Extreme-E die Welt retten will.   2021 startet mit der Extreme E das wohl spektakulärste Rennen, das der Planet je gesehen hat. Ziel der Elektro-Offroad-Rennserie ist es, an den extremsten Orten die sichtbaren Folgen des Klimawandels und der Umweltzerstörung durch Menschenhand zu veranschaulichen. So werden Grönland (schmelzende Eiskappen), Nepal (schwindende Gletscher), Saudi-Arabien (Wüstenbildung), Brasilien (Abholzung) und Senegal (Plastikmüll und steigender Meeresspiegel) Austragungsorte der fünf Rennen sein. An die entlegenen Orte gelangen die 12 Teams und der ganze Renntross mit einem umgebauten Mega-Frachter. Das ehemalige Postschiff «RMS St. Helena» wird derzeit zur schwimmenden Stadt umgebaut und mit «Green-Emission» Technologien aufgerüstet. Bis zu sieben Knoten soll der klimaneutrale Frachter mithilfe eines gigantischen Windsegels erreichen können. Extreme E Schiff St. Helena Aus der verrückten Idee wird immer mehr Realität. An der Rallye Dakar in Saudi-Arabien testete Kult-Rallye-Pilot Ken Block bereits erfolgreich das erste Extreme E Rennfahrzeug unter Realbedingungen. In genau einem Jahr soll das erste Extreme E Rennen stattfinden. Im Zentrum des Spektakels steht ein Mann: Alejandro Agag. Medien bezeichnen den 50-Jährigen gerne als den «Elon Musk des Motorsports» oder als «Bernie Ecclestone der Elektromobilität». Der ehemalige spanische Parlamentarier, EU-Politiker und GQ «Unternehmer des Jahres» sowie Gründer der Formel-E-Meisterschaft lancierte das Giga-Projekt im letzten Jahr und stiess damit auf breite Akzeptanz. Im persönlichen Gespräch anlässlich des SPORT.FORUM.SCHWEIZ in Luzern erklärt Alejandro Agag, dass es bei der Extreme E um weit mehr als ein verrücktes Autorennen geht – es ist seine Mission, die Welt zu retten.

Vom EU-Parlament zum Motorsport: Sie haben einen unkonventionellen Werdegang.

Nach 13 Jahren in der Politik entschloss ich mich, ein neues Kapitel aufzuschlagen und wurde im Motorsport aktiv – erst in der Formel 2, später in der Formel 1. Ich war zwar recht erfolgreich im Motorsport, aber schon längere Zeit dachte ich über eine grüne Version des Motorsports nach. So keimte allmählich der Gedanke, die Formel E zu gründen. Nachdem sich die Technologien stark weiterentwickelt haben und Elektroautos rennfähig wurden, schien die Zeit reif. Das war vor etwa acht Jahren; schon zwei Jahre nach der Gründung dieses Projekts veranstalteten wir das erste Rennen. Am Anfang kamen die Autohersteller etwas zögerlich, aber mittlerweile sind Hersteller wie Audi, Jaguar, BMW, Nissan, Mercedes, Porsche und viele mehr dabei. Die Formel E wird also spannender denn je.

Was ist der Unterschied zwischen der Formel-E und Extreme-  E? 

Wie schon in der Formel E werden sämtliche Teams dieselbe Technologie nutzen. Die Technologien sind für beide Serien sehr ähnlich, ausser natürlich der Offroad-Antrieb. Die Leistung wird dank einem zweiten Motor erzeugt. So haben die Extreme E Boliden doppelt so viele PS wie die Formel E Racer. Ein weiterer Unterschied zur Formel E: In der Extreme E werden wir unseren Teams erlauben, das Äussere des Autos zu verändern, um so die Serienfahrzeuge der Hersteller etwas besser in Szene setzen zu können. 4x4Schweiz-Interview mit Alejandro Agag, Gründer der Extreme-e Rennserie Anders als die Formel E, die in Städten stattfindet, gehen wir mit der Extreme E an die am meisten zerstörten Orten auf unserem Planeten. Es ist also nicht so, dass wir durch die Natur heizen und diese zerstören, nein, wir gehen dorthin, wo der Wald bereits zerstört ist. Wir wollen das Bewusstsein der Öffentlichkeit schärfen und nach dem Rennen den Wald wieder aufforsten – zumindest teilweise. Oder bei unserem Rennen am Küstenabschnitt von Senegal: Dort werden wir nach dem Rennen den Strandabschnitt von Unrat und Plastikmüll befreien. Das ist zwar immer noch zu wenig, aber wenigstens ein Anfang.

Sie nennen die Extreme-E «das Rennen, ohne Spuren zu hinterlassen». Warum?

Wir wollen und werden nicht zerstören, sondern aufbauen. Die Rennen hinterlassen keine ökologischen Spuren, dafür ein «Erbe, das auf den jeweiligen Ort zugeschnitten ist. Im Amazonasgebiet forsten wir beispielsweise jedes Jahr die gleiche Menge Hektar Bäume auf, über die wir Rennen fahren. Wenn wir in die Arktis gehen, können wir die arktische Eiskappe leider nicht wieder aufbauen, aber wir werden die grönländische Regierung dabei unterstützen, die Bevölkerung mit 100 Prozent erneuerbarer Energie zu versorgen. Vermächtnis ist ein Schlüsselelement der Extreme E. Wir hinterlassen keine Spuren, sondern ein positives Vermächtnis. Das ist die Mission von Extreme E.

Wie reagierten die Regierungen auf Ihre Idee, mit dem Finger auf ihre Umweltschäden zu zeigen?

Wir waren überrascht, wie offen die Regierungen sind. Die Resonanz ist fantastisch. Wir stellten fest, dass die betroffenen Länder ihre Probleme nicht verbergen wollen, im Gegenteil, sie wollen aktiv Hilfestellungen zu Lösungen bieten. Zum Beispiel Brasilien, wo die Regierung sofort Hand bot und wörtlich sagte: «Bitte kommen Sie! Wir werden Ihnen helfen, dieses Rennen auf die Beine zu stellen, um auf das Problem der Abholzung hinzuweisen, weil auch wir die Abholzung bekämpfen wollen.» Auch andere Länder wie Nepal oder Saudi-Arabien wollen unser Projekt tatkräftig unterstützen. In Grönland heisst man uns ebenfalls mit offenen Armen willkommen, weil dort wenig internationale Veranstaltungen stattfinden.

Wird die Extreme-E live übertragen?

Wir werden über die ersten Rennen Dokumentarfilme drehen, die zeigen, was hinter der Idee steckt. Zusammen mit renommierten Wissenschaftlern gehen wir beispielsweise den ökologischen Problemen auf den Grund und werden aktiv Lösungen erarbeiten. Wir werden alles filmen – die Teams, die Fahrer, ihr Leben auf dem Schiff etc. Das Schiff «St. Helena» – wir nennen es die Calypso* des 21. Jahrhunderts – wird den Rennzirkus an die Austragungsorte bringen. Es wird ein grossartiges Abenteuer! Der letzte Teil des Rennens wird live übertragen. Es haben sich schon jetzt namhafte Elite-Rennfahrerinnen und -Rennfahrer verpflichtet. Wie erklären Sie sich das Interesse? Für die Fahrerinnen und Fahrer ist es eine grosse Chance, einen positiven Beitrag für die Umwelt zu leisten. Viele Piloten sind privat sehr engagiert und besorgt über den Zustand des Klimas. Es ist also die Gelegenheit, das Rennfahren mit dem Umweltbewusstsein zu vereinen. Ausserdem ist es eine einzigartige Erfahrung im Umgang mit der neuen Technologie im Extremeinsatz. Die Renn-Fahrzeuge haben eine unglaubliche Leistung und können über 300 km/h abseits der Strasse fahren: in der Wüste, im Sand oder auf Felsen. Ich denke, das ist eine ganz besondere Herausforderung für alle Piloten. Diese Rennen werden fantastisch werden! 4x4Schweiz-Interview mit Alejandro Agag, Gründer der Extreme-e Rennserie Werden die technologischen Erfahrungen den Weg auf die Strasse finden? Ziel ist es, dass die Erfahrungen und Technologien aus dem Rennsport den Weg in die Produktion von Serienfahrzeugen finden. Wir bieten Herstellern darum die Möglichkeit, die Extreme E Technologie mit zu entwickeln und im Rennsport zu testen, was später dann in die normalen Autos eingebaut werden kann. Zu guter Letzt: Warum tun Sie, was Sie tun? Die Menschheit hat ein Problem. Es ist wirklich dumm, was wir unserer Umwelt antun. Dafür will ich mich einsetzen, weil der Planet für Menschen schon bald nicht mehr bewohnbar sein wird. 4x4Schweiz-Interview mit Alejandro Agag, Gründer der Extreme-e Rennserie Zur Person Alejandro Agag Alejandro Agag wurde 1970 als Sohn eines algerischen Bankiers in Madrid geboren. Nach einem Finanzstudium wurde Agag 1996 persönlicher Berater des damaligen spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar, dessen Tochter Ana Aznar Botella er 2002 heiratete. 1999 wurde Agag für die konservative Partido Popular ins EU-Parlament gewählt, entschied sich aber 2002 für eine wirtschaftliche Karriere in der Hochfinanz. Alejandro Agag wurde in den Nuller-Jahren immer mehr zum Big-Player in der Vermarktung von Formel-1-Rechten und war Besitzer mehrerer Formel 2-Teams. 2012 gründete er die FIA-Formel-E-Meisterschaft und ist CEO der Formula E Holding. 2008 wählte ihn die spanische GQ zum «Unternehmer des Jahres». *Jacques Cousteaus legendäres Forschungsschiff